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Energieträger

Wasserstoff: Wie viel Wasser wird dafür benötigt?

Wieviel grünen Wasserstoff Deutschland künftig selbst produzieren und wieviel importieren soll, ist umstritten

audioundwerbung / iStock / Getty Images Plus

Wieviel grünen Wasserstoff Deutschland künftig selbst produzieren und wieviel importieren soll, ist umstritten

Um 1 kg Wasserstoff durch Wasserelektrolyse herzustellen, sind mindestens 9 kg Wasser*) erforderlich. Was würde das bei einer Substitution von Erdgas durch Wasserstoff für den Wasserbedarf bedeuten?

Wasserstoff ist für den Klimaschutz ein optimaler Energieträger. Bei der Verbrennung von Wasserstoff fällt als Reaktionsprodukt nur Wasserdampf bzw. flüssiges Wasser an. Bei den meisten Anwendungen würde dieser nahezu keinen Beitrag zur Klimaerwärmung haben. Auch andere Emissionen werden signifikant reduziert.

Wasserstoff kann auf verschiedenen Wegen bereitgestellt werden. Um deren Besonderheiten ohne detaillierte Angaben zu beschreiben, hat sich ein Schema mit den Farben Grau, Braun, Blau, Türkis, Grün, Rot und Gelb (siehe unten) durchgesetzt.

Türkiser und blauer Wasserstoff sind Optionen, die insbesondere die Gaswirtschaft ins Spiel bringt, auch um ihr bisheriges Geschäftsmodell in die Zukunft zu retten. Mutmaßlich ist mit blauem und türkisenem Wasserstoff in den nächsten zehn Jahren die Dekarbonisierung der Gasversorgung schneller und günstiger als mit grünem Wasserstoff möglich. Die vorhandenen Versorgungsstrukturen könnten dann in weiten Teilen weiterbenutzt werden und erschlossene oder neue Vorkommen mit verringerter Klimarelevanz ausgebeutet werden.

Als langfristig zukunftstauglich gilt aus heutiger Sicht jedoch nur grüner Wasserstoff, da alle anderen Farben natürlichen Limitierungen unterliegen oder in der Entwicklung erst am Anfang stehen. Der Beitrag zum Klimaschutz von türkisenem Wasserstoff muss sich an der Bereitstellung des hohen Wärmebedarfs messen. Nur wenn die Prozesswärme weitgehend klimaneutral (z. B. aus nicht anderweitig nutzbarer Abwärme) zur Verfügung steht, kommt türkiser Wasserstoff auf eine gute Ökobilanz.

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9 kg Wasser für ein 1 kg Wasserstoff, das ist der stöchiometrische Wert. Technisch ist aufgrund der meistens erforderlichen Wasseraufbereitung eine höhere, oft sogar eine deutlich höhere Menge Rohwasser erforderlich, insbesondere wenn dafür Meerwasser entsalzt wird.

Nimmt man den Mittelwert der rund 16 000 in weltweit 177 Ländern in Betrieb befindlichen Entsalzungsanlagen, entsteht 1 l Süßwasser aus 2,5 l Rohwasser (Daten aus: The state of desalination and brine production: A global outlook). Würde man aus diesen Anlagen Wasser zur Wasserstoffgewinnung per Wasserelektrolyse einsetzen, läge der technische Wasserbedarf bei fast 22,5 kg Rohwasser pro 1 kg Wasserstoff. Bei einem hohen Salzgehalt im Rohwasser steigt der Wasserbedarf auf bis zu 30 kg Rohwasser pro 1 kg Wasserstoff. 
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Wasserstoff im Erdgasnetz

Eine viel diskutierte Option zur Dekarbonisierung ist in Deutschland ist die Substitution von Erdgas durch die Beimischung von Wasserstoff (grün, blau und türkis). In Deutschland gibt es eine starke politische Tendenz zu grünem Wasserstoff. Das hat einerseits mit dem hohen und risikoarmen Nutzen für den Umwelt- und Klimaschutz aber auch mit Industriepolitik zu tun. Anlagen zur Wasserelektrolyse zu entwickeln, zu optimieren und zu produzieren würde gut zum Standort Deutschland passen. Beim Import von Wasserstoff wäre einfacher eine Diversifikation als bei Erdgas möglich.

