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DGNB-Gütesiegel

Investoren entdecken Nachhaltigkeit

Innerhalb von nur zwei Jahren hat sich die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen, DGNB, mit Sitz in Stuttgart als Akteur für das Deutsche Gütesiegel Nachhaltiges Bauen fest etabliert. „Wir kommen mit hoher Geschwindigkeit voran, weil das Interesse am Markt sehr groß ist“, bilanziert DGNB-Geschäftsführer Christian Donath die Erfolgsstory des hauptsächlich von ehrenamtlichen Mitgliedern getragenen Vereins. Zum Vergleich: Das weltweit vorherrschende US-Gebäudezertifikat LEED, Leadership in Energy and Environmental Design, wurde bereits 1996 vom US Green Building Council auf den Weg gebracht. Bis heute sind weltweit etwa 1500 Gebäude nach dem LEED-Verfahren zertifiziert. Nach Schätzungen von Drees & Sommer soll es weltweit rund 150000 zertifizierte Green Buildings von etwa 15 verschiedenen Zertifikate-Anbietern geben.

In Deutschland befinden sich derzeit rund 40 Immobilien im Zertifizierungsprozess nach DGNB, Tendenz steigend. Mehr noch: Aktuell werden bereits die ersten DGNB-Zertifizierungen in Österreich und Luxemburg realisiert. Auch das ­internationale Interesse am deutschen Gebäudezertifizierungssystem nimmt weiter zu. „Wir haben bereits viele Anfragen aus dem Ausland“, betont die stellvertretende DGNB-Geschäftsführerin Dr. Christine Lemaitre, zuständig für die Inter­nationalisierung des Gebäudezertifikates.

Aus Sicht von Projektentwicklern und Investoren stehen Immobilien der Güteklassen „developed, ­designed, made or managed in Germany“ weltweit hoch im Kurs. Lemaitre: „Investoren können ihre Immobilien ab sofort weltweit nach dem DGNB-System zertifizieren lassen und damit das hohe Qualitätsniveau ihres Gebäudes dokumentieren.“

Offene Zertifikat-Matrix

Ein wesentlicher Vorteil des DGNB-Zertifikates gegenüber anderen Gebäude-Gütesiegeln sei die einfache Anpassung der Zertifikat-Matrix – eine Art Baukastensystem – an die länder­spezifischen Bauvorschriften und Standards. Durch diese Offenheit werde der Zertifizierungsaufwand für den Bauherrn geringer, da Daten und Nachweise nicht doppelt erbracht werden müssten. Das sei ein echter Vorteil gegenüber den meisten internationalen Gebäude-Ranking­systemen, so die DGNB.

An anderer Stelle wird betont, dass es sich beim DGNB-Zertifikat um eine gemeinsame Entwicklung des DGNB und des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) handelt, ein Faktum, das die Exportfähigkeit des Gütesiegels offensichtlich deutlich steigert. So will Österreich das deutsche Gütesiegel nahezu vollständig übernehmen. Mit China wurde eine Kooperationsvereinbarung unterzeichnet und mit Bulgarien und Luxemburg gibt es eine Absichtserklärung, das DGNB-Gütesiegel zu übernehmen.

Zukunftsforscherin Huber:

Radikale Energiewende notwendig

Wie sehr das Thema Gebäudezertifizierung an Fahrt aufgenommen hat und wie vehement die Baulobby das Thema vorantreibt, verdeutlicht ein Blick auf die Referentenliste der Consense, internationaler Kongress und Fachausstellung für nachhaltiges Bauen, der am 23. und 24. Juni in der Neuen Messe Stuttgart stattfand. Während auf dem zurückliegenden ASHRAE-Kongress in Chicago die Heizung-, Lüftungs- Klima- und Kältebranche ihre Green Building Kompetenz unter Beweis stellte, bestimmten auf der Stuttgarter Veranstaltung die Vertreter von Banken, Generalunternehmen, Generalplanern, Projektentwicklern und Architekturbüros die Themen.

