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Solare Perspektiven

Ob die Sonnenenergie wohl steuerfrei bleibt?

Kompakt informieren

  • Die Begrenzung des EEG-geförderten Photovol­taik-Anlagenzubaus auf 52 GW<sub>p</sub> wird die Endkundenpreise weiter absenken und die Randbedingungen für Eigenstromanlagen verbessern.
  • Es ist abzusehen, dass sich viele Solarunternehmen auf Komplettanlagen für Ein- und Zweifami­lienhäuser spezialisieren werden und dabei auch die Wärmeversorgung sowie energieautonome Lösungen im Blick haben.

Schon heute verdient der Staat an der Nutzung der Sonnenenergie und aufgrund vieler Fallstricke in den gesetzlichen Regelungen tut man gut daran, sein „Photovoltaik-­Unternehmen“ vorher auch mit dem Steuerberater zu besprechen. Für Strom, der in das öffentliche Netz eingespeist wird, bekommt der Letztverbraucher eine Stromrechnung, die mehrere Steuern und Abgaben enthält.

Nach Berechnungen des BDEW1) zahlte im Jahr 2011 ein privater Haushalt mittlerer Größe mit einem Strombezug von 3500 kWh/a und 25,23 Ct/kWh Bruttostrompreis 883,05 Euro an seinen Energieversorger. Davon entfallen 483,00 Euro auf Erzeugung, Transport und Vertrieb, 140,99 Euro auf die Mehrwertsteuer, 123,55 Euro auf die EEG-Umlage, 71,75 Euro auf die Stromsteuer, 62,65 Euro auf die Konzes­sionsabgabe (mit Durchschnittswert berechnet) und 10,50 Euro auf die KWK-Umlage. Der Musterhaushalt führt damit über seine Stromrechnung 275,39 Euro/a an den Staat ab. Weitere 257,60 Euro zahlt er für die EEG- und KWK-Umlage, um die Transformation der Stromerzeugung zu bezahlen.

PV-Förderung wird auf 52 GW begrenzt

Mit dem Verhandlungsergebnis des Vermittlungsausschusses von Bundesrat und Bundestag zur Solarförderung gibt es neben vielen weiteren Änderungen künftig im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) eine Obergrenze von 52 GWp – der weitere Zubau soll nicht mehr gefördert werden. Über eine dynamische Anpassung der Vergütungssätze soll der jährlich Zubau auf 2,5 bis 3,5 GWp beschränkt werden. Bisher fördert das EEG Anlagen mit einer Leistung von 27 GWp, 2010 und 2011 lag der Zubau bei jeweils rund 7,5 GWp. Von Januar bis April 2012 wurde der Bundesnetzagentur ein Zubau von insgesamt 2,3 GWp gemeldet.

Wie der Markt nun auf die neuen Regelungen und Vergütungssätze genau reagiert, ist schwer abzusehen. Die Gegner der PV-Förderung befürchten ein Windhunderennen und einen weiterhin nicht zu kontrollierenden Zubau. Es dürfte jedenfalls als sicher gelten, dass alle Solarunternehmen in Phasen, in denen die Anlagenpreise und Vergütungssätze den Investoren eine Rendite versprechen, so viele Anlagen wie möglich verkaufen werden. Rücksicht auf die stärkere Absenkung der Vergütung beim Überschreiten des Zubau-Korridors wird wohl niemand nehmen. Das erzeugt automatisch einen hohen Preis- und Innovationsdruck auf die gesamte Wertschöpfungskette, die Preise werden weiter purzeln und Solarstrom schneller wettbewerbsfähig machen.