Wie viel grünen Wasserstoff Deutschland künftig selbst produzieren und wie viel importieren soll, ist umstritten und die optimale Konstellation auch von vielen Randbedingungen abhängig (siehe z. B.: Grüner Wasserstoff: Selber produzieren oder importieren? und Günstiger Wasserstoff nur mit Heizungs-Wärmepumpen).

100%iger Erdgas-Ersatz: Wasserbedarf einer Großstadt

Für den Gebäudesektor wäre eine Substitution von fossilem Erdgas durch Wasserstoff im Erdgasnetz relevant. 2020 betrug der Erdgasabsatz in Deutschland 939 TWh (Mrd. kWh). Würde man diese Energiemenge durch grünen Wasserstoff ersetzen, müssten dazu 214,6 Mio. m3 Wasser elektrolytisch aufgespalten werden.

Das sind bei kontinuierlichem Betrieb 24 500 m3/h. Das entspricht dem stündlichen Wasserverbrauch von 4,7 Mio. Einwohnern. Zum Vergleich: Berlin zählt rund 3,7 Mio. Einwohner, in der Agglomeration Berlin leben knapp 4,7 Mio. Menschen.

Würde man die Elektrolyse zentral aufbauen, müsste für die zu transportierende Wassermenge eine Leitung mit einem Innendurchmesser von 1,86 m verlegt werden (angenommene Strömungsgeschwindigkeit von 2,5 m/s).

10%iger Erdgas-Ersatz

Ein 100%iger Erdgas-Ersatz auf dem Absatzniveau von 2020 ist kein absehbarer Auslegungsfall und vermutlich wäre dafür die vorhandene Erdgas-Infrastruktur auch nicht ohne massive Investitionen zu ertüchtigen. Im Zuge der Energiewende wird der Gasabsatz (energetisch) nach vielen Prognosen deutlich sinken.

Diskutiert werden Substitutionsanteile von zunächst etwa 10 %. Dabei ist zu unterscheiden, ob sich die 10 % auf eine volumetrische oder eine energetische Substitution beziehen. Denn Wasserstoff hat eine deutlich geringere Energiedichte als Erdgas. Wasserstoff hat einen Brennwert von 3,54 kWh/m3, Methan einen Brennwert von 11,06 kWh/m3. Der Brennwert von Erdgas wird vom hohen Methananteil bestimmt, es gibt aber je nach Lagerstätte und ggf. auch durch Konditionierungsmaßnahmen kleinere Abweichungen. Unter den sonst gleichen Annahmen für die 100%ige Substitution ergibt sich:

10%ige energetische Substitution: 93,9 TWh aus Wasserstoff:
    ▪ der Wasserbedarf beträgt 2450 m3/h und
    ▪ entspricht dem Wasserverbrauch von 470 000 Einwohnern
    ▪ die Wasserleitung zu einer zentralen Anlage müsste
       einen Innendurchmesser von 590 mm aufweisen

10%ige volumetrische Substitution: 32,25 TWh (Wasserstoffanteil
     aus 90 % Methan und 10 % Wasserstoff bei 939 TWh):
    ▪ der Wasserbedarf beträgt 841 m3/h und
    ▪ entspricht dem Wasserverbrauch von 161 500 Einwohnern
    ▪ die Wasserleitung zu einer zentralen Anlage müsste
       einen Innendurchmesser von 350 mm aufweisen

Dezentrale Erzeugung hat Standortvorteile

Die Zahlenspiele zeigen, dass die Substitution von Erdgas durch grünen Wasserstoff Technik und Infrastruktur im großen Maßstab erfordert und legen eine dezentrale Erzeugung von grünem Wasserstoff dort nahe, wo ausreichend grüner Strom und Wasser sowie Abnehmer bzw. Möglichkeiten für eine Netzeinspeisung des Wasserstoffs verfügbar sind. Im Idealfall sollte auch eine sinnvolle Verwendung der anfallenden Abwärme und des abgespaltenen Sauerstoffs möglich sein (Herstellung von Roheisen und Stahl, Kupfer-Raffination, Chemie, Abwasserreinigung, Bleichmittel).

Die Erzeugung von grünem Wasserstoff im großen Maßstab in Regionen mit besonders günstigen Bedingungen für die Produktion von Strom mit erneuerbaren Energien (viele Sonne, viel Wind) hat zumeist andere Standortnachteile und erfordert lange Transporte.

