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Großwärmepumpen-Kongress in Zürich

Deutlicher Trend zu natürlichen Kältemitteln

Bild 1 Montage der Großwärmepumpe in der zentralen Kläranlage von Wien „ebswien“, früher Entsorgungsbetriebe Simmering. Bis 2027 soll eine Leistung von 110 MW zur Verfügung stehen. Damit können bis zu 112 000 Haushalte mit Fernwärme versorgt werden.

Wien Energie / Johannes Zinner

Bild 1 Montage der Großwärmepumpe in der zentralen Kläranlage von Wien „ebswien“, früher Entsorgungsbetriebe Simmering. Bis 2027 soll eine Leistung von 110 MW zur Verfügung stehen. Damit können bis zu 112 000 Haushalte mit Fernwärme versorgt werden.

„Die gesamte deutsche Wärmenachfrage bis 200 °C Grad lässt sich technisch vollständig durch Wärmepumpen decken. Großwärmepumpen können hierbei erhebliche Potenziale in Geothermie, Gewässern und Abwärme heben“, so das Ergebnis einer Studie über die künftige Rolle von Großwärmepumpen in Deutschland. Während vor ein paar Jahren Wärmepumpen großer Leistung noch als „nicht marktrelevant“ eingestuft wurden, sprechen europäische Hersteller inzwischen von einem „explodierenden“ Bedarf bei Aggregaten mit großer Leistung und hohen Arbeitstemperaturen. Dabei spielen natürliche Kältemittel eine tragende Rolle. Eindrücke vom 7. Internationalen Großwärmepumpen-Kongress in Zürich.

Der Artikel kompakt zusammengefasst
■ Bei der Dekarbonisierung leitungsgebundener Wärme werden Großwärmepumpen eine tragende Rolle spielen.
■ Insgesamt ist bei Großwärmepumpen ein Trend zum Einsatz natürlicher Kältemittel festzustellen:
■ Auf fernwärmetypischem Temperaturniveau und bei entsprechenden Leistungen gehören CO2 und NH3 zu den Favoriten.
■ Im kleineren Leistungsbereich haben für die Bereitstellung von Raumwärme Kohlenwasserstoffe wie Propan (R290) bei „Standard“-Wärmequellen in der Gesamtbetrachtung oft Vorteile.
■ Für ein energieeffizientes Großwärmepumpen-Gesamtkonzept ist auch eine durchdachte Hydraulik auf der Abnehmerseite und gegebenenfalls auf der Quellenseite entscheidend.
 

Aktuell ist der Anteil von Großwärmepumpen an der deutschen Wärmeerzeugung mit 60 MW installierter Leistung noch gering. Etwa 10 000 Wohnungen können mit dieser Leistung unter Auslegungsbedingungen beheizt werden. Bis 2045 könnte allerdings mehr als 70 % der Fernwärme in Deutschland durch Großwärmepumpen erzeugt werden, so das Ergebnis der Studie „Roll-out von Großwärmepumpen in Deutschland“, herausgegeben vom Thinktank Agora Energiewende. Zur Einordnung: Ende 2022 wurden 14,2 % aller Wohnungen in Deutschland (43,4 Mio.) mit leitungsgebundener Wärme versorgt, also gut 6,1 Mio. Wohnungen.

Umwelt- und Abwärmequellen gäbe es in Deutschland mehr als genug. Das vorhandene Potenzial übersteige bei weitem den Wärmebedarf für Gebäude sowie für industrielle Prozesswärme bis 200 °C. Vorbilder für den Hochlauf von Großwärmepumpen in Fernwärmenetzen sind Norwegen, Schweden, Finnland, Dänemark und Frankreich. Anlässlich der Vorstellung des Esbjerg-Wärmepumpenprojekts durch MAN Energy Solutions schrieb die britische BBC in ihren Online-News am 30. Mai 2023 von einem „explodierenden Bedarf an großen Wärmepumpen“ (The exploding demands for giant heat pumps) in Europa.

CO2-Turboverdichter erreicht COP von 9

Bild 2 Kernelement des ETES-Wärmepumpensystems in Esbjerg sind zwei ölfreie, hermetisch gekapselte HOFIM-Motor-Kompressoreinheiten mit integriertem Expander.

MAN Energy Solutions

Bild 2 Kernelement des ETES-Wärmepumpensystems in Esbjerg sind zwei ölfreie, hermetisch gekapselte HOFIM-Motor-Kompressoreinheiten mit integriertem Expander.

Ein wichtiger Schlüssel zu hocheffizienten Energiesystemen ist nach Ansicht von Raymond Decorvet, MAN Energy Solutions, Zürich, die Sektorenkopplung in allen Bereichen der energetischen Infrastruktur, inklusive Strom aus erneuerbaren Energien (EE). Während indirekte bzw. direkte Stromspeicher nur Effizienzgrade zwischen 25 und 90 % erreichen und Power-to-X-Energiespeicher gerade mal auf 25 bis 30 % kommen, seien bei gleichzeitiger Produktion von Wärme und Kälte mittels Wärmepumpe Effizienzgrade zwischen 300 und mehr als 600 % möglich.

Im Idealfall sollten jeweils auf der warmen und auf der kalten Seite der Wärmepumpen entsprechend dimensionierte Speicher zwischengeschaltet sein. Damit könnten vorhandene erneuerbare Energien, beispielsweise billiger Windstrom aus skandinavischen Ländern, optimal genutzt und gleichzeitig Netze stabilisiert werden. Bei großen Temperaturdifferenzen zwischen dem Temperaturniveau von Fernwärmesystemen, zum Beispiel 150 °C, und dem Temperaturniveau von Kältespeichern mit einer Verdampfungstemperatur von − 20 °C, bieten sich CO2-Wärmepumpen an, die auf der Wärmeseite einen Wirkungsgrad (COP) von 3 bis 5, auf der Kälteseite einen COP von 2 bis 4, im Idealfall also einen Gesamt-COP von maximal 9 erreichen.

MAN setzt dafür den ölfreien Turbokompressor „HOFIM“ ein, ein platzsparender, hermetisch geschlossener, getriebeloser Verdichter mit integriertem, variablem Hochgeschwindigkeitselektromotor (Bild 2). Dieser Verdichtertyp wurde ursprünglich für die Offshore-Gasförderung mit Unterwasser-Kompressoreinheiten in Wassertiefen von bis zu 300 m und einem Gasdruck von 120 bar entwickelt.

Weltweit größtes Projekt mit der HOFIM-CO2-Kompressortechnologie ist das Esbjerg-Projekt (Bild 3) in Jütland, Dänemark. Dort wird das an ein Steinkohlekraftwerk angeschlossene Fernwärmenetz künftig mit Wärme aus Windstrom-angetriebenen CO2-Großwärmepumpen versorgt. Als Wärmequelle dient Meerwasser; die Fernwärme-Vorlauftemperatur im Winter liegt bei maximal 95 °C.

Mit einer Gesamtwärmeleistung von 50 MW können mit der Anlage die rund 100 000 Einwohner mit etwa 235 000 MWh/a Wärme versorgt werden. Eine Besonderheit der Anlage ist die Option, elektrisch erhitzte gespeicherte thermische Energie von bis zu 150 °C in Strom zurück zu wandeln.

Bild 3 Zwei ETES-Wärmepumpensysteme von MAN reichen aus, die Wärmeversorgung von Esbjerg, Dänemark, zu dekarbonisieren. Neben der CO2-basierenden Wärmepumpenanlage besteht das ETES-System aus elektrothermischen Speichern (Warmwasser und Eis) sowie der Möglichkeit, thermisch gespeicherte Energie in Elektrizität umzuwandeln.

MAN Energy Solutions

Bild 3 Zwei ETES-Wärmepumpensysteme von MAN reichen aus, die Wärmeversorgung von Esbjerg, Dänemark, zu dekarbonisieren. Neben der CO2-basierenden Wärmepumpenanlage besteht das ETES-System aus elektrothermischen Speichern (Warmwasser und Eis) sowie der Möglichkeit, thermisch gespeicherte Energie in Elektrizität umzuwandeln.

