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Gebäudeautomation für die Zukunft rüsten

Gründlich planen, fachgerecht ­integrieren, wirksam überwachen

Kompakt informieren

Viele TGA-Anlagen funktionieren aufgrund mangelhafter Gebäudeautomations(GA)-Systeme nicht richtig, sind ineffizient und verursachen unnötig hohe Betriebskosten. Oft sind Gebäudenutzer auch mit der Funktionalität und dem gebotenen Komfort der GA-Systeme nicht zufrieden.

Aufgrund europäischer Vorgaben wächst der Druck, TGA-Anlagen künftig bestmöglich in GA-Systeme zu integrieren und ihre Energieeffizienz zu über­wachen. Optimal funktionierende GA-Systeme werden zum zentralen Faktor für den langfristigen Werterhalt von Gebäuden.

Es rentiert sich, von Anfang an in eine gut geplante Gebäudeautomation angemessen zu investieren. Das beginnt bereits bei der Beauftragung der Verantwortlichen und sollte in jedem Fall ein Technisches Monitoring mit Soll-Ist-Vergleichen und eine Optimierungsphase beinhalten.

Die wachsende Digitalisierung der Infrastruktur hat erhebliche Auswirkungen auf die Technische Gebäudeausrüstung: Sie muss immer mehr und vor allem komplexere Aufgaben erfüllen. Als Folge davon wächst die Fehlerhäufigkeit der Systeme der Gebäudeautomation (GA).

Das zeigt sich auch in der täglichen Prüfpraxis: Viele Anlagen funktionieren nicht richtig, sind ineffizient und verursachen unnötig hohe Betriebskosten. Hinzu kommt, dass die Gebäudenutzer oftmals mit der Funktionalität und dem gebotenen Komfort der GA-Systeme nicht zufrieden sind.

Kostspielige Überraschungen möglich

Mangels geeigneter Instrumente zur Analyse und Überprüfung der GA-Systeme werden Fehler oft erst im laufenden Gebäudebetrieb festgestellt. Das kann sich schnell zur teuren Überraschung entwickeln: Denn zu den schon kostenintensiven Auswirkungen einer bis dato nicht optimalen Anlagen-Performance kommen dann noch die Kosten für deren Verbesserung hinzu.

Und manchmal vergeht ein längerer Zeitraum, bis ein Fehler entdeckt wird. Dazu ein Beispiel aus der Prüfpraxis von TÜV SÜD: Bei der Installation einer thermischen Solaranlage wurden Vor- und Rücklaufsensor vertauscht. Der Fehler fiel dem Gebäudemanagement nicht auf, da es keine Vergleichswerte gab und der Heizkessel einsprang und stets für Wärme sorgte. Die Solaranlage war ohne Funktion – und das über einen Zeitraum von zehn Jahren.

GA muss künftig mehr leisten

Das Beispiel der Solaranlage führt vor Augen, dass selbst vermeintlich einfache GA-Komponenten einer gründlichen Planung, fachgerechten Integration und schließlich einer wirksamen Überwachung bedürfen. Das gilt umso mehr, wenn verschiedene „smarte“ Systeme kombiniert werden und interagieren sollen. Wer dabei systematisch Schritt für Schritt vorgeht, erhält ein stabiles „Nervenkostüm“ des Gebäudes, das den zuverlässigen und effizienten Betrieb sicherstellt – heute und in Zukunft.

Energieeffizienz ist ein großes Thema: Für deren Förderung werden immer neue Regulierungen für die Gebäudeautomation verbindlich eingeführt. Jüngstes Beispiel ist die EU-Gebäuderichtlinie EPBD (Energy Performance of Buildings Directive), die 2018 novelliert wurde, allerdings mit dem Inkrafttreten des Gebäudeenergiegesetztes am 1. November 2020 noch nicht vollständig in deutsches Recht umgesetzt ist.