Endkundenpreis in drei Jahren halbiert

Nach dem Photovoltaik-Preisindex von BSW-Solar2) sinken die Anlagenpreise seit 2009 sehr stark. Der durchschnittliche Endkundenpreis für fertig installierte Aufdachanlagen bis 100 kWp (Systempreis, netto) wurde im 4. Quartal 2008 mit 4216 Euro/kWp ermittelt. In nur drei Jahren hat er sich bis zum 4. Quartal 2011 mit 2082 Euro/kWp mehr als halbiert. Bis zum zweiten Quartal ist der Endkundenpreis weiter bis auf 1776 Euro/kWp gerutscht. Aufgrund der Kostenstruktur einer fertig installierten PV-Anlage wird sich dieser Trend zwar demnächst abflachen, die Aussteller der Intersolar Europe 2012 haben jedoch gezeigt, dass sie in der Lage sind, weiterhin an vielen Stellschrauben signifikante Optimierungspotenziale zu erschließen.

Gleichzeitig richtet sich die Solarbranche auf Komplettanlagen aus, die die Solarstromerzeugung um Stromspeicher- und Energiemanagement-Systeme erweitern und Gebäude von einem Stromversorger unabhängiger machen oder sogar künftig eine weitgehend autarke Strom-(und Wärme-)Versorgung ermöglichen. Zwar sind die Stromspeicher noch relativ teuer, aber auch hier gelten sinkende Preise durch Weiterentwicklungen und Skaleneffekte als sicher.

Aussteiger erhöhen die EEG-Umlage

Die Wirtschaftlichkeit der (ungeförderten) Eigenversorgung wird auch von den Strompreisen bzw. -kosten beeinflusst – und die werden zumindest für die Privathaushalte steigen. Gleichzeitig werden die Selbstversorger für weiteren Preisauftrieb sorgen: Wenn immer weniger Strom über die Gebäudegrenze fließt, sinkt die Strommenge, auf die die Verpflichtungen aus dem EEG umgelegt werden. Somit könnte auch nach dem Erreichen der 52-GWp-Obergrenze der EEG-Umlageanteil für die Photovoltaik noch steigen. Zudem gibt es feste Ziele, den Stromverbrauch insgesamt abzusenken. So werden die Gemeinden irgendwann feststellen, dass die Einnahmen aus der Konzessionsabgabe sinken und gegensteuern. Steigende Abgaben erhöhen jedoch die Wirtschaftlichkeit der Selbstversorgung, was weitere Aussteiger animieren kann.

Laut der gesetzlich verpflichtenden Prognose der Übertragungsnetzbetreiber für die Bandbreite der EEG-Umlage im Jahr 2013 beträgt der für EEG-Umlage anzulegende Letztverbrauch 374 TWh. Die Privathaushalte haben zusammen einen Stromverbrauch von etwa 140 TWh, etwa die gleiche Menge bezieht heute der Verbrauchssektor Gewerbe, Handel und Dienstleistungen. Hier ist ebenfalls die Selbstversorgung sehr attraktiv, insbesondere im Einschichtbetrieb, wenn Strombedarf und Stromerzeugung der PV-Anlage gut übereinstimmen.

Energiesteuerflucht

Ebenso spannend wird es, wenn sich die Anzahl der Elektroautos erhöht und diese überwiegend mit selbsterzeugtem PV-Strom geladen werden und abends ihr Akku in die Stromversorgung des Eigenheims integriert wird. Gegenüber der heutigen Besteuerung von etwa 70 Ct/l für Diesel und etwa 90 Ct/l für Superbenzin verliert der Staat an sonnigen Tagen wichtige Einnahmen. Dass ihn dies zunehmend in Bedrängnis bringt, zeigt ein aktueller Gesetzentwurf mit dem bis Ende 2015 Elektrofahrzeuge zehn Jahre lang von der Kraftfahrzeugsteuer befreit werden sollen. Die anschließende stufenweise Rückführung der Steuerbefreiung diene der „Stabilisierung des Steueraufkommens“, schreibt die Bundesregierung in der Begründung des Gesetzentwurfs. Angesichts dieser Argumentation und der „Energiesteuerflucht“ in der Nutzungsphase, muss man sich unweigerlich fragen: Ob die Sonnenenergie wohl steuerfrei bleibt?

