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Entlastungspaket

Ampel will Ausstieg aus Öl- und Gas-Heizungen

Dan Race – stock.adobe.com

Der Koalitionsausschuss vom 23. März 2022 hat ein Entlastungspaket beschlossen, das an vielen Stellen auch Relevanz für die TGA- und Baubranche hat. Es dürfte vor allem die Wärmewende im Heizungskeller durch eine Technologiewende beschleunