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Wärmeerzeugermarkt

“Mund auf und los“

„Nach einem extrem schwachen Jahr 2007 zieht die Nachfrage nach effizienter Heiztechnik kräftig an“, freute Klaus Jesse, Präsident des Bundesindustrieverbands Deutschland Haus-, Energie- und Umwelttechnik (BDH), anlässlich der 2. Deutschen Wärmekonferenz am 16. September. Ein „normaler“ Absatz von deutlich über 700000 Wärmeerzeugern wird es 2008 wohl trotzdem nicht. Der BDH ging im September von 633000 Einheiten aus, 15 % mehr als im Vorjahr, aber 17 % unter 2007. Auch bezogen auf das Mittel von 2006 und 2007 (656000), das viele in der Branche aufgrund von Vorzieheffekten durch die Mehrwertsteuererhöhung Anfang 2007 als besseren Vergleich sehen, dürfte keine vollständige Erholung eintreten.

Angesichts der seit der Wärmekonferenz veränderten Randbedingungen fürchtet die Branche nun sogar, dass der sich ohnehin nur langsam auflösende Modernisierungsstau im Heizungskeller wieder ins Stocken geraten könnte. Wenngleich sich Umfragen zufolge bislang nur wenige Endverbraucher selbst als direkte Opfer der Finanzkrise sehen, erwarten Wirtschaftsexperten schon bald eine deutliche Abkühlung der Anschaffungsneigung.

Eine Einzelprognose für den Absatz von Wärmeerzeugern ist aber sehr schwierig. Der Höhenflug des Rohölpreises bis Mitte Juli ist mittlerweile in den Sturzflug übergegangen. Allerdings profi­tieren die Endverbraucher nur gedämpft davon: Der ebenfalls rapide gesunkene Wechselkurs des Euro zum US-Dollar hält den Heizölpreis aber hoch. Die Gaspreise sind sogar aufgrund der circa sechs Monate zeitversetzt wirkenden Bindung an den ­Ölpreis noch am steigen.

Marktanreizprogramm kommt an

Dabei gibt es einige Unternehmen und ­Marktsegmente, die auf eine so schnelle Markt­erholung schlecht vorbereitet waren. Litt 2007 die Solarthermie sogar mit –35 % noch stärker als der Wärmeerzeugermarkt (–28 %), wird 2008 das mögliche Wachstum (BDH-Prognose: +82 % gegenüber dem Vorjahr) von zu niedrigen Fertigungskapazitäten begrenzt; wobei das größte ­Defizit bei Speicherbehältern existiert. Auch viele Hersteller von Wärmepumpen hängen aufgrund rasant gestiegener Nachfrage aus anderen Ländern ihren Absatzmöglichkeiten hinterher. Ähnliches ist von mehreren Herstellern für PelletHeizkessel zu hören: Absatzflaute in 2007, Absatzboom mit Lieferzeiten in der zweiten Jahreshälfte 2008.

Welche Bewegung 2008 mit den steigenden Energiepreisen in den Markt gekommen ist, lässt sich gut an den Antragszahlen1) des Marktanreizprogramms zur Nutzung erneuerbarer Energien im Wärmemarkt (MAP) ablesen. Bis Ende September wurde Förderung für 20865 Wärmepumpen, für 24616 Biomasseheizkessel (darunter 13283 automatisch beschickte Pellet-Heizkessel mit 5 bis 50 kW) und für 111489 Solarthermieanlagen (davon 31120 bzw. 28 % mit gleichzeitigem Austausch des Heizkessels) gestellt. Besonders beeindruckend ist der Aufwärtstrend bei Pellet-­Heizkesseln2) – rund ein Drittel aller Anträge (4343) ist im September eingereicht worden.

Eine Frage bleibt aber bisher unbeantwortet: Führt das aktuelle Marktanreizprogramm eigentlich dazu, dass mehr Heizungsanlagen erneuert werden oder verteilt es nur die Modernisierer auf eine breitere technische Basis? Oder anders gefragt: Wie viele Wärmeerzeuger wären 2008 ohne Marktanreizprogramm verkauft worden?

Angst vor Konjunkturprogrammen

Über solche Fragen denkt momentan freilich niemand laut nach. Stattdessen wird in Berlin eifrig an neuen Konjunkturprogrammen geschraubt. Überwiegend noch intern. Dafür parallel in verschiedenen Ministerien. Das schürt Ängste vor einem öffentlichen Streit um das beste Konzept, was unweigerlich zu weiterer Verunsicherung führen würde. Das Schlimmste wäre allerdings, wenn ein attraktives Förderprogramm schon Monate vor dem Inkrafttreten publik würde: Der Markt würde sofort einbrechen. Unbegründet ist diese Angst nicht, die energetische Gebäudemodernisierung ist Bestandteil diverser Entwürfe.

Der jetzt noch stärker ins Blickfeld der Politik geratene Austauschmarkt ist für die Branche von überragender Bedeutung. Aber: Er reagiert äußerst sensibel auf jede Verunsicherung, denn Betreiber einer noch funktionierenden Heizungsanlage können ihre Entscheidung verschieben. Wie schon 2007.

Hauptaugenmerk Austauschmarkt

Um die Abhängigkeit der Branche vom Austauschmarkt aufzuzeigen, bietet sich eine Korrelation der BDH-Wärmeerzeugerstatistik mit den Baufertigstellungen an, wenngleich die in den beiden Statistiken erfassten Ereignisse zeitlich nicht exakt zusammenfallen. Subtrahiert man die Baufertigstellungen3) im jeweiligen Kalenderjahr von der BDH-Wärmeerzeugerstatistik, ergibt sich eine Größenordnung des Austauschmarkts (Bild 1): Zwischen 2000 und 2006 lag der so ermittelte Wert sehr stabil bei 579000 Wärmeerzeugern pro Jahr (Schwankung: –4…+3 %). 2007 kam der Knick: Bezogen auf den Mittelwert von 2000 bis 2006 ist der Austauschmarkt um über 30 % auf 403000 eingebrochen.

Das Zeugnis dieser Zahlen ist erbarmungslos: Verunsicherung (2007, vgl. TGA 02-2008, Heizungsmodernisierung – Fehlende Impulse) kann ein Drittel der Kunden in sofortige und anhaltende Lethargie verfallen lassen. Optimale Bedingungen (bis Oktober 2008: die höchsten Energiepreise aller Zeiten, attraktive Zuschussförderung) können die Kunden nur langsam mobilisieren. Das liegt zu einem großen Teil an der fehlenden Informationsbereitstellung, wie kürzlich die Unternehmensberatung Korehnke Kommunikation in einer bevölkerungsrepräsentativen Befragung festgestellt hat.

Impulse durch Heizungs-Check

Dabei hat die Branche mit dem Heizungs-Check für die Informationsbereitstellung ein scharfes Schwert. Zusammen mit einer ohnehin anstehenden Wartung durchgeführt, können Heizungsfachbetriebe keinen besseren Zeitpunkt abpassen (vgl. TGA 05-2008, Heizungs-Check – Maßanzug statt Radikalkur). Wurde bisher eine durchgeführte Wartung vom Kunden als „alles befindet sich in bestem Zustand“ aufgefasst, bietet sich jetzt auf der Basis einer unverdächtigen Norm die Möglichkeit, dem Kunden die Wahrheit zu präsentieren.“ Ein Heizungsbauer, der bereits positive Erfahrungen mit dem Heizungs-Check gemacht hat: „Man muss den Leuten offen sagen, was Sache ist, denn oft sind sie ahnungslos: Ihre Heizung gehörte bei der Installation vor 18 Jahren zu den besten. Heute gibt es effizientere Technik, die sich schnell bezahlt macht.“ Der Heizungsbetrieb setzt schon länger auf solche Kommunikation, konnte 2007 sogar mehr Kessel in den Bestand verkaufen als in den Jahren davor: „Augen zu und durch ist im Austauschgeschäft kein Rezept. Mund auf und los – damit haben wir neue Kessel in die Keller gebracht.“

Es erfordert ein wenig Mut zum Umdenken von den Branchenverbänden, damit Kunden diese Botschaft auch ganz offiziell durch den Schornsteinfeger erhalten. Chancen auf zusätzliche Aufträge bietet das allemal. Denn für alle Besitzer von Heizungsoldies gibt es einen sicheren Anlagetipp: Eine vorgezogene Heizungsmodernisierung. Wer wartet, bis die alte Heizung den Dienst verweigert, spart nach der Zwangserneuerung bei gleicher Technik zwar ähnlich viel, doch bis zu dahin verschwendet er Geld. Jochen Vorländer

https://www.bdh-industrie.de/ (Marktzahlen)

https://www.intelligent-heizen.de/ (Heizungs-Check)

http://www.bafa.de (Marktanreizprogramm)

https://www.tga-fachplaner.de/ (Kostenvergleichsrechner in „Infothek / Downloads“)

1) Bei den Antragszahlen ist zu berücksichtigen, dass für die Basisförderung (ggf. mit Bonusförderung) die Anträge erst (bis maximal sechs Monate) nach Herstellung der Betriebs­bereitschaft gestellt werden können.

2) Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle zum 9. Juni 2008 seine Förderpraxis für die Kombination von Pellet-Heizungen und Solaranlagen umgestellt hat. Eine Addition des jeweils erforderlichen Pufferspeicher­volumens ist seit dem nicht mehr erforderlich. Bei bis dahin nicht abschließend beschiedenen Anträgen wurde die neue Förderpraxis angewendet.

3) Baufertigstellung von neu errichteten Wohngebäuden und Nichtwohngebäuden, ohne Baumaßnahmen an bestehenden Gebäuden. Quelle: Statistisches Bundesamt.

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