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Gerd Haug, Zent-Frenger:

“Geothermie erfordert Know-how“

Immer häufiger entscheiden sich Investoren und private Bauherren für ein geothermisches Heiz- und Kühlkonzept. Während erdgekoppelte Wärmepumpen mit ausschließlicher Heizfunktion in der Gesamtbetrachtung von Investitions- und Betriebskosten über die Lebenszeit einer Anlage noch weitgehend gleichauf mit den fossilen Heizsystemen liegen, überzeugen geothermische Heiz-/Kühlsysteme mit Naturalkühlfunktion und reversibler Wärmepumpe zunehmend auch auf Rendite orientierte Investoren von Gewerbeimmobilien.

Einer der Pioniere geothermischer Heiz-/Kühlsysteme ist die in Heppenheim ansässige Zent-Frenger, Gesellschaft für Gebäudetechnik mbH. Als eines der wenigen Unternehmen am Markt verfolgt Zent-Frenger einen ganzheitlichen Ansatz von der Simulation der geothermischen Be- und Entladung des Erdreichs mit Hilfe von Sonden, Erdpfählen und Erdkollektoren, einer skalierbaren geothermischen Energiezentrale auf der Basis einer Wärmepumpe bis hin zu Niedertemperaturheiz- und Kühlsystemen wie die Bauteiltemperierung oder Heiz-/Kühldecken. Für TGA Fachplaner sprach Wolfgang Schmid mit Gerd Haug, Prokurist und Niederlassungsleiter Süd von Zent-Frenger, über Chancen und Risiken des boomenden Marktes.

TGA: Herr Haug, Zent-Frenger gilt als einer der Pioniere für ganzheitliche geothermische Energiekonzepte. Wie viele Projekte hat Zent-Frenger schon realisiert?

Haug: Im geothermischen Bereich haben wir bisher rund 50 Projekte realisiert, das entspricht einer temperierten Fläche von rund 150000 m2. Dabei wurden rund 1000 Erdpfähle, 500 Erdsonden und 15000 m2 Erdkollektoren installiert. Bei einer durchschnittlichen Heiz- bzw. Kühllast von 50 W/m2 entspricht dies in etwa einer Kälte- bzw. Heizleistung von 75000 kW.

TGA: Was war der Anlass für das stärkere ­Engagement von Zent-Frenger in der ­Geothermie, woher kommt das Know-how?

Haug: Zent-Frenger war auf dem Gebiet der Flächenheiz- und Kühlsysteme schon immer sehr innovativ. Hinzu kam ein sehr guter Kontakt zum Projektentwickler Drees+Sommer in Stuttgart. Dort wurden die ersten geothermischen Konzepte entwickelt. Als gute Ergänzung zum ­vorhandenen Portfolio von Zent-Frenger erwies sich der Kauf des Kältetechnik-Spezialisten ­Hafner-Muschler. Mit dem neuen Unternehmen wurde dann die geothermische Wärmepumpe ­entwickelt, eine ideale Ergänzung zu unseren ­bereits vorhandenen Flächensystemen. Ein ganz wesentlicher Schritt hin zu Geothermieprojekten lag in der Entwicklung von Simulationssoftware, denn nur so lassen sich die Geothermieanlagen richtig dimensionieren.

TGA: Auf dem Geothermiekongress in Offenburg am 1. und 2. März wurde viel von Über- und Unterdimensionierungen, zu vielen oder zu wenigen Sonden sowie einer mangelhaften Hydraulik gesprochen. Wo liegen die Unsicherheiten von Geothermieanlagen?

Haug: Meistens ist die fehlende interdisziplinäre Zusammenarbeit ein Grund für die angesprochenen Probleme. Am Bau ist es immer noch so, dass die Gewerke separat vergeben werden. Gerade bei Geothermieprojekten kann dadurch der Zusammenhang verloren gehen. Ich sehe hier hauptsächlich ein Vergabeproblem. Bei vielen Firmen ist derzeit noch zu wenig Know-how in der Geothermie vorhanden, aber jeder will jetzt auf den Zug aufspringen. Für wichtig halte ich ganzheitliche Rechenverfahren unter Einbeziehung von Wärmequelle, Wärmesenke, Energiezentrale und Verteilsystem. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die geothermische Simulationsberechnung über die Temperaturentwicklung im Erdreich, denn nur so erkennen wir die Möglichkeiten einer ausgeglichenen Energiebilanz im Untergrund.

TGA: Wo liegen die Hauptprobleme bei der ­Dimensionierung von Geothermieanlagen?

Haug: In vielen Fällen sind die Wärmequellen, also Erdsonden, Erdpfähle oder Erdkollektoren, nicht passend zum Heiz-/Kühlbedarf eines Gebäudes ausgelegt. Ein weiterer Punkt ist der hydraulische Abgleich des Sondenfelds und die regelungstechnische Einbindung der Sondenpumpe. Hier muss man den Gesamtzusammenhang von Sondenanlage, Wärmepumpe und Heiz-/Kühlsystem genau kennen, damit die Systeme harmonieren. Die Folgeerscheinung nicht harmonisierender Anlagenteile zeigt sich in einer weniger wirtschaftlichen Betriebsweise, das heißt, es wird zu viel Hilfsenergie für Nebenaggregate verschwendet. Bei falscher Anlagenkonfiguration kann sich außerdem die Leistungsfähigkeit der Geothermie im Laufe der Zeit verändern, so dass das Gebäude unterversorgt wird oder die Anlage nach und nach in die Unwirtschaftlichkeit abdriftet.

TGA: Wer übernimmt die Gesamtverant­wortung bei einem Geothermieprojekt?

Haug: Es kommt darauf an, wie ein Geothermieprojekt vergeben wird. Bei der Aufteilung in Einzelgewerke – was häufig der Fall ist – übernimmt der Fachplaner die Gesamtverantwortung. Er schreibt die Einzelgewerke aus und muss dann auch dafür sorgen, dass die Zusammenführung dieser Gewerke realisiert wird. Hier stößt der Fachplaner oft an Grenzen, weil er es mit einer neuen Technik zu tun hat. Es ist deshalb dringend notwendig, dass die Fachkompetenz im planerischen Bereich rasch verbessert wird, denn die Geothermie nimmt sehr schnell an Fahrt auf. Nun gibt es auch die Möglichkeit, dass eine Firma die Gesamtverantwortung für alle an der Geothermie beteiligten Gewerke übernimmt. Als Anbieter von ganzheitlichen Geothermiekonzepten wünschen wir uns eine frühzeitige Einbindung in Projekte, damit wir unsere Erfahrungen einbringen können.

TGA: Es wird immer wieder von langen Wartezeiten bei den Bohrunternehmen gesprochen. Stehen genügend Bohrkapazitäten zur Verfügung? Wie sieht es mit der Bohrqualität aus? Wie kann ein Bauherr oder Investor sicher gehen, dass er das bekommt, was er bestellt hat?

Haug: Ohne Zweifel wächst der Markt derzeit schneller als Bohrkapazitäten vorhanden sind. Zur Orientierung empfehle ich den Leitfaden „Nutzung von Erdwärme mit Erdwärmesonden“, herausgegeben vom Ministerium für Umwelt und Verkehr des Landes Baden-Württemberg, das „Gütesiegel für Erdwärmesonden-Bohrunternehmen“ vom Bundesverband WärmePumpe sowie das „DVGW Arbeitsblatt W 120“. Wenn man sich an diese Vorgaben hält, bekommt man eine qualitativ abgesicherte Erdsondenanlage. Für wichtig halte ich es, die Qualität des Verfüllmaterials stärker zu beachten. Hier gibt es Materialien mit ganz unterschiedlichen Wärmeleitfähigkeiten, die die Leistung einer Sonde beeinflussen können. Das Verfüllmaterial muss also zur Wärmeleitfähigkeit des Erdreichs passen; das sollte bereits bei der Simulationsberechnung berücksichtigt werden.

TGA: Wie lange muss man derzeit auf eine Bohrung warten?

Haug: Das ist überaus unterschiedlich: Bei kleineren Projekten, also für Ein- und Mehrfamilienhäuser, sind die Wartezeiten sehr lange. Naturgemäß besteht seitens der Bohrunternehmen ein stärkeres Interesse an größeren Projekten, da dort die Transport- und Rüstzeiten geringer sind.

TGA: Es gibt Geothermieanlagen, mit denen wird primär geheizt, bei anderen versucht man, das Erdkältepotenzial stärker zu nutzen. Wo liegen die Grenzen der Geothermie und welche Art der Erdbewirtschaftung ist sinnvoll?

Haug: Die besten Ergebnisse erzielt man, wenn der Bedarf an Heizung und Kühlung ausgeglichen ist. Dann steigt die Wirtschaftlichkeit einer Geothermieanlage überproportional an. Damit erledigt sich auch das Problem der Regeneration des Erdreichs von selbst. Der Betreiber ist mit so einer Anlage auf Dauer gegen Fehlentwicklungen im Erdreich abgesichert. Für wichtig halte ich, dass es im Heizfall nicht zu einer Vereisung kommt, denn die damit verbundenen Materialbewegungen können zu einer Verschlechterung der Wärmeleitfähigkeit im Erdreich führen.

Schade wäre auch, wenn bereits im Frühjahr durch zu hohe Rücklauftemperaturen aus der Anlage, beispielsweise durch maschinelle Kühlung, das Naturalkühlpotenzial der Geothermie zerstört wird. Mit einer passenden Anlagenkonzeption, verbunden mit Simulationsberechnungen, erhalten wir wichtige Informationen über das Langzeitverhalten des Erdreichs und damit über die Wirtschaftlichkeit einer Anlage. Von vielen Seiten­einsteigern, deren Kompetenz oft nur auf Anlagenkomponenten ausgerichtet ist, wird dieses Problem allerdings häufig nicht erkannt.

TGA: Inwieweit macht es Sinn, die Be- und Entladung des Erdreichs über das Gebäude­automationssystem zu dokumentieren?

Haug: Um Erfahrungen zu sammeln und eine Anlage zu Beginn der Betriebsphase schneller in den Griff zu bekommen, ist ein Energiemonitoring sicher ratsam. Es gibt inzwischen sehr zuverlässige Daten über das Verhalten des Erdreichs. Ein wichtiges Ergebnis aus unseren Aufzeichnungen ist die Fehlertoleranz des Untergrunds, das heißt, man muss nicht auf die Kommastelle genau rechnen. Es gibt fast immer Ströme im Erdreich, die das System bis zu einem gewissen Grad im Gleichgewicht halten.

TGA: Lassen sich Erdwärmesonden auch ­frostfrei betreiben, um auf Frostschutzmittel im Sondenkreislauf verzichten zu können?

Haug: Das funktioniert, aber die Erdsonden­anlage muss dann um den Faktor von etwa 1,4 bis 1,8 größer dimensioniert werden. Die geringere Temperaturdifferenz zum Erdreich kann man durch mehr Sondenmeter ausgleichen. Solche Vorgaben kommen beispielsweise von Wasserwirtschaftsämtern, wenn Geothermieanlagen in Wasserschutzgebieten der Klassen 2 und 1 liegen.

TGA: Wie sehen Sie die Zukunftsaussichten für geothermisch gestützte Gebäudesysteme in den nächsten Jahren?

Haug: Im privaten Bereich erwarte ich eine starke Steigerung der Nachfrage, zumal mit einer geothermischen Wärmepumpe die Kühlfunktion fast kostenlos mit angeboten werden kann. Das macht den Markt künftig noch interessanter. Auch im gewerblichen Bereich gehen wir von einem starken Wachstum aus, da durch die aktuelle Klimadiskussion nun auch die Investoren wachge­rüttelt wurden. Die Zeit ist reif für regenerative Energien im Gebäudebereich und dazu zählt besonders die Geothermie.

TGA: Glauben Sie, dass renditeorientierte ­Investoren die nicht unerheblichen Mehr­kosten von Geothermieanlagen akzeptieren? Amortisationszeiten von rund acht bis zehn Jahren gegenüber der Standard-Haustechnik dürften für einen Investor nicht unbedingt ­attraktiv sein.

Haug: Selbst in der Immobilienbranche ist heute der alleinige Renditegedanke nicht mehr so ausgeprägt wie früher. Gebäudenutzer sind bei der Auswahl von Objekten wählerischer geworden und ziehen immer häufiger Gebäude vor, die nach dem Prinzip der Nachhaltigkeit erstellt wurden. Das Thema Klimaschutz ist durch die aktuelle Klimadiskussion viel stärker im Bewusstsein der Menschen verankert als noch vor ein paar Jahren. Eine statische Amortisation von acht bis zehn Jahren auf Basis der ­heutigen Energiepreise wird von vielen Investoren akzeptiert. Besser ist jedoch eine dynamische ­Betrachtung, bei der die Wiederbeschaffung ­gealterter Anlagenteile in die Rechnung mit ein­bezogen wird. Hier steht eine Geothermieanlage gut da, weil praktisch keine Neuinvestitionen ­während der Lebensdauer des Gebäudes not­wendig sind.

TGA: Zent-Frenger rüstet inzwischen auch ­Lebensmittelsupermärkte und Logistikzentren mit geothermischen Heiz- und Kühlsystemen aus. Andere Unternehmen kühlen bereits ganze Fabrikhallen geothermisch. Wie sehen Sie die Zukunft der Geothermie in Gewerbe und Industrie?

Haug: Die Geothermie ist ein großes Feld für Entwicklungen und Anwendungen, an die heute noch niemand denkt. Gerade in der Industrie gibt es zahlreiche Ansätze für die Geothermie, insbesondere dann, wenn gleichzeitig Kälte und Wärme auf relativ niedrigem Temperaturniveau benötigt wird. Solche Konzepte kann man sehr energieeffizient gestalten, aber die Weichen für die Geothermie müssen frühzeitig gestellt werden. Leider ist das Thema Geothermie noch nicht bei allen am Bau beteiligten Personengruppen angekommen. Ganz wichtig halte ich eine frühzeitige interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Geologe, Architekt und Fachplaner, um überhaupt Empfehlungen über die „Option Geothermie“ an Bauherren und Investoren geben zu können.

TGA: Herr Haug, vielen Dank für das Gespräch.

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