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Referenzprojekt Luftmeister

Luftenergiezähler: Lüftungskosten nach Verbrauch abrechnen

Bild 1 Der „High-End-Bahnhof“ in Hagenau (französisch: Haguenau).

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Bild 1 Der „High-End-Bahnhof“ in Hagenau (französisch: Haguenau).

Bahnhöfe sind längst nicht mehr das, was sie mal waren. Im positiven Sinne: Heute handelt es sich um Multifunktionsgebäude – Shopping Mall, Bürogebäude und Verkehrsknotenpunkt in einem. Mit ihrer zentralen Lage, optimalen Erreichbarkeit und überregionalen Bekanntheit sind Bahnhofsgebäude hochinteressante Mietobjekte. Wenn diese Gebäude zudem noch eine Vorreiterrolle in punkto Nachhaltigkeit und Digitalisierung einnehmen, treten sie ein in die Gruppe der Top-Investments.

Dies gilt nicht nur in Deutschland, sondern gleichermaßen im Nachbarland Frankreich. In der Mittelstadt Hagenau (französisch: Haguenau), dem Elsässer Verkehrsknotenpunkt nördlich von Straßburg, findet sich ein solcher High-End-Bahnhof (Bild 1). Schon städtebaulich werden hier Maßstäbe gesetzt. Sehr auffallend zum beschaulichen Fachwerkhausstil der anschließenden Altstadt kontrastiert die hochmoderne Architektur: Ein transparenter Kubus mit gigantischer Fassadenuhr blickt auf die gemütlich-verwinkelten Fachwerkhäuser, bei denen die Zeit scheinbar stehengeblieben ist.

So setzt Lüftungskonzept mit Luftenergiezählern Maßstäbe bei der Nachhaltigkeit

Das einzigartige Bahnhofsgebäude soll auch bei der Nachhaltigkeit Maßstäbe setzen. Besonders innovativ ist dabei das lüftungstechnische Konzept. Die sechs Bürobereiche in den Obergeschossen werden über eine gemeinsame RLT-Anlage versorgt, deren Wärme- und Kälteenergiebedarf von einer Wärmepumpe geliefert wird. Um den Verbrauch durch ein bewusstes und die Nutzer belohnendes Verhalten zu senken und zugleich eine faire Nebenkostenabrechnung der Klimaluft zu etablieren, wurde die Anlage mit Luftenergiezählern ausgestattet.

Bild 2 Luftenergiezähler-Messstrecke und Luftenergiezähler (an der Wand).

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Bild 2 Luftenergiezähler-Messstrecke und Luftenergiezähler (an der Wand).

Bei den Luftenergiezählern handelt es sich um eine in Deutschland eichzugelassene Messeinrichtung, um den luftseitigen Verbrauch in Klimaanlagen zu erfassen. In der Zuluftleitung jeder Verbrauchszone erfassen sie kontinuierlich den Luftmassenstrom sowie an zwei Stellen die Enthalpie, also den Wärmeinhalt der noch nicht aufbereiteten Luft (Außenluft) und der an die Zone gelieferten Luft (Zuluft). Daraus werden drei Verbrauchszählerwerte gebildet:

Bild 3 Schema der Gesamtanlage.

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Bild 3 Schema der Gesamtanlage.

● Kubikmeter Luftverbrauch

● Kilowattstunden (luftseitige) Wärmelieferung

● Kilowattstunden (luftseitige) Kältelieferung

(Bild 2) zeigt im Vordergrund eine Luftenergiezähler-Messstrecke sowie im Hintergrund an der Wand einen Luftenergiezähler.

Das Schema (Bild 3) stellt die Gesamtanlage dar. Die Durchfluss-Messstellen der Luftenergiezähler sind dabei jeweils grün mit Großbuchstaben (A bis G) gekennzeichnet, die Enthalpie-Messstellen jeweils orangefarben mit Zahlen (1 bis 12). Erkennbar ist, dass einmal der Gesamtdurchfluss (A) sowie jeweils der Einzeldurchfluss jeder Mietzone erfasst werden (B bis G).

In Standard-Anwendungen bleiben die Abluft und Wärmerückgewinnung unberücksichtigt. Dort ist es ausreichend, Enthalpiefühler in Außen- und Zuluft zu positionieren. Auch muss dann keine zentrale Luftzählung erfolgen (A), die hier für die Aufteilung der RLT-Wärme- und Kältebeiträge in WRG und Wärmepumpe dient.

Die Besonderheit und gesteigerte Nachhaltigkeit beim Hagenau-Projekt besteht darin, dass hier auch der Beitrag jeder Zone zur Wärmerückgewinnung (WRG) berücksichtigt wird. Liefert also eine Zone etwa im Winter einen höheren Wärmebeitrag (über die Abluft) an die Wärmerückgewinnung, dient dies der Allgemeinheit und bringt für diese Zone eine faire Kostenminderung.

So ist etwa zu erwarten, dass die Büros auf der Südseite aufgrund bei tief stehender Sonneneinstrahlung in den Übergangszeiten einen höheren WRG-Beitrag als diejenigen auf der Nordseite leisten werden. Im Sommer kann die Nordseite dafür einen höheren Beitrag zur Vorkühlung der Außenluft beitragen.

So werden Kosten getrennt und verteilt

In einem ersten Schritt gilt es, die Kosten der Luftförderung und diejenige der Wärme- und Kältelieferung zu trennen. Wie in (Bild 3) ersichtlich, verfügt die Anlage über zwei Stromzähler, einmal für die Wärmepumpe und einmal für die restliche Klimaanlage mit Ventilatoren und Wärmerückgewinnung.

Diese Zähler werden in einem ersten Abrechnungsschritt zum Jahresende ausgewertet, sodass die „Primärzählerkosten“ (Kosten RLT und Kosten Wärmepumpe) feststehen. Um daraufhin die Kosten der Wärmepumpe nach luftseitiger Kältelieferung (Σ WP kalt) und Wärmelieferung (Σ WP warm) trennen zu können, werden die Stromkosten der Wärmepumpe mit der Formel in (Bild 3), gelb hinterlegter Bereich, aufgeteilt.

Bild 4 Anteil der Kosten für die gesamte RLT-Anlage sowie der Wärme- und Kältelieferung der Wärmepumpe für eine einzelne Zone.

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Bild 4 Anteil der Kosten für die gesamte RLT-Anlage sowie der Wärme- und Kältelieferung der Wärmepumpe für eine einzelne Zone.

Welchen Anteil an den nunmehr bekannten Kosten der gesamten RLT-Anlage sowie der Wärme- und Kältelieferung der Wärmepumpe sind aber den einzelnen Zonen zuzuordnen? (Bild 4)

Die seit 2019 gültige VDI-Norm 2077 Blatt 4 [→ siehe TGA-Beitrag Klimaluft mit Luftenergiezähler jetzt verbrauchsgerecht abrechnen] ist für diese Fragestellung die einschlägige technische Richtlinie in Deutschland – sie wurde nun auch beim hier beschriebenen französischen Projekt angewendet. (Bild 5) zeigt, wie die Berücksichtigung der WRG-Beiträge umgesetzt wurde.

Bild 5 Berücksichtigung der WRG-Beiträge.

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Bild 5 Berücksichtigung der WRG-Beiträge.
Bild 6 Kostenverteilung ohne WRG-Beiträge für eine Zone.

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Bild 6 Kostenverteilung ohne WRG-Beiträge für eine Zone.

Alle relevanten Messwerte liefert dabei das Luftmeister-Messsystem. So steht etwa der Term A ∙ (2 – 1) für die WRG-seitige Wärmelieferung, die der zentrale Zähler A über den gesamten Abrechnungszeitraum hinweg als Zählerwert erfasst. Dieser wird ebenso wie alle anderen Verbrauchswerte über ein Modbus-Netzwerk übermittelt, sodass die zentrale GLT lediglich noch die oben dargestellte Formelverknüpfung verwalten muss.

Der Zählerdienstleister erhält auf dieser Basis einfache Prozent-Aufteilungen – beispielsweise wird Mietzone OG1-2 (Zähler G) mit Südlage zuletzt in einem Abrechnungsjahr 14 % der RLT-Kosten tragen, dagegen aber 20 % der Kühlungskosten und beispielsweise 12 % der Wärmekosten.

Francois Tojagic vom Effizienzspezialisten Mapclim, dessen Team maßgeblich an der Umsetzung dieses für Frankreich neuartigen Konzepts verantwortlich ist, unterstreicht: Auf dieser Abrechnungsbasis wird

● eine rechtssichere und faire Abrechnung der Klimakosten umgesetzt

● ein wichtiger Beitrag zur Nachhaltigkeit geleistet

● jeder Mietbereich motiviert, Einsparungen zu erzielen

Abschließend soll noch angemerkt werden, dass die Berücksichtigung der Abluft-Wärmegewinne, also der WRG-Beiträge, nur dann zu nennenswerten Unterschieden gegenüber einer reinen Zuluft-Verbrauchsmessung führen, wenn die Ablufttemperaturen (bzw. -enthalpien) der einzelnen Zonen sich signifikant unterscheiden. VDI 2077 Blatt 4 nennt hierzu den Wert von 5 K im Jahresmittel. So ist es zu erklären, dass die große Mehrzahl der Luftenergiezähler-Konzepte bislang auf eine solche WRG-Berücksichtigung verzichtet hat. (Bild 6) zeigt, wie sich dann die Berechnung vereinfacht.

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Literatur

[1] VDI 2077 Blatt 4 Verbrauchskostenabrechnung für die technische Gebäudeausrüstung – RLT-Anlagen. Berlin: Beuth Verlag, Juni 2019
[2] DIN 94 701 Lufttechnische Systeme – Luftzähler und Luftenergiezähler – Anforderungen. Berlin: Beuth Verlag, Februar 2020

Dieser Artikel erschien zuerst in der Heftausgabe 04-2021 des TGA Fachplaners.