Schweizer Wärmepumpen-Hersteller bevorzugen natürliche Kältemittel

Die thermodynamische Eignung, die Umweltauswirkungen und der Wirkungsgrad zählen künftig zu den Hauptkriterien für die Auswahl eines Kältemittels für Großwärmepumpen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Umfrage von Dr. Cordin Arpagaus von der Ostschweizer Fachhochschule in Rapperswil. Während heute noch Hydrofluorolefin (HFO)- und Fluorkohlenwasserstoff (FKW)-Kältemittel bei Großwärmepumpen dominieren, zeichne sich demnach ein breiter Trend zu Kohlenwasserstoffen, Ammoniak (NH3, R717) und Kohlenstoffdioxid (CO2, R744) ab.

Der Wechsel von den synthetischen zu den natürlichen Kältemitteln könnte bereits in drei bis fünf Jahren vollzogen sein, so die Umfrage. Wegen des Booms bei Hauswärmepumpen habe die Nachfrage nach Kältemitteln insgesamt zugenommen, wobei Kältemittel mit hohem Treibhauspotenzial (GWP), wie R134a, R404A, R410A und R407C, in der Hauswärmepumpen-Leistungsklasse immer noch dominieren.

Auffallend sei der starke Anstieg von R410A (GWP = 2088) bei Hauswärmepumpen in den letzten zehn Jahren. Obwohl in der Schweiz europäische Vorschriften wie die F-Gase-Verordnung oder die EU-Chemikalienverordnung REACH keine rechtliche Wirkung haben, orientieren sich die Eidgenossen an diesen EU-Verordnungen.

Wie es heißt, soll es – abweichend vom EU-Fahrplan – unterschiedliche zeitliche Regelungen für Kälteanlagen, Klimaanlagen und Wärmepumpen geben. Ein Ausstieg aus den FKW- und HFKW-Kältemitteln zugunsten von HFO- und natürlichen Kältemitteln sei jedoch vorgegeben, bekräftigt Arpagaus.

Auch die Auswirkungen der geplanten Beschränkung von per- und polyfluorierten Chemikalien (PFAS) in der EU werde in der Schweiz beobachtet, um „zu gegebener Zeit“ regulierend einzugreifen. Davon betroffen sind sowohl die HFC-Kältemittel R125, R134a, R143a und R404A als auch HFO- und HCFO(Hydrochlorfluorolefine)-Stoffe wie R1234yf, R1234ze(E), R1336mzz(E), R1336mzz(Z), R1224yd und R1233zd(E).

Die meisten Anbieter von Großwärmepumpen hätten auf die möglichen EU-Restriktionen bereits reagiert und auf natürliche Kältemittel umgeschwenkt. So setze Johnson Controls bei seinen Großwärmepumpen für Fernwärmesysteme und Temperaturen über 100 °C bereits R717 bzw. R600 (Butan) ein. Auch Mayekawa verwendet Butan für seine Großwärmepumpe, während die Fenagy AIS, Lystrup, Dänemark, CO2 als Kältemittel bevorzugt. etop Technologies, Neuhofen an der Krems in Österreich, nutzt für seine Rotationswärmepumpe den Joule-Prozess und verwendet dafür ein Edelgasgemisch aus Argon, Helium und Krypton (GWP < 1, ODP = 0, kein PFAS-Kältemittel).

Combitherm, Fellbach, verwende für Industrie-Wärmepumpen auch noch das PFAS-haltige Kältemittel R1233zd(E), ebenso Triotherm aus der Schweiz und Ochsner aus Österreich. Auch Siemens Energy setze bei seiner Großwärmepumpenserie HFO-Kältemittel ein. Nach den Recherchen von Arpagaus dominieren jedoch die natürlichen Kältemittel den Markt für Wärmepumpen großer Leistung und Temperaturen > 100 °C mit 64 %. Die Abkehr von den synthetischen Kältemitteln sei also deutlich.

Bild 4 Nettowärmeerzeugung zur leitungsgebundenen Wärmeversorgung in Deutschland für das Jahr 2022 der Fernwärme- und -kälteversorger sowie aus den Einspeisungen von Industrie und Sonstigen, nach Energieträgern, insgesamt (vorläufig) 132 TWh (Mrd. kWh). Großwärmepumpen haben hier noch keinen relevanten Platz gefunden, leitungsgebundene Wärme wird bisher überwiegend über direkte oder vorgelagerte Verbrennungsprozesse erzeugt.

BDEW

Bild 4 Nettowärmeerzeugung zur leitungsgebundenen Wärmeversorgung in Deutschland für das Jahr 2022 der Fernwärme- und -kälteversorger sowie aus den Einspeisungen von Industrie und Sonstigen, nach Energieträgern, insgesamt (vorläufig) 132 TWh (Mrd. kWh). Großwärmepumpen haben hier noch keinen relevanten Platz gefunden, leitungsgebundene Wärme wird bisher überwiegend über direkte oder vorgelagerte Verbrennungsprozesse erzeugt.

Natürliche Kältemittel aus Tradition

Dass ein Unternehmen auch ohne den Einsatz synthetischer Kältemittel über Jahrzehnte erfolgreich sein kann, beweist der Kälteanlagenbauer Wettstein Kältetechnik in Gümlingen, Schweiz. 1953 gegründet, lag der Schwerpunkt des Unternehmens fast immer auf Kälteanlagen mit natürlichen Kältemitteln, eigenen Angaben zufolge zu 98 %. Großwärmepumpen mit dem Kältemittel NH3 werden bereits seit 30 Jahren gebaut, die größte von Wettstein erstellte NH3-Wärmepumpe leistet 25 MW bei einer Vorlauftemperatur von 65 °C.

Für Toni Sigrist, Mitglied der Geschäftsleitung von Wettstein Kältetechnik, ist es nur logisch, dass die synthetischen Kältemittel immer stärker zurückgedrängt werden, nochmals verstärkt durch ein mögliches Verbot von PFAS-haltigen Kältemitteln. Besonders geeignet für den Einsatz von Großwärmepumpen sind aus Sicht von Sigrist gemischt genutzte Wohn- und Gewerbeüberbauungen mit einem abgestimmten Energiesystem aus Photovoltaik, öffentlicher Stromversorgung, gegebenenfalls Flusskraftwerk, Erdwärmesondenfeldern und Elektromobilität.

Die Erdwärmesondenfelder fungieren dabei als saisonaler Energiespeicher – sie werden im Sommer durch Wärmeüberschüsse aus der Kälteerzeugung beladen und im Winter als Wärmequelle genutzt. Dadurch sei ein sehr hoher Autarkiegrad möglich, sodass auf eine Redundanz über Heizkessel mit fossilen Brennstoffen verzichtet werden könne.

Da Großwärmepumpen für eine Lebenszeit von mehr als 30 Jahren gebaut werden, sei es nur konsequent, auf synthetische Kältemittel zu verzichten, zumal sich die Gesetzeslage rund um das Thema Kältemittel mit Sicherheit zugunsten der natürlichen Verbindungen ändern werde, bekräftigt Sigrist.

Wichtig bei Großwärmepumpen sei die optimale Dimensionierung. Die Erfahrung zeige, dass in der Vergangenheit meist zu große Leistungen verbaut wurden. Dies gelte besonders für Anlagen mit großen Trinkwarmwassernetzen, für die gegebenenfalls eine separate Wärmepumpe sinnvoller sei.

NH3-Wärmepumpen für Wohngebäude erst ab 1 MW wirtschaftlich

Bild 5 Wann immer möglich und sinnvoll sollten Großwärmepumpen mit natürlichen Kältemitteln betrieben werden. Die CTA AG bietet ein breites Spektrum für fast alle Einsatzzwecke an.

CTA AG

Bild 5 Wann immer möglich und sinnvoll sollten Großwärmepumpen mit natürlichen Kältemitteln betrieben werden. Die CTA AG bietet ein breites Spektrum für fast alle Einsatzzwecke an.

Fast alle kundenspezifischen Lösungen mit natürlichen Kältemitteln sind technisch machbar, aber nicht jede Lösung ist auch wirtschaftlich. Claudio Müller von der CTA AG, Münsingen / Bern, ist überzeugt, dass die natürlichen Kältemittel schon heute ihre Berechtigung haben. Propan (R290) sei in kleinen und mittleren Leistungsbereichen bereits gut etabliert, Großwärmepumpen mit Propan liefen bei der CTA jedoch noch unter „Vision“. In jedem Fall sei es wichtig, sich in der Planung ausgiebig mit dem Sicherheitskonzept bei Propan-Wärmepumpen auseinanderzusetzen.

Nicht zu unterschätzen seien die hohen Schallemissionen von Propan-Wärmepumpen größerer Leistung, sodass diese sich eher für industrielle Anwendungen eignen. Für größere Wohn- und Gewerbebauten führt CTA auch gesplittete Propan-Wärmepumpen im Programm, die eine geringere Schallemission aufweisen.

Kohlenstoffdioxid zählt Müller zu dem am meisten unterschätzten Kältemittel bei Großwärmepumpen. Dabei gelte es zu beachten, dass solche Anlagen umso effizienter arbeiten, je tiefer die Rücklauftemperatur abgesenkt werden kann, beispielsweise durch nachgeschaltete Fußbodenheizungen, Lufterhitzer oder Trinkwassererwärmer. Ein COP von 4,95 sei durchaus erreichbar. Das CTA-Angebot von CO2-Wärmepumpen reicht aktuell von 50 bis 1000 kW Heizleistung.

Wegen der sicherheitstechnischen Vorgaben, insbesondere im städtischen Wohnbereich, lohnen sich NH3-Wärmepumpen (Bild 5) für Wohngebäude nach Einschätzung von CTA erst ab einer Leistung von 1 MW Heizleistung.

Fernwärme Wien setzt weiter auf HFO-Kältemittel

„Nein, das Thema Kältemittel haben wir bisher nicht thematisiert. Wir geben bei unseren Aufträgen das Kältemittel nicht vor.“ Nach den vorhergehenden Bekundungen der Referenten für eine kritische Betrachtung der Kältemittelsituation und einem deutlichen Zeichen für den Einsatz natürlicher Kältemittel bei Großwärmepumpen war diese Aussage von Mario Wallner von der Wien Energie für die Mehrheit der Kongressteilnehmer eher irritierend. Denn aktuell werden im Fernwärmenetz von Wien Energie fast ausschließlich Großwärmepumpen mit HFO-Kältemitteln eingesetzt. Beispiele:

● Abwärmenutzung in der Klinik Floridsdorf (3 MW, drei Einheiten, Kältemittel R1234ze)
● Hauptkläranlage Wien (55 MW, drei Einheiten, Kältemittel R1234ze)
● Kraftwerk Simmering (27 – 39 MW, zwei Einheiten, Kältemittel R1234ze) (Bild 1)
● Müllverbrennung Spittelau (16 MW, zwei Einheiten, Kältemittel R1234ze)

Dabei liegen in Wien durchaus Erfahrungen mit natürlichen Kältemitteln vor. So laufen die Wärmepumpen der Therme Wien zur Restwärmegewinnung aus Thermalabwasser (2 MW, zwei Einheiten) mit NH3-Kältemittel. Auch in der UNO-City (4 MW, drei Einheiten) kommt NH3 zum Einsatz.

Künftig soll in das Fernwärmenetz Wien auch Wärme aus der Tiefengeothermie eingespeist werden. Bis 2030 könnten damit bis zu 125 000 Haushalte zusätzlich mit Fernwärme versorgt werden. Großwärmepumpen spielen dabei eine wichtige Rolle, um die Einspeiseleistung zu steigern oder die Temperaturen der zur Verfügung stehenden Geothermiequellen auf das vergleichsweise hohe Temperaturniveau des Wiener Fernwärmesystems zu erhöhen.

Thermische Batterie aus Großwärmepumpe und Erdsondenfeld

Als eine Art Reallabor entsteht derzeit in Basel das Areal „BaseLink“, eine Überbauung in der Größenordnung von 75 000 m2, die in vier Bauetappen von unterschiedlichen Investoren und Architekten erstellt wird. Übergeordnetes Planungsziel ist die Realisierung einer CO2-freien Liegenschaft nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip.

Bild 6 BaseLink ist ein Technologie-Hub in Allschwil / Basel auf einem 75 000 m2 umfassenden Areal. Das breitgefächerte Energiekonzept umfasst auch mit Erdwärme gespeiste Großwärmepumpen. Das Sondenfeld, bestehend aus 270 Sonden mit einer Teufe von 290 m, fungiert gleichzeitig als saisonaler Speicher für Heizung und Kühlung. Wegen möglicher Gasvorkommen im Untergrund wurden diffusionsdichte Sondenrohre vom Typ hipress der Fa. Jansen AG eingebaut.