Wo auch immer grüner Wasserstoff erzeugt wird, man sollte bei seiner Verwendung mindestens im nächsten Jahrzehnt stets Worte von Rainer Baake, Direktor der Stiftung Klimaneutralität, im Hinterkopf haben: „Wasserstoff ist der ganz teure Champagner der Energiewende.“ ■

Wasserbedarf für Wasserstoff im globalen Maßstab

Die oben genannten weltweiten 16 000 Entsalzungsanlagen produzieren 95 Mio. m3/d. Etwa die Hälfte der Entsalzungskapazität befindet sich heute im Mittleren Osten und in Nordafrika. Würde Deutschland in diesen Regionen per Wasserelektrolyse produzierten Wasserstoff für eine 100%ige energetische Substitution der heutigen Erdgasverwendung importieren, müsste dort die Entsalzungskapazität um mindestens 1,25 % steigen.

Deutschland ist zwar Importweltmeister bei Erdgas, der Anteil beim globalen Erdgasverbrauch liegt jedoch nur bei knapp 3 %. Und im globalen Maßstab ist gar nicht so sehr die Substitution von Erdgas durch Wasserstoff relevant, sondern vielmehr Wasserstoff als Ausgangsprodukt für chemische Erzeugnisse, für Kohle ersetzende Prozessschritte (z. B. Stahlproduktion) und für Mineralölprodukte ersetzende flüssige Kraftstoffe (Flug- und Schwerlastverkehr). Bei der Wasserstoffproduktion im globalen Maßstab ist also stets auch die Verfügbarkeit von Wasser relevant, denn die bei der Meerwasser-Entsalzung anfallenden aufkonzentrierten Solen sind alles andere als unproblematisch.   

Dieser Artikel gehört zur TGA-Themenseite Wasserstoff

Die Farben des Wasserstoffs:

Grauer Wasserstoff wird aus fossilen Brennstoffen gewonnen. In der Regel wird bei der Herstellung Erdgas unter Hitze in Wasserstoff und CO2 umgewandelt (Dampfreformierung). Das CO2 wird anschließend ungenutzt in die Atmosphäre abgegeben. Bisweilen wird grauer Wasserstoff der über die Vergasung von Kohlen hergestellt wird auch als brauner Wasserstoff bezeichnet.

Blauer Wasserstoff ist grauer Wasserstoff, dessen CO2 bei der Entstehung jedoch abgeschieden und gespeichert wird. Das bei der Wasserstoffproduktion erzeugte CO2 gelangt so nicht in die Atmosphäre und die Wasserstoffproduktion kann bilanziell als CO2-neutral betrachtet werden.

Türkiser Wasserstoff ist Wasserstoff, der über die thermische Spaltung von Methan (Methanpyrolyse) hergestellt wurde. Anstelle von CO2 entsteht dabei fester Kohlenstoff. Voraussetzungen für die CO2-Neutralität des Verfahrens sind die Wärmeversorgung des Hochtemperaturreaktors aus erneuerbaren Energiequellen, sowie die dauerhafte Bindung des Kohlenstoffs.

Weißer Wasserstoff ist Wasserstoff aus natürlichen Vorkommen.

Grüner Wasserstoff wird durch Elektrolyse von Wasser hergestellt, wobei für diese Wasserelektrolyse ausschließlich Strom aus erneuerbaren Energien zum Einsatz kommt. Dann ist der Produktionsprozess unabhängig von der gewählten Elektrolysetechnologie CO2-frei.

Roter, pinker und gelber Wasserstoff wird ebenfalls durch Elektrolyse von Wasser hergestellt. Die nur selten verwendeten Kennzeichnungen Rot und Gelb beziehen sich auf den verwendeten Strom: Strommix bzw. Strom aus Kernkraftwerken. Teilweise wird der „nuklear“ erzeugte Wasserstoff als pinker Wasserstoff bezeichnet.  

Bisher noch ohne Farbe: Photosynthetischer Wasserstoff. Die direkte solare Wasserspaltung, sie entspricht dem ersten Schritt der natürlichen Photosynthese, gelingt bereits im Labor, beispielsweise mit Tandem-Solarzellen aus III-V-Halb­leitern mit Rhodium-Nanopartikeln und kristallinem Titandioxid. Eine weitere Option ist die photosynthetische Gewinnung von Wasserstoff mithilfe von Bakterien