Die EU-Gebäuderichtlinie fordert die europaweite Verwirklichung einheitlicher Standards zur Energieeffizienz von Gebäuden bis zum Jahr 2030. Im Kontext der Gebäudeautomation sind bestimmte Ziele sogar schon bis 2025 umzusetzen. Dazu zählt beispielsweise, dass GA-Systeme den Energieverbrauch kontinuierlich überwachen, protokollieren, analysieren und dessen Anpassung ermöglichen müssen. Aber auch, dass die Anlagen (ab einer bestimmten Leistung) in der Lage sind, Effizienzverluste zu erkennen und das Gebäudemanagement über mögliche Optimierungen zu informieren (siehe Info-Kasten).

Diese Entwicklungen machen die nachhaltige und zukunftsweisende Planung, Integration und Überwachung der TGA umso wichtiger. Optimal funktionierende und wirtschaftlich arbeitende GA-Systeme werden zum zentralen Faktor für den langfristigen Werterhalt von Gebäuden und wichtigen Kriterium bei Vermietung oder Verkauf.

Beauftragen – aber richtig

Es rentiert sich, von Anfang an in eine gut geplante Gebäudeautomation angemessen zu investieren. Bauherren sichern sich mit diesem Vorgehen gegen Qualitätsrisiken ab und ziehen einen Nutzen daraus, weil die Kosten im Gebäudebetrieb nicht in die Höhe schnellen.

Die qualitätsgesicherte Planung beginnt mit der richtigen Beauftragung. Die zu erbringenden Leistungen sollten genau benannt werden. Denn bestimmte Leistungen fallen unter „das Soll“ der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI), andere wiederum sind dort nicht aufgeführt.

Die Integrationsplanung beispielsweise ist eine solche Leistung, die in der HOAI nicht enthalten ist. Gerade dafür sollten aber Bauherren einen Fachplaner beauftragen, weil es sich lohnt, in diese besondere Leistung zu investieren, um die Qualität der Integration von GA-Anlagen sicherzustellen.

Bild 2: In acht Schritten die Qualität der Gebäudeautomation sicherstellen und für ein stabiles „Nervenkostüm“ sorgen.

Bild: TÜV SÜD

Bild 2: In acht Schritten die Qualität der Gebäudeautomation sicherstellen und für ein stabiles „Nervenkostüm“ sorgen.

Schritt für Schritt zum Ziel

Für ein strukturiertes Vorgehen beim Aufbau von GA-Systemen können Prüforganisationen unabhängige Orientierungshilfen anbieten. TÜV SÜD hat dafür den „Handlungsleitfaden Gebäudeautomation“ erarbeitet. Dieser enthält eine achtstufige Schritt-für-Schritt-
Anleitung (2) und steht im Internet als White Paper zur Verfügung: www.tuvsud.com/gebaeudeautomation.

Er beantwortet auch typische Fragen, zum Beispiel: Welche Leistungen sollten beauftragt werden? Wie ist eine optimale, gewerke- und systemübergreifende Koordination der GA in der Praxis umzusetzen? Wie gelingt es, die Qualität bei der Planung, der Errichtung und dem Betrieb von GA-Systemen langfristig sicher­zustellen?

TMon findet die Schwachstellen

Besonders während der ersten Nutzungszeit arbeiten viele GA-Systeme nicht wie gewünscht. Dann muss das Gebäudemanagement eingreifen und ist gegebenenfalls mit zahlreichen Noteinsätzen befasst. Der Regelbetrieb kann dann schnell zum „Handbetrieb“ werden, was alle Beteiligten natürlich vermeiden wollen. Aber wie ist der gewünschte „Normalzustand“ herzustellen? Die Lösung: das Technische Monitoring (TMon).

Als Überwachungstool vergleicht es die Soll-Werte mit den Ist-Werten der TGA und überwacht damit systematisch alle Funktionen und die Effizienz der GA-Systeme. TÜV SÜD hat dafür die sogenannte test box (3) entwickelt, die Daten im GA-Netzwerk aufzeichnet und in einem digitalen Prüfstand bewertet.

Das TMon kann auch über längere Zeitintervalle angewendet werden und liefert damit eine aussagekräftige Datenbasis für die Detailanalyse zum Ist-Zustand der GA-Systeme. Schwachstellen und fehlerhafte Funktionen werden angezeigt. Nun können die Leistungen der GA-Systeme optimiert und auch nutzerorientiert angepasst werden.

Bild 3: Technisches Monitoring mit der test box.

Bild: TÜV SÜD

Bild 3: Technisches Monitoring mit der test box.

Digitales Prüfkonzept

Der Einsatz des digitalen Prüfkonzepts stellt den effizienten Anlagenbetrieb ab Inbetriebnahme der GA-Systeme sicher. Gewünschte
Funktionen und Anwendungen einzelner Anlagen oder Anlagensysteme sind bei der ­Planung und Errichtung in einer prüfbaren Art und Weise festzulegen.

Hier hilft die aktualisierte VDI-Richtlinie 3814 weiter, mit einer geeigneten Methode zur Spezifikation von Anlagenfunktionen auf Basis von Zustandsgraphen. Digitale Funktionsbeschreibungen weiten den zunächst reinen Spezifikationsansatz zu einem digitalen Spezifikations- und Prüfkonzept aus. Der Grad der Übereinstimmung zwischen Planung und Betrieb wird mit der dafür eingesetzten Kenngröße „Betriebsgüte“ messbar.

Fallbeispiel: Stabiles „Nervenkostüm“ im Bürogebäude

TÜV SÜD wurde von einem Finanzdienstleister beauftragt, die veraltete TGA eines Gebäudes mit über 100 Büros auf den neuesten Stand zu bringen. Das Gebäude befindet sich an einem Standort des Kunden im Rhein-Main-Gebiet und wird zurzeit aufwendig saniert.

Anhand dieses Pilotprojekts sollen einheitliche Standards für die Zukunft von tausenden Büroräumen und den wesentlichen technischen Anlagen des Finanzdienstleisters entwickelt und festgelegt werden. Es ist geplant, diese Standards auch in anderen Gebäuden an weiteren Standorten des Kunden in Zukunft zu verwenden und bei dort geplanten GA-Projekten umzusetzen.

Das Pilotprojekt wurde im Juni 2019 gestartet, die Raumautomation und die Kälteanlagen des Bürogebäudes stehen seitdem unter Beobachtung. Die viel zu träge Raumautomation kann nicht den von den Nutzern gewünschten Komfort bieten. Auch die im Bestand vorhandene Lüftungstechnik arbeitet nicht richtig: Luftmengen fehlen, was bewirkt, dass die Luftqualität in den Büroräumen unzureichend ist. Ebenso unter Beobachtung stehen die drei Kältemaschinen mit ihren vier Rückkühlwerken und der Kälteverteilung. Hier entspricht das Zusammenspiel, beispielsweise wegen hoher Taktraten, nicht den Vorstellungen des Betreibers.

Zum Erreichen der Ziele setzen die Experten von TÜV SÜD das TMon ein. Die test box sammelt alle relevanten Daten im GA-Netzwerk, die im digitalen Prüfstand bewertet werden. Die Ergebnisse werden alle zwei Wochen mit den Beteiligten abgeglichen. Detailanalysen zum Ist-Zustand der GA-Systeme sind damit möglich. Auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse werden aktuell die Systeme des Bürogebäudes auf den neuesten Stand gebracht. Damit erhält das Bürogebäude ein stabiles und zukunftsfähiges „Nervenkostüm“.