Jansen AG / David Walter

Bild 6 BaseLink ist ein Technologie-Hub in Allschwil / Basel auf einem 75 000 m2 umfassenden Areal. Das breitgefächerte Energiekonzept umfasst auch mit Erdwärme gespeiste Großwärmepumpen. Das Sondenfeld, bestehend aus 270 Sonden mit einer Teufe von 290 m, fungiert gleichzeitig als saisonaler Speicher für Heizung und Kühlung. Wegen möglicher Gasvorkommen im Untergrund wurden diffusionsdichte Sondenrohre vom Typ hipress der Fa. Jansen AG eingebaut.

Eine Herausforderung bestand darin, dass zum Zeitpunkt des Projektbeginns die Nutzung und der Bedarf noch unklar waren, also auch keine genauen Angaben über den endgültigen Wärme- und Kältebedarf vorlagen. Vorgegeben war die Platzierung von zwei Energiezentralen mit einem Bedarf an 3255 kW Wärme und 4790 kW Kälte zu Beginn des Projekts sowie 5500 kW Wärme bzw. 7600 kW Kälte im Endausbau.

Maßgabe war außerdem, Wärme und Kälte über Wärmepumpen zu erzeugen und vier Erdwärmesondenfelder als Energiequelle und als saisonalen Speicher zu nutzen. Weitere Zielsetzungen waren eine Nutzungsdauer von mindestens 50 Jahren, eine klimaneutrale Wärme- und Kälteerzeugung sowie ein frostfreier Betrieb des Sondenfelds, also ohne den Einsatz von Glykol als Wärmeträger.

Installiert sind je Energiezentrale drei reversierbar zu betreibende NH3-Wärmepumpen zu je 1800 kW des Herstellers Wettstein. Die Erdsondenfelder werden so bewirtschaftet, dass sich die winterliche Energieentnahme und der sommerliche Wärmeeintrag durch die Kühlfunktion in etwa ausgleichen. Nach Angabe des Herstellers der Erdwärmesonden, Jansen AG, Oberriet, Schweiz, handelt es sich um eines der leistungsfähigsten Erdsondenfelder Europas und das weltweit größte Erdsondenfeld mit diffusionsdichten Sonden vom Typ hipress.

Diffusionsdichte Sonden wurden eingesetzt, weil in der Region mit Gasvorkommen im Untergrund gerechnet werden muss und die Gasmoleküle durch die Wandung normaler Erdwärmesonden diffundieren können. Jansen setzte durchgängig vom Sondenfuß bis zum Sondenkopf 42 mm Hochdruck-Mehrschichtrohr mit Metallkern ein. Insgesamt sind im Baselink-Projekt (Bild 6) rund 270 Sonden à 290 m in drei von vier Bauabschnitten sowie 9,9 km Verteilleitungen zu neun Verteilschächten verbaut.

Booster-Wärmepumpe ist wirtschaftlicher als Kaskade

Kaum ein Referent des Kongresses gab ein so deutliches Votum für natürliche Kältemittel ab wie Philipp Baumgartner, Geschäftsführer der Equans Kältetechnik GmbH aus Lauterbach, Österreich. Aus seiner Sicht geht das Zeitalter der HFO-Kältemittel spätestens in zehn Jahren zu Ende, beschleunigt durch das mögliche Verbot von PFAS-haltigen Kältemitteln. Deshalb favorisiere das Unternehmen schon seit einiger Zeit NH3 und andere natürliche Kältemittel. Die wichtigsten Argumente für NH3 aus der Sicht von Baumgartner sind:

● hohe volumetrische Kälteleistung, ergibt höchste Wirkungsgrade / COP
● leicht verfügbar, unschlagbar günstiger Preis
● kein Herstellermonopol wie beim HFO-Kältemittel R1234ze
● GWP=0, ODP=0
● Leistungsbereich 0,5 bis 10 MW
● Temperaturen bis 95 °C

Baumgartner empfiehlt, bei Großwärmepumpen möglichst auf Kaskaden mit unterschiedlichen Kältemitteln und separaten Kältekreisen zu verzichten und stattdessen die Variante „Booster-Wärmepumpe“ zu wählen. Mit weniger Bauteilen und niedrigeren Investitionskosten könne man damit hohe COP erreichen. Solche Anlagen seien allerdings technisch anspruchsvoll, insbesondere was den Ölkreislauf anbelangt. Welche Art von Kompressor geeignet sei – Schraube oder Kolben – hänge vom jeweiligen Temperaturhub und Einsatzbereich ab.

Ein maximaler Temperaturhub zwischen Quelle und Senke bedeute beim Einsatz eines Schraubenverdichters oft einen niedrigeren COP. Bei geringerem Temperaturhub könne mit einem Kolbenkompressor ein höherer COP erreicht werden. Mindestens genauso wichtig wie das Anlagenkonzept und die Verdichterauswahl sei die hydraulische Einbindung der Wärmepumpe in das Gesamtsystem. Equans empfiehlt dazu das hausinterne thermoLink-Prinzip, eine Art thermische Weiche. Dies gelte besonders für Wärmepumpen, die gleichzeitig Kälte und Wärme auskoppeln, aber auch für multivalente Anlagen sowie die Einbindung großer Erdsondenfelder.

Durch die Kooperation mit Mitsubishi Heavy ist Equans auch in der Lage, industrielle Wärme von bis zu 200 °C, zum Beispiel als Dampf, bei einem Temperaturhub von 100 K zu erzeugen. Das Leistungsspektrum reicht von 3 MWth bis 30 MWth. Ermöglicht werden diese extrem hohen Temperaturen und Leistungen durch den Einsatz des Kältemittels HC Cyclopentane (C5H10) (Bild 7) in Verbindung mit Turboverdichtern.

Bild 7 Natürliche Kältemittel auf der Basis von Butan, Pentan oder Cyclopentan zeichnen sich durch ihre hohe Effizienz, die Eignung für große Leistungen, hohen Temperaturhub, hohe Endtemperatur und niedrige GWP und ODP-Werte aus.

Equans

Bild 7 Natürliche Kältemittel auf der Basis von Butan, Pentan oder Cyclopentan zeichnen sich durch ihre hohe Effizienz, die Eignung für große Leistungen, hohen Temperaturhub, hohe Endtemperatur und niedrige GWP und ODP-Werte aus.

„Großwärmepumpen muss man wie eine Diva behandeln“

Spätestens nach dem Vortrag von Bernd Lieber von Ochsner Energietechnik aus Villach, Österreich, war klar, dass in der Branche ein erbitterter Kampf um die Deutungshoheit bei Kältemitteln für Großwärmepumpen herrscht. Fast alle von Lieber aufgeführten Referenzen beziehen sich auf synthetische Kältemittel: Berliner Schloss: R134a; Vattenfall Hamburg: R134a; BHKW Tirol 1+2: R1234ze; Wärmezentrale Chur / Schweiz (Abwasser-Wärmepumpe): R1234ze; Heizwerk Balle / Schweiz: R1234ze.

Abgesehen von der Kältemittelfrage sei es wichtig für die Branche, neue Wärmequellen zu erschließen, wie beispielsweise mit Energiepfählen beim Berliner Schloss, Abgas beim Heizwerk Tirol oder Abwasser (Downstream) in den Kläranlagen in Amstetten, Österreich, und Schifflibach, Schweiz. Vorteil der Downstream-Nutzung des Abwassers, also nach der Kläranlage, sei das ganzjährig nutzbare Temperaturniveau. Besonders wirtschaftlich seien Anlagen, die gleichzeitig Wärme und Kälte produzieren, wie bei Vattenfall in Hamburg. Dort erreicht die Wärmepumpe ganzjährig einen COP von ca. 8.

Lieber appelliert an die Branche, nur qualifiziertes Personal bei der Installation von Großwärmepumpen einzusetzen, denn „der Installateur muss eine Ahnung haben, was er tut“. Ein übergeordnetes Energiemanagement sei essentiell. Man müsse Großwärmepumpen wie eine Diva behandeln, sonst laufen sie aus dem Ruder. Größter Fehler sei es, eine Wärmepumpe zu groß auszulegen.