Neue Heizung oder Eigenstromanlage?

Man könnte meinen, dass das die TGA/SHK-Branche nur am Rande tangiert. Die Entwicklung wird aber einschneidend sein. Denn Elektrizität genießt in den Medien und beim Verbraucher als besser sichtbare Energie eine viel höhere Aufmerksamkeit als Wärme. Dazu kommt die prozentuale Verführung – bei einer PV-Anlage mit Stromspeicher fängt die Senkung der Stromrechnung erst oberhalb von 50 % an. Und im Einfamilienhaus-Neubau faszinieren auf Photo­voltaik basierende Plus-Energie-Hauskonzepte Anbieter und Bauherren gleichermaßen Abb. 1. Warum also im Bestand eine funktionierende Heizungsanlage „vorzeitig“ ersetzen, wenn man sich mit dem gleichen Geld weitgehend von den bisherigen Stromkosten befreien kann? Wir haben gute Argumente dafür, konnten sie aber bisher schon nicht adäquat platzieren.

Auch die Integration der dezentralen Stromerzeugung in die Energiebilanz von Niedrigstenergiegebäuden und in den Sanierungsfahrplan zum klimaneutralen Gebäudebestand wird das Thema künftig in die Öffentlichkeit tragen. Und die Entscheidung – Heizungserneuerung oder Eigenstromerzeugung – werden die Systemanbieter den Gebäudeeigentümern deutlich erleichtern, auf der Intersolar wurden bereits unterschiedliche Systeme präsentiert, die auch die Wärmeversorgung des Gebäudes übernehmen. In der Etablierungsphase sind mit einer speziellen Steuerung ausgestattete Wärmepumpen, die vorrangig mit dem selbsterzeugten PV-Strom die Trinkwassererwärmung übernehmen.

Energieautonome Einfamilienhäuser

Wo das Zusammenwachsen enden könnte, hat unter anderem Fronius mit seinem Haus der Zukunft vorgestellt, das die vollständig autonome Strom- und Wärmeversorgung zum Ziel hat und als Pilotprojekt demnächst in Betrieb genommen wird. In dem energieautonomen Einfami­lienhaus übernehmen Batterien die Kurzzeitspeicherung von Sonnenstrom. Für die Langzeitspeicherung wird aus überschüssigem Strom durch Elektrolyse Wasserstoff erzeugt und in einem Tank gespeichert. Über die Brennstoffzellenfunktion der Fronius-Energiezelle wird der Wasserstoff dann wieder in Strom umgewandelt und kann im Winter den Haushalt mit Strom versorgen. Die Abwärme aus den Umwandlungsprozessen wird zur Trinkwassererwärmung und zur Heizungsunterstützung genutzt Abb. 2. Was bereits seit einigen Jahren als Vision existiert, könnte damit schon bald am Markt verfügbar sein.

Die aktuelle Nachbesserung des EEG wird diese Trends beschleunigen, denn es zwingt die Anbieter, Absatzpotenziale für ihre Lösungen jenseits des Massenmarkts zu erschließen. An ähnlichen Gesamtsystemen zur Strom- und Wärmeerzeugung wird bereits weltweit fieberhaft gearbeitet. Schon bald dürften sich deswegen ganz neue Systeme und Anbieter um die Investitionsbudgets der Gebäudeeigentümer und ihre letzten Kilowattstunden Energiebezug im „alten“ System bewerben. Die Photovoltaik wird damit für die TGA-Branche in kurzer Zeit sehr relevant werden. Jochen Vorländer

1) BDEW: Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft https://www.bdew.de/

2) BSW-Solar: Bundesverband Solarwirtschaft https://www.solarwirtschaft.de/

Mehr Infos zum Thema enthalten die TGAdossiers Photovol­taik sowie Passivhaus, Null- und Plus-Energie-Haus: Webcode 975 bzw. 715 ­

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