Gebäudeautomation in der erneuerten EU-Gebäuderichtlinie

Eine der für die TGA wichtigsten Neuerungen in der Richtlinie 2018/844/EU vom 30. Mai 2018 zur Änderung der EU-Gebäuderichtlinie findet sich in den Neufassungen der Artikel 14 „Inspektion von Heizungsanlagen“ und 15 „Inspektion von Klima­anlagen“ jeweils in den Absätzen 4 und 5:

(4) Die Mitgliedstaaten legen Anforderungen fest, um sicherzustellen, dass Nichtwohngebäude mit einer Nennleistung für eine Heizungsanlage oder eine kombinierte Raumheizungs- und Lüftungsanlage [Artikel 15: Klimaanlage oder eine kombinierte Klima- und Lüftungsanlage] von mehr als 290 kW, sofern technisch und wirtschaftlich realisierbar, bis zum Jahr 2025 mit Systemen für die Gebäudeautomatisierung und -steuerung ausgerüstet werden.

Die Systeme für die Gebäudeautomatisierung und -steuerung müssen in der Lage sein,

a) den Energieverbrauch kontinuierlich zu überwachen, zu protokollieren, zu analysieren und dessen Anpassung zu ermöglichen;

b) Benchmarks in Bezug auf die Energieeffizienz des Gebäudes aufzustellen, Effizienzverluste von gebäudetechnischen Systemen zu erkennen und die für die Einrichtungen oder das gebäudetechnische Management zuständige Person über mögliche Verbesserungen der Energieeffizienz zu informieren; und

c) die Kommunikation zwischen miteinander verbundenen gebäudetechnischen Systemen und anderen Anwendungen innerhalb des Gebäudes zu ermöglichen und gemeinsam mit anderen Typen gebäudetechnischer Systeme betrieben zu werden, auch bei unterschiedlichen her­stellereigenen Technologien, Geräten und Herstellern.

(5) Die Mitgliedstaaten können Anforderungen festlegen, um sicherzustellen, dass Wohngebäude ausgerüstet sind mit:

a) einer kontinuierlichen elektronischen Über­wachungsfunktion, welche die Effizienz des Systems misst und den Eigentümer oder Verwalter des Gebäudes darüber informiert, wenn die Effizienz erheblich nachgelassen hat und eine Wartung des Systems erforderlich ist, und

b) wirksamen Steuerungsfunktionen zur Gewährleistung der optimalen Erzeugung, Verteilung, Speicherung und Nutzung der Energie.

Zur Umsetzung heißt es in der Änderungsrichtlinie: „Die Mitgliedstaaten setzen die Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie bis zum 10. März 2020 nachzukommen. Sie teilen der [EU-]Kommission unverzüglich den Wortlaut dieser Vorschriften mit.“ Deutschland hat diese Vorgaben im am 13. August 2020 verkündeten Gebäudeenergiegesetz aufgegriffen, aber nicht analog umgesetzt. Im Abschnitt 3 „Energetische Inspektion von Klimaanlagen“, § 74 „Betreiberpflicht“ gibt es bisher nur eine Möglichkeit zur Befreiung von Inspektionspflichten, wenn die inspektionspflichtige Anlage mit einem EPBD-konformes GA-System ausgestattet sind (was in der EU-Gebäuderichtlinie in den Artikeln 14 und 15, jeweils Absatz 6 eingeräumt wird.

Offen ist zudem noch die Einführung eines Intelligenzfähigkeitsindikators (Smart Readiness Indicators, SRI) zur Bewertung der technologischen Fähigkeit eines Wohngebäudes, mit Nutzer und Netz zu interagieren sowie den Betrieb energieeffizient zu regeln. Hier ist allerdings auch die EU-Kommission mit der Vorlage
eines Bewertungsschemas inklusive Definition und Methodik der Berechnung des SRI in Verzug. DR

Dipl.-Ing. (FH) Patrick Lützel
leitet bei der TÜV SÜD Industrie Service GmbH, 80686 München, im Geschäftsfeld Elektro- und ­Gebäudetechnik den Bereich Systemengineering Gebäude­automation. Hier arbeitet er unter anderem an der Bewertung und Qualifizierung vernetzter Infrastruktur (Smart Building) und wirkt in Gremien und Branchenverbänden mit.

Bild: www.schaefer-design.de

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