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Energiesammelgesetz

Rechtssicherheit in weiter Ferne

Kompakt informieren

Bei der Eigenversorgung mit Strom und der Lieferung von Strom an Dritte müssen Unternehmen zahlreiche energierechtliche Vorschriften beachten, die in den letzten Jahren auch nachträglich ­verändert worden sind.

Eine Nichtbeachtung kann erhebliche finanzielle und haftungsrechtliche Konsequenzen haben. Verstöße geschehen oft unwissentlich, was aber nicht vor Strafe, Rückzahlungen und dem Verlust von ­Privilegien schützt.

Eine umfassende energierechtliche Prüfung und verbindliche Abschätzung, welche messtechnischen Anforderungen im Einzelfall zu beachten sind und welche konkreten Erfordernisse sich hieraus ­ergeben, kann nur auf Basis detaillierter Informationen vorgenommen werden.

Die Umsetzung des Energierechts erfordert Spe­zialwissen in unterschiedlichen Bereichen, was ­typische Akteure kaum aus einer Hand anbieten können. Erfahrene Planungsbüros setzen deshalb auf die Kooperation mit spezialisierten Energie­rechtsexperten.

Ein wesentlicher Teil des Energiesammelgesetzes bezieht sich auf die messtechnische Abgrenzung von Stromeigenverbrauch und Fremdverbrauch. Geringe Strommengen, die von Dritten im eigenen Netz verbraucht werden, können zwar als sogenannte Bagatellverbräuche den eigenen Stromverbräuchen eines Letztverbrauchers oder Eigenversorgers zugeordnet werden, aber nur in engen Grenzen und mit sehr hohem Aufwand.

Messen, messen, messen – aber wo?

Nur selten darf von der grundsätzlichen Erfordernis geeichter Messungen abgewichen werden; und Schätzungen sind nur noch kurze Zeit und in sehr restriktiver Weise möglich. Grundsätzlich gilt: Verbräuche Dritter müssen für die Privilegierung bei den netzseitigen Umlagen über geeichte Zähler erfasst und vom eigenen Stromverbrauch abgegrenzt werden. Die Vorgaben greifen rückwirkend zum 1. Januar 2018 und damit auch für die Meldung des Kalenderjahres 2018.

Viele Unternehmen stehen vor dem Problem, dass sie die notwendigen Voraussetzungen zur Einhaltung der neuen Vorgaben gar nicht vorhalten, denn im Prinzip muss nun jeder Getränkeautomat messtechnisch erfasst werden, der innerhalb eines Unternehmens durch eine Fremdfirma betrieben wird.

Es wird also höchste Zeit, sich einen Überblick zu verschaffen: Bagatellverbräuche Dritter können dem eigenen Stromverbrauch zugerechnet werden, wenn sie geringfügig sind und üblicherweise, wie auch im konkreten Fall des Getränkeautomaten, nicht gesondert abgerechnet werden. Sowie im Falle einer vorübergehenden gewerblichen Nutzung zur Erbringung einer Leistung des Dritten gegenüber dem Letztverbraucher (z. B. „Baustrom“) oder des Letztverbrauchers gegenüber einem Dritten (beispielsweise Energielieferung an ein auch 100%iges Tochterunternehmen, das anders als die Mutter-Gesellschaft firmiert). Als „geringfügig“ gelten Stromverbräuche gesichert aber dann nicht mehr, wenn Sie den durchschnittlichen Jahresstromverbrauch eines Haushaltskunden übersteigen. Dieser liegt bei etwa 2000 kWh, maximal aber bei 10 000 kWh (§ 3 Nr. 22 EnWG).

Bei der Abgrenzung von Eigen- und Fremdverbräuchen sind Schätzungen nur noch dann zulässig, wenn eine messtechnische Abgrenzung technisch unmöglich oder mit einem unvertretbaren Aufwand verbunden und die Zahlung der vollen EEG-Umlage auf den Gesamt-Stromverbrauch wirtschaftlich nicht zumutbar ist. Schätzungen verlangen aber grundsätzlich die Darlegung folgender Informationen:

  • Angabe der über eine Schätzung ­abgegrenzten Menge
  • Anzahl der Stromverbrauchseinrichtungen mit maximaler Leistungsaufnahme (Erfassung jedes einzelnen Verbrauchers) sowie deren Bertreiber
  • nachvollziehbare Begründung, weshalb nicht gemessen, sondern geschätzt wurde
  • Darlegung der Schätzmethode (eine Privilegierung darf aufgrund der Schätzung nicht größer sein als im Falle einer Abgrenzung durch geeichte Messeinrichtungen)
  • Von den vorstehenden Angaben kann abgesehen werden, sofern diese wiederum mit einem unvertretbaren Aufwand verbunden oder unmöglich zu beschaffen sind. In diesem Fall wäre eine plausible Darlegung der geschätzten Mengen ausreichend.

    Hochkomplexe Regelungen

    Ob eine Darlegung der vollständigen Informationen im Falle eines sogenannten vertretbaren Aufwands erforderlich ist, erscheint dabei insbesondere von der Höhe der zu erwartenden Privilegierung abhängig, welche wiederum von den weitergegebenen Strommengen und damit von den selbst verbrauchten Strommengen abhängig ist.

    Die Regelungen zur Abgrenzung von Eigen- zu Fremdverbrauch auf Basis von Schätzungen sind insgesamt hochkomplex und die Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe führt zu einer nicht unerheblichen Rechtsun­sicherheit, die erst durch längere Verwaltungspraxis oder Urteile nachlassen wird. Fragen danach, was wo und in welcher Datenqualität gemessen werden muss, können verlässlich jedoch erst dann beantwortet werden, wenn alle sonstigen energierechtlich relevanten Umstände in einem Unternehmen geklärt und bewertet wurden.

    Wer sich nur auf das Messthema konzentriert, ohne zuvor die Gesamtzusammenhänge energierechtlich zu prüfen, zäumt sprichwörtlich das Pferd von hinten auf. Eine umfassende energierechtliche Prüfung und verbindliche Abschätzung, welche messtechnischen Anforderungen im Einzelfall zu beachten sind und welche konkreten Erforderlichkeiten sich hieraus ergeben, kann nur auf Basis detaillierter Informationen vorgenommen werden. Eine entsprechende Prüfung und Beratung bietet die Energie-Admin AG an.

    Bild 2: Viele Unternehmen stehen vor dem Problem, dass sie die notwendigen Voraussetzungen zur Einhaltung der neuen Vorgaben aus dem Energiesammelgesetz gar nicht vorhalten, denn im Prinzip müsste nun jeder Getränkeautomat messtechnisch erfasst werden, wenn er innerhalb eines Unter­nehmens durch eine Fremdfirma betrieben wird.

    Bild: AndreyPopov / iStock / Getty Images Plus

    Bild 2: Viele Unternehmen stehen vor dem Problem, dass sie die notwendigen Voraussetzungen zur Einhaltung der neuen Vorgaben aus dem Energiesammelgesetz gar nicht vorhalten, denn im Prinzip müsste nun jeder Getränkeautomat messtechnisch erfasst werden, wenn er innerhalb eines Unter­nehmens durch eine Fremdfirma betrieben wird.

    Übergangsvorschriften

    Gemäß § 104 Abs. 10 EEG (2017) sind für die Kalenderjahre 2018 bis 2020 Schätzungen trotz der Möglichkeit und Zumutbarkeit geeichter Messung zulässig, wenn hierbei die Mindestanforderungen nach § 62b Abs. 1 und 2 EEG erfüllt werden. Bei Meldungen oder Endabrechnungen über das Kalenderjahr 2020, die je nach Meldung oder Endabrechnung bis Ende Februar
    2020 zu erfolgen hat, muss dargelegt werden, wie ab 1. Januar 2021 dem § 62b Abs. 1 und 2 EEG genügt wird genügt wird (das Messkonzept muss deshalb bis zum 01. Januar 2021 vollumfänglich umgesetzt sein). Anderenfalls entfällt rückwirkend die vorübergehende Gestattung geschätzter Abgrenzungen für den Zeitraum 2018 bis 2020.

    Vermeintliche Amnestie ist eher ein Fallbeil

    Im Zuge des Energiesammelgesetzes wurde in den Übergangsvorschriften ein grundlegender Regelungsinhalt von § 104 Abs. 11 EEG eingefügt, der in zahlreichen Veröffentlichungen als „Amnestieregelung“ betitelt wird. Diese Regelung soll Betreiber eigener Stromerzeugungsanlagen vor drastischen Nachforderungen bei zu Unrecht erhaltenen EEG-Privilegien schützen, falls sie es in der Vergangenheit mit der Abgrenzung von Eigen- und Fremdverbräuchen nicht allzu genau genommen haben. Bei genauer Betrachtung der Formulierung zeigt sich aber, dass nur wenige auf ein „mildes Urteil“ hoffen dürfen.

    Systematik und Regelungsinhalt

    § 104 Abs. 11 EEG gewährt ein zivilrechtliches Leistungsverweigerungsrecht gegenüber dem Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB). Unternehmen, die Strom an Letztverbraucher liefern, gelten gemäß § 3 Nr. 20 EEG als Elektrizitäts­versorgungsunternehmen (EVU). Diese EVU schulden nach § 60 EEG die EEG-Umlage für Stromlieferungen an Letztverbraucher gegenüber dem zuständigen ÜNB. Gleiches gilt nach § 61 in Verbindung mit § 61j Abs. 1 Nr. 3 EEG bei Eigenversorgern mit teilweiser Stromlieferung an Dritte.

    Hierbei handelt es sich um eine zivilrechtliche Forderung mit üblichen Darlegungs- und Beweislasten. Vereinfacht gesagt muss das EVU und / oder der Eigenversorger gegenüber dem ÜNB nachweisen, dass die im EEG geregelten Ausnahmetatbestände gegeben sind und für die relevanten Strommengen keine oder nur eine geminderte EEG-Umlage abzuführen ist. Hierzu gehört unter anderem auch der Nachweis über Strommengen nach § 61e EEG, die nicht der EEG-Umlage unterliegen, weil sie eigenverbraucht wurden. Dieser Nachweis ist durch mess- und eichrechtskonforme Messungen zu führen.

    Kann der Eigenversorger den Eigenverbrauch des selbst erzeugten Stroms nicht durch mess- und eichrechtskonforme Messungen abgrenzen, ist der ÜNB grundsätzlich berechtigt, die volle EEG-Umlage auch auf alle eigenerzeugten und eigenverbrauchten Mengen zu erheben. Entgegen der landläufigen Meinung ist der Anwendungsbereich von § 104 Abs. 11 EEG sehr eng. Von einer „Amnestie“ profitieren nur solche Eigenversorger, die bereits in der Vergangenheit weitestgehend rechtskonform gehandelt haben, indem sie

  • Meldeverpflichtungen nach § 74 und § 74a EEG fristgerecht erfüllt;
  • erforderliche Abgrenzung von selbst- und fremdverbrauchten Strommengen zumindest durch
    Schätzung vorgenommen;
  • dem ÜNB die eigenverbrauchten und an Dritte geleisteten Strommengen auf Basis ihrer Schätzungen fristgerecht gemeldet haben sowie
  • ihren Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem ÜNB auf Entrichtung der EEG-Umlage nachgekommen sind.
  • Bild 3: Die Regelungen zur Abgrenzung von Eigen- zu Fremdver-brauch auf Basis von ­Schätzungen sind ins­gesamt hochkomplex und die Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe führt zu einer nicht ­unerheblichen Rechts­unsicherheit, die erst durch längere Ver­waltungspraxis oder Urteile nachlassen wird.

    Bild: kzenon / iStock / Getty Images Plus

    Bild 3: Die Regelungen zur Abgrenzung von Eigen- zu Fremdver-
    brauch auf Basis von ­Schätzungen sind ins­gesamt hochkomplex
    und die Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe führt zu einer nicht ­unerheblichen Rechts­unsicherheit, die erst durch längere

    Ver­waltungspraxis oder Urteile nachlassen wird.

    Dies wird nur auf einen Bruchteil der Eigenversorger mit einer anteiligen Fremdversorgung zutreffen. Durch § 104 Abs. 11 EEG können unterlassene Messungen und mangelhafte Schätzungen der Vergangenheit nur durch eine nachträgliche und sachgerechte Schätzung sowie Abgrenzung unter Anwendung des § 62b Abs. 2 bis 5 EEG geheilt werden.

    Aber: Wenn keine Meldung und Zahlung gegenüber dem ÜNB erfolgte, hilft dem nunmehr abgrenzungs-, melde- und zahlungswilligen Eigenversorger für die Vergangenheit auch die sachgerechteste Schätzung nicht mehr. Ihn trifft die Rechtsfolge des mit erheblichem Strafcharakter ausgestatteten § 61i EEG: Es ist auf den gesamten eigenerzeugten Strom die volle EEG-Umlage zu zahlen.

    Lauf durch ein Mienenfeld

    Wer im falschen Glauben auf eine vermeintliche Amnestieregelung unbedacht mit Meldungen an den ÜNB herantritt, sieht sich schnell siebenstelligen Nachforderungen ausgesetzt. Ohne umfassende Prüfung aller Umstände und Abwägung der sich bietenden Optionen gleicht die übereilte Meldung dem Lauf durch ein Minenfeld – und dies mit verbundenen Augen.

    Forderungen des ÜNB auf Zahlung der EEG-Umlage sind zivilrechtlicher Natur. Der Zahlungsanspruch der ÜNB auf Erhalt der EEG-Umlage unterliegt daher den üblichen Vorgaben des BGB etwa im Hinblick auf Verjährungsfristen. Hierbei geht man davon aus, dass unrichtige beziehungsweise fehlende Meldungen und Jahresendabrechnungen dazu führen, dass der ÜNB an einer Rechnungsstellung gehindert war und die ihm zustehende Forderung nicht kannte. In solchen Fällen greift die 10-jährige Verjährungsfrist des § 199 Abs. 4 BGB.

    Kommentar des Autors: Keine Brücke in die Legalität

    Meiner Meinung nach hat der Gesetzgeber eine große Chance verpasst, den vielen bisher unwissenden, aber nicht unredlichen Eigenerzeugern eine Brücke in die energierechtliche Legalität zu bauen. Betroffene haben heute nur die Wahl zwischen ganz erheblichen und in Einzelfällen existenzgefährdenden Nachzahlungen im oftmals siebenstelligen Euro-Bereich oder einem weiteren Wegducken, wobei es nunmehr ein bewusstes Nicht-Melden ist, was auch strafrechtliche Konsequenzen für die Verantwortlichen haben kann.

    Der Gesetzgeber offenbart abermals seine weitreichende Unkenntnis von der Realität, wenn es um die Einhaltung energieadminis­trativer Erfordernisse geht, wobei es den Betroffenen ja nicht an Rechtschaffenheit mangelt. Dass sich so viele Eigenversorger energierechtlich unkorrekt verhalten (haben), ist vielmehr das erwartbare Ergebnis ständig veränderter rechtlicher Rahmenbedingungen und vieler sprachlicher sowie gesetzessyste­matischer Schwächen in EEG und KWKG. Die Adressaten haben schlicht den Überblick verloren!

    Viele betroffene Unternehmen wären bereit, ihre an Dritte geleisteten Strommengen nachträglich an die ÜNB zu melden und die EEG-Umlage auch mit Verzugszinsen zu begleichen, wenn sie nicht befürchten müssten, bis zu zehn Jahre rückwirkend auf die gesamte selbst erzeugte Strommenge die volle EEG-Umlage nachzahlen zu müssen. Eine echte Amnestieregelung wäre ganz einfach in § 104 Abs. 11 EEG zu formulieren gewesen: Wer nachträglich sachgerecht schätzt, meldet und zahlt, kann schon bald wieder ruhig schlafen. Hierfür wäre eine Frist bis zum 31. Mai 2020 angemessen gewesen. Wenn jedoch der Weg in die energierechtliche Legalität geradewegs zum Schafott führt, werden sich die Betroffenen gut überlegen, ob sie sich nicht auch zukünftig „durchwurschteln“ können.

    Bild 4: Der Gesetzgeber hat eine große Chance verpasst, den vielen bisher unwissenden, aber nicht unredlichen Eigenerzeugern, eine Brücke in die energie­rechtliche Legalität zu bauen. Betroffene haben heute nur die Wahl zwischen ganz erheblichen und in Einzelfällen existenzgefährdenden Nachzahlungen oder einem weiteren Wegducken, wobei es nunmehr ein bewusstes Nicht-Melden ist, was auch strafrechtliche Konsequenzen für die Verantwortlichen haben kann.

    Bild: Grafner / iStock / Getty Images Plus

    Bild 4: Der Gesetzgeber hat eine große Chance verpasst, den vielen bisher unwissenden, aber nicht unredlichen Eigenerzeugern, eine Brücke in die energie­rechtliche Legalität zu bauen. Betroffene haben heute nur die Wahl zwischen ganz erheblichen und in
    Einzelfällen existenzgefährdenden Nachzahlungen oder einem weiteren Wegducken, wobei es nunmehr ein bewusstes Nicht-Melden ist, was auch strafrechtliche Konsequenzen für die Verantwortlichen haben kann.
    Rechtsanwalt Sebastian Igel
    st seit 2000 mit dem Tätigkeitsschwerpunkt Energierecht als ­Anwalt in Hannover tätig und ­Vorstand der Energie-Admin AG, die Prüfungs- und Beratungs­leistungen zu Fragen des energie-
    rechtlichen Compliance anbietet. Energie-Admin AG, 30159 Hannover, Telefon (05 11) 3 10 30 20, info@energie-admin.ag

    Bild: Igel

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