Gleich zu Beginn der Veranstaltung gab die Zukunftsforscherin Jeanette Huber vom Zukunftsinstitut, Kelkheim, über das Thema Klimaschutz und CO2-Einsparung eine eher ernüchternde Prognose ab: Trotz allgemein steigender Energieeffi­zienz werden die CO2-Emissionen weiter zunehmen. Der Grund liege im Wirtschaftsboom der Schwellenländer, der es den bisher eher unterprivilegierten Bevölkerungsschichten ermöglicht, einen verhaltenen Wohlstand aufzubauen. Dies führe trotz steigender Energieeffizienz zu einem weltweit steigenden Energiehunger und damit zu weiter wachsenden Umweltproblemen.

Bauwerk als Bergwerk und Kraftwerk

Der Hebel zur Lösung der globalen Umweltprobleme sei eine radikale Energiewende sowie ein neues Verständnis von Verbrauchsminimierung, Recycling und Wiederverwertung von Baumaterialien. „In der nach-fossilen Ökonomie wird das Bauwerk zum Bergwerk und zum Kraftwerk“, so die Zukunftsforscherin. Ihre Prognose: Anstelle der heute stark zentralisierten Energieversorgung werden sich nach und nach dezentrale Energieerzeugungs- und -Versorgungsstrukturen entwickeln, die lokale bidirektionale Netzwerke aus BHKW-, Photovoltaik-, Solarthermie-, kleinen Windkraftanlagen sowie stadtnahen Biogasanlagen formen.

Nur so sei wirtschaftliches Wachstum bei sinkendem Ressourcenverbrauch künftig möglich. Die Herausforderungen einer solchen Energiewende seien weniger die Verfügbarkeit entsprechender Produkte, sondern die Finanzierbarkeit solcher Maßnahmen. Wichtig sei eine Re-Integration von Leben und Arbeit, um die Notwendigkeit der Mobilität zu reduzieren. Bei der Entscheidung über die Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit von grünen Stadtentwicklungen käme den Gebäudezertifikaten eine wichtige Bedeutung zu, da nur so Vertrauen, Transparenz und Sicherheit für Inves­toren geschaffen werden könne.

Globalisierungsexperte Radermacher:

Fortschritt verschlechtert Verhältnisse

Wie unterschiedlich die Auffassung über den sehr strapazierten Begriff „Nachhaltigkeit“ ist, verdeutlichte der Vortrag von Prof. Dr. Dr. Franz Josef Radermacher, Institutsvorstand und Professor für Datenbanken und künstliche Intelligenz an der Universität Ulm. Nach seiner Einschätzung ist die Welt noch weit von einer nachhaltigen Zukunft entfernt. „Was wir in Europa tun, ist irrelevant für die globale Welt“, sagt der Globalisierungsexperte. Die Historie zeige, dass technischer Fortschritt ­allein zu eher schlechteren globalen Verhältnissen führt.

Geradezu für naiv hält Radermacher das Ansinnen vieler Bürger, nachhaltig zu leben, indem sie Energie einsparen, lokal erzeugte Produkte kaufen, sich ökologisch ernähren, um dann das eingesparte Geld für zusätzliche Reisen auszugeben. „Da wird auf Pellegrino Mineralwasser verzichtet, stattdessen Leitungswasser getrunken und mit dem Ersparten ein Billigflug nach Florenz gebucht.“ Die Frage sei, wie man das durch die Effizienzverbesserungen eingesparte Geld umweltfreundlich „entsorge“, damit es nicht zu einem Mehrverbrauch von Energie führt.

Die Herausforderungen einer nachhaltigen Entwicklung zum Schutz des Klimas und der Umwelt hält Radermacher für viel größer als allgemein angenommen. „Wenn wir wirklich etwas verbessern wollen, ist Faktor 10 notwendig“, so sein ­Appell an die Immobilienbranche. Und weiter: „Die Branche sitzt an einer wichtigen Schaltstelle mit einer großen Hebelwirkung.“

Deutsche Bank freut sich grün

Eines der spektakulärsten Projekte im aktuellen Ranking nachhaltiger Gebäudesanierungen ist die Unternehmenszentrale der Deutschen Bank in Frankfurt am Main, bekannt durch die blau schimmernden 155 m hohen Doppeltürme. Durch die konsequente Umsetzung des Green Building Konzeptes entsteht im Rahmen der – eigenen ­Angaben zufolge – „größten Gebäudesanierung Europas“ eines der umweltfreundlichsten Hochhäuser der Welt. Wie kaum ein anderes Sanierungsprojekt dokumentiert die „Vergrünung“ der Doppeltürme das Verfallsdatum gebäudetechnischer Anlagen in Bestandsgebäuden, denn im Zuge eines sehr konsequenten Green Building ­Ansatzes muss praktisch die gesamte Gebäudetechnik erneuert werden.

Aus Sicht von Prof. Holger Hagge, Direktor Strategische Projekte der Deutschen Bank, setzt die Konvertierung der Doppeltürme, neuerdings „Greentowers“ genannt, weltweit neue Maßstäbe für künftige Gebäudesanierungen. So ist beispielsweise für die 30500 Tonnen zu entfernenden Baumaterialien und Ausstattungen eine Recyclingquote von 98 % angestrebt. Auch die geplante Verbrauchsminderung kann sich sehen lassen: Der Heizenergieverbrauch soll um 67 % reduziert werden, der Stromverbrauch um 55 % und der Wasserverbrauch um 43 %. Insgesamt könne durch die Sanierungsmaßnahmen die ursprüngliche CO2-Emission des Gebäudes um 55 % gemindert werden.

Büros statt Technikzentralen

Interessant ist der Raumgewinn für ca. 600 zusätzliche Arbeitsplätze – eine um 20 % höhere Nutzungsquote – durch die insgesamt schlankere Klimatechnik. Die hohen Energieeinsparungen und der Platzgewinn werden unter anderem erreicht durch:

  • Fassade mit Dreifachverglasung
  • Verbesserung der Außendämmung (hinter der Glasfassade verbirgt sich eine klassische Lochfassade aus Beton und Betondecken)
  • Einbau von Heiz-/Kühldecken, die das Speichervermögen der Betondecken nutzen; dadurch Reduzierung der Luftwechselrate von 6 auf 1,5 h<sup>-1</sup>
  • Option auf Fensterlüftung durch Parallelausstellfenster
  • Wärme- und Kälteerzeugung über eine Wärmepumpe (gleichzeitig)
  • Einbau eines Hocheffizienz-Wärmerückgewinnungssystems
  • Verzicht auf Backup-Wärmeerzeuger, Bezug von Spitzenwärme aus dem Fernwärme­system
  • zonale Beleuchtung mit Tageslichtsensor
  • neue Aufzugstechnik mit Stromrückspeisung
  • Green IT (Verzicht auf Server im Gebäude, Einrichtung von Druckerpools, dadurch Reduzierung der Kühllast von 35 auf 15 W/m<sup>2</sup>)
  • Regenwassernutzung und Grauwasseraufbereitung
  • solare Trinkwassererwärmung mit Heizungsunterstützungsfunktion
  • zusätzliche Nutzung von zwei Technikstockwerken als Bürofläche (ein Stockwerk pro ­Tower).

2010 wird die Modernisierung abgeschlossen sein. Dann sollen die Greentowers nach dem ­Gebäudezertifizierungsstandard LEED „Platin“ ­bewertet werden.

Energietechniker Schuler:

Noch fehlen belastbare Zahlen

Auch wenn bisher so gut wie keine belastbaren Zahlen über den monetären Nutzen sowie Einsparungen durch die höhere Produktivität bei Green Buildings vorliegen, so geben aus Sicht von Mathias Schuler, Gründer der Transsolar Energietechnik GmbH, Stuttgart, die früheren Studien von William Fisk von den Lawrence Berkeley National Laboratories in Berkeley, Kalifornien/USA, wichtige Anhaltspunkte.

Fisk hatte auf der Basis des Jahres 2002 die Kosten für gebäudebedingte Produktivitätsverluste (Krankheiten, Allergien, Asthma, Sick Building Syndrome, Klimamonotonie, schlechte Beleuchtung) für die USA hochgerechnet und eine Summe zwischen 43 und 235 Mrd. US-Dollar pro Jahr genannt. Im Umkehrschluss könnten eine Verbesserung des Innenraumklimas und der Raumlufthygie­ne sowie die Steigerung der Behaglichkeit Einsparungen in ähnlicher Größenordnung bedeuten. Beispielsweise könne die Produktivität am Arbeitsplatz durch bessere Luftqualität um 7 % und durch die individuelle Kontrollierbarkeit des Raumklimas um 13 % gesteigert werden. Durch den direkten Zugang zu Tageslicht seien sogar bis zu 15 % Produktivitätszuwachs möglich. Bei einem Projekt von Behnisch Architekten in Boston/USA seien mit diesen Maßnahmen der Krankenstand um 7 % und auch die Fluktuation von Mitarbeitern reduziert worden, so Schuler.

Büro-Mieter entdecken Nachhaltigkeit

Aus Sicht von Dr. Sebastian Reich, Exekutivdirektor beim Beratungsunternehmen URS Deutschland GmbH, Dreieich, und Sprecher der DGNB, hat der Trend zum nachhaltigen Bauen bereits eine „extreme Beschleunigung“ erreicht. Viele Unternehmen würden schon heute – wenn sie wählen könnten – zertifizierte Gebäude bevorzugen.

Eine Befragung von 2120 M&A-Experten (Merger & Acquisitions; zu deutsch Experten für Fusionen und Übernahmen) habe ergeben, dass bereits über 80 % der wichtigsten Investoren in Deutschland das Thema Nachhaltigkeit als einen beeinflussenden Faktor für den Wert eines Unternehmens ansehen. Rund 70 % glauben, dass nachhaltig wirtschaftende Unternehmen erfolgreicher sind. Bei Bestandsimmobilien sei es wichtig, die Schwachstellen der Gebäude aufzudecken und mit der Optimierung des Gebäudebetriebes anhand der heute möglichen Maßnahmen zu beginnen. Falsch wäre es, weiter abzuwarten.

Weniger Zertifikate – mehr Transparenz

Dr. Frank Billand, Vorstandsmitglied der Union Invest Real Estate, Hamburg, sieht allein schon am enormen Interesse an der Stuttgarter Consense-Veranstaltung ein Zeichen, dass der Markt für zertifizierte Immobilien in Bewegung ist. Allerdings befinde sich die Branche derzeit noch in der „Embryonalphase“; Investoren würden sich eher zurückhalten, auch wenn einzelne Studien mögliche Mietsteigerungen bei „Grünen Gebäuden“ von bis zu 16 % prognostizierten.

Das Problem sei die Messbarkeit der Nachhaltigkeit eines Gebäudes, für die es derzeit noch keine überzeugende Formel gäbe. Wichtig sei es jetzt, die Energieschleudern im Immobilienbestand auch als solche zu benennen und Sanierungsmaßnahmen einzuleiten. Ein gravierendes Hemmnis auf dem Weg zu einem grünen Immobilienmarkt sieht Billand in der Zertifikatevielfalt in Europa. Wichtig sei es, dass sich die Zertifikateanbieter möglichst bald auf ein europäisches Nachhaltigkeitszertifikat einigen.

Bauexperte Bürklin:

Strukturen der Bauwirtschaft hemmen

Als großen Hemmschuh bei der Umsetzung von Gebäude-Gütesiegeln sieht Prof. Dr.-Ing. Bernhard Bürklin, Leiter Corporate Projects der Hochtief AG, Essen, die aktuellen Strukturen der Bauwirtschaft. So erschwerten die Zersplitterung der Projektbeteiligten sowie die Einzelvergabe von Bauleis­tungen die Gesamtoptimierung von Gebäuden nach Green-Building-Kriterien. Außerdem verfolgten Investoren und Entwickler immer noch einen zu kurzen Anlagehorizont mit dem Ziel eines kurzfristigen Markterfolges.

Dabei zeigten die Erfahrungen in den USA, dass bei nachhaltigen Gebäuden um bis zu 6 % höhere Mieten zu erzielen sind; die Verkaufspreise seien sogar um bis zu 16 % höher. Bürklin geht aufgrund der zusätzlichen Zertifizierungsgebühren, Auditorenhonorare und der geforderten höheren Bauqualität zunächst von steigenden Baukosten aus, rechnet aber aufgrund der zunehmend gewonnenen Erfahrungen mit fallenden Kosten. Zitat: „Wenn sich das DGNB-Siegel durchsetzt, können bis zu 25 % an Energie, Ressourcen und Gesamtkosten bei gleichbleibend hoher Qualität einge­spart werden.“

Baudirektor Hegner

Bundesbauten sollten Vorbild sein

Auch der Staat will bei der Vergrünung seiner Immobilien eine aktive Rolle übernehmen. Künftig soll kein neues Bundesgebäude im Nachhaltigkeitsranking schlechter als mit „Bronze“ abschließen, versprach Hans-Dieter Hegner, Baudirektor im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Wichtig sei es, das deutsche Zertifizierungssystem so anzulegen, dass eine Messbarkeit der Nachhaltigkeit gegeben ist. Dies verlange eine hohe Transparenz sowie eine Vernetzung von gewerkespezifischen Fachplanungen bei höchster Umsetzungsqualität. Ziel müsse sein, ein einheitliches nationales Gütesiegel zu etablieren, auch im Hinblick auf den sich verstärkenden internationalen Wettbewerb der Zertifikate-Anbieter.

Fazit

Die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen hat innerhalb kürzester Zeit ein weltweit wettbewerbsfähiges Gütesiegel etabliert. Vorteil des DGNB-Zertifikats ist die einfache Anpassung an länderspezifische Bauvorschriften und Standards. Die Erfahrungen in den USA zeigen, dass die Übernahme nationaler Gütesiegel durch andere Länder positive Impulse auf den heimischen Export von Hocheffizienz-Komponenten im Gebäudebereich auslösen.

TGA-Planer müssen bei Grünen Gebäuden mit einem Mehraufwand für Nachhaltigkeitsnachweise einzelner Produkte, Komponenten und Systeme einplanen. Gefragt sind smarte, schlanke Systemlösungen, die gegebenenfalls auch zu einer geringeren Wertschöpfung führen. Das große Interesse von Projektentwicklern und Generalplanern an der Gebäudezertifizierung lässt darauf schließen, dass mit Gebäudezertifizierungen gutes Geld zu verdienen ist, auch in der Fortbildung.

Kosten, Honorare, Märkte

Bisher sahen viele TGA-Planer in der Zertifizierung von Gebäuden nicht unbedingt eine neue Einkommensquelle. Erfahrungen mit dem Gebäudeenergieausweis waren nicht gerade ermutigend. Nachdem sich inzwischen die Crème de la Crème der Projektentwickler und General­planer intensiv in der Zertifizierungsszene engagiert, scheinen dort die Verdienstmöglichkeiten nicht gerade schlecht zu sein. Leider wird in Deutschland das Thema Honorare für die Gebäudezertifizierung auf einschlägigen Veran­staltungen tunlichst vermieden; der Kreis der Auditoren und Zertifizierer soll offensichtlich möglichst lange überschaubar bleiben.