Saubere Hydraulik ist entscheidend für die Wärmepumpeneffizienz

Doch was nutzen High-End-Wärmepumpen und der Einsatz hocheffizienter natürlicher Kältemittel, wenn am Ende bei der hydraulischen Abstimmung geschludert wird? Christian Zortea, Geschäftsführer der Zortea Gebäudetechnik GmbH in Hohenems, Österreich, erklärt dazu: Die hydraulische Entkopplung, der Temperaturabbau und Temperaturaufbau sowie die optimale Schichtung im sogenannten Gleitschichtraum führen zur Vollautomatisierung einer hocheffizienten und optimal funktionierenden Gesamtanlage über Jahrzehnte.

Erfahrungsgemäß liegen die Primärenergieeinsparungen mit der von Zortea entwickelten Kombination aus hydraulischer Weiche, Rohrverteiler und Pufferspeicher mit exakter Temperaturtrennung zwischen 15 bis 45 %. Eigenen Angaben zufolge gibt es weltweit inzwischen rund 6000 Kälte- und Heizungsinstallationen mit Zortea-Technologie. Die ausgewiesenen, teilweise „gigantischen“ Energiekosteneinsparungen durch das Zortström-Verfahren bedürften keiner weiteren Erklärung. Für komplexe Anlagen wie Großwärmepumpen mit ihrer oft gleitenden Fahrweise sind sie ein absolutes Muss, um hohe COP zu erreichen, so Zortea.

Fazit des Autors

Rein technisch gesehen scheint die Dekarbonisierung von Fernwärme sowie von industriellen und gewerblichen thermischen Prozessen mittels Wärmepumpen kein Problem zu sein. Die einschlägigen Kälteanlagenbauer und industriellen Lösungsanbieter verfügen inzwischen über ein Leistungs- und Temperaturspektrum, das bis vor einigen Jahren noch als visionär galt. Auch ohne staatliche Regulierung richtet die Mehrheit der Hersteller von Großwärmepumpen ihr Programm auf natürliche Kältemittel aus.

Das Produkt Großwärmepumpe scheint ausgereift zu sein. Die Frage ist eher, ob genügend Planungs- und Installationskapazität für derart komplexe Anlagen vorhanden ist. Großwärmepumpen sind erst dann ein Standbein der Dekarbonisierung, wenn die Wärme- und Kälteproduktion gleichzeitig stattfindet und Synergien mit anderen Bereichen der Energieerzeugung und der Abwärmeverwendung genutzt werden.

Auch die Dimensionierung und der Betrieb thermischer Speicher wird künftig mehr im Fokus stehen müssen, um Spitzenlasten auszugleichen und die Netze zu stabilisieren. Die Nutzung von preisattraktiven Stromüberschüssen aus Windkraftanlagen wird die Komplexität solcher Anlagen nochmals vervielfachen. Auf Fachplaner kommen neue, bislang kaum gekannte Herausforderungen zu.

Von Sulzer Escher Wyss zur Equans / Bouyges-Gruppe

Equans. Wer ist Equans, wird sich so mancher Teilnehmer des Großwärmepumpen-Kongresses gefragt haben. Kurz gesagt ist es der neue Name der bis Mitte 2022 unter Engie bekannten Unternehmen in Österreich, also der früheren Cofely bzw. Axima, also Sulzer Escher Wyss. Kaum ein Unternehmen der Branche hat seinen Namen und Eigentümer so häufig gewechselt wie die im Jahr 1921 als Escher Wyss in Zürich gegründete Kältemaschinenfabrik (siehe auch auf www.vhkk.org „Unternehmensgeschichte Sulzer Escher Wyss (Lindau)“.

Künftig gehört Equans zur Bouygues-Gruppe, einem französischen börsennotierten Baukonzern mit 200 000 Mitarbeitern in 81 Ländern. Das Spektrum der Gruppe reicht von Bau und Immobilien über Infrastruktur und Telekommunikation bis zu Medien. Der Firmensitz von Equans Kältetechnik sowie die Produktion befinden sich in Lauterbach, Vorarlberg, Österreich. www.equans.at

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Wolfgang Schmid
ist freier Fachjournalist für Technische Gebäudeausrüstung, München, wsm@tele2.de

Margot Dertinger-Schmid

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