Eine gute Orientierung über erzielbare Honorare mit der Zertifizierung nach LEED bietet die Homepage von Ecobau Consulting, Architekt Dipl.-Ing. F. W. Lipphardt in Berlin ( http://www.ecobauconsulting.de ). Dass sich der Markt mehr bewegt als bislang angenommen, verdeutlicht die Aussage von Ecobau: „Wir verzeichnen derzeit eine große Nachfrage nach LEED-Zertifikaten.“ Ecobau Consulting empfiehlt in jedem Fall eine Vorstudie, um herauszufinden, ob sich für ein Gebäude eine LEED-Zertifizierung überhaupt lohnt. Kosten: 4000 bis 6000 Euro. Eine komplette LEED-Zertifizierung koste zwischen 20000 und 80000 Euro, zuzüglich Kosten für die Bereit­stellung von Unterlagen für die Fachplaner des Auftraggebers. Und weiter: Durch Planungs­optimierungen könnten zusätzliche Mehrkosten entstehen, auch in der Bauausführung.

Vorbild USA

Dass sich der Mehraufwand für den Investor in jedem Fall lohnt, belegt eine Studie der CoStar Real Estate Research Company, Bethesda/Maryland, nach eigenen Angaben Weltmarktführer im Bereich Real Estate Marketing und Kommunikation. Danach lassen sich mit LEED-zertifizierte ­Gebäude im Schnitt folgende monetären Vorteile erzielen (mehr dazu: http://www.CoStar.com/Partners/CoStar-Green-Study.pdf ):

  • 4,1 % höhere Belegungsrate
  • 122 US-$/(m<sup>2</sup> a) höhere Mieteinnahmen
  • 1840 US-$/(m<sup>2</sup>) höherer Verkaufspreis

Die nachweislich höheren Erträge von LEED-zertifizierten Gebäuden auf dem US-Immobilienmarkt scheinen jetzt eine Initialzündung auszulösen. So berichtet die Deutsch-Amerikanische Handelskammer Ende 2008 in ihrem Factsheet „Energieeffi­zienz in Gebäuden“ von 620 Gebäuden, die bisher ein LEED-Zertifikat erhalten haben. Derzeit befänden sich 3500 Projekte im Zertifizierungsprozess.

Indien braucht 5000 Zertifizierer

Das Indian Green Building Council (IGBC; http://www.igbc.in ) geht von aktuell 32 Objekten aus, die LEED-Standards erfüllen; 350 Objekte seien für die Zertifizierung registriert. Bis 2012 sollen rund 1000 Gebäude mit insgesamt 100 Mio. m2 nach LEED bewertet sein. Allerdings fehle es in Indien an technischem Know-how und ausgebildeten Fachkräften. Der Verband müsste daher bis 2010 insgesamt 5000 „Green Building Professionals“ ausbilden.

Gebäudezertifikate als Exportmotor

Wie wichtig der Export von nationalen Gebäudezertifikaten in Ländern ohne eigenes Gebäude­label ist, zeigt das Beispiel China. So erhofft sich die US-Industrie aufgrund der in China dominierenden Gebäudezertifizierung nach LEED-Kriterien Vorteile für grün-zertifizierte Bau- und Ausbaukomponenten aus US-Produktion. Von Seiten des US Commercial Services – vergleichbar mit der Deutsch-Amerikanischen Handelskammer – wird den US Green Building-Akteuren der direkte Kontakt zu den Gebäudeentwicklern empfohlen. Wie groß der Markt für zertifizierte Gebäude in China künftig sein wird, lässt sich anhand folgender Bauprognosen erahnen:

  • 20 % Wachstum pro Jahr bei Gebäuden
  • ab 2015 wird die Hälfte aller weltweit neu gebauten Gebäude in China erstellt
  • in den nächsten 20 Jahren entstehen in China gewerbliche Bauten mit rund 40 Mrd. m<sup>2</sup> Nutzfläche, das entspricht 20000 bis 50000 neuen Wolkenkratzern
  • China wird bis 2030 rund 20 % der global erzeugten Energie verbrauchen.

Die Regierung in Peking will dem ungebrochenen Bauboom mit drastischen Energiesparvorgaben begegnen. Bis 2020 sollen alle Städte ihren Energieverbrauch um 65 % reduzieren.

Vor diesem Hintergrund hat die chinesische Regierung rund 140 Mio. US-$ in Programme zur Verbesserung der Gebäudeenergieeffizienz gesteckt. Bereits jetzt wird der Markt für grüne Gebäude auf rund 214 Mrd. US-$ geschätzt.

Die geplante Einführung des DGNB-Zertifikats in China könnte sich unter diesen Umständen für Deutschland zu einem veritablen Exportmotor für hocheffiziente gebäudetechnische Komponenten und Systeme, Planungs-Know-how, Ausbildungskonzepte für Gebäudezertifizierer und Projektmanagement etablieren, zumal „Made in Germany“ in China traditionell hoch im Kurs steht.

Die DGNB-Mitgliederstruktur

Die Anzahl der DGNB-Mitglieder ist seit der Gründung im Juni 2007 von 125 auf über 600 bis zum Consense-Kongress im Juni 2009 in Stuttgart angestiegen. Den größten Anteil haben die Architekten, gefolgt von Inge­nieuren, Bauunternehmen, Bauausführenden und Herstellern von Bau­produkten. Hersteller aus dem Bereich Heizungs-, Lüftungs- und Klimatechnik fehlen fast vollständig. Vorreiter sind Menerga, SEW und Schüco. Von den TGA-nahen Verbänden sind der BHKS, VDMA AMG sowie der ZVEI und seitens der Anlagenbauer Imtech und YIT (vormals Stangl/MCE Gebäudetechnik) im DGNB vertreten.

Bei den Planungsbüros dominieren solche mit gewerkeübergreifendem Ansatz, wie Brandi, Canzler Ingenieure, Gertec, HL-Technik, Hausladen, Käser, Rentschler+Riedesser, Schmidt-Reuter oder Zibell Willner & Partner. Eine kleine aber feine und sehr offensive Gruppe im Bereich der Gebäudezertifizierung bilden Bauherrenberater, Projektentwickler und Projektmanager, beispielsweise CBP Consulting Engineers, Drees & Sommer, Ebert Ingenieure, M+M und andere. Hier sind auch die meisten lizenzierten Zertifizierer zu finden, wie Drees & Sommer für die Gütesiegel LEED, BREEAM und DGNB. CBP konzentriert sich dagegen stärker auf den LEED-Standard. Allgemein wird die Etablierung des deutschen Gütesiegels von den Big Playern bei den Consultants sehr begrüßt, zumal das DGNB-Zertifikat genauere und konkretere Vorgaben liefere als beispielsweise LEED, so der Tenor.

„Da wird richtig Geld verdient“

Das Engagement von Projektentwicklern, Finanzdienstleistern, Rechts­anwälten und Generalübernehmern lässt darauf schließen, dass sich mit „grünen“ Beratungen ordentlich Geld verdienen lässt, auch wenn die DGNB-Administration die Gemeinnützigkeit und das ehrenamtliche Engagement seiner Mitglieder immer wieder betont. Auf dem zurück­liegenden ASHRAE-Kongress in Chicago wurde der monetäre Anreiz der Gebäudezertifizierung dagegen offen ausgesprochen: „Da wird richtig Geld verdient“, so der Moderator eines Seminars über internationale ­Gebäudezertifikate.

Fest steht, dass durch den integrierten Planungsansatz mit LifecycleBetrachtung, CO2-Fußabdruck und Recyclingbeurteilung die grünnachhaltigen Heizungs-, Lüftungs- und Klimasysteme zwar smarter, aber auch schlanker, standardisierter und dadurch auch billiger werden. Als größter Verlierer der Gebäudezertifizierung wird bereits jetzt die klassische Heizungsindustrie angesehen, da viele Energiesparpotenziale eher auf die baukonstruktive Ebene gehoben und weniger anlagen­technisch gelöst werden.

Wolfgang Schmid

ist Freier Fachjournalist für Technische Gebäudeausrüstung, München, E-Mail: wsm@tele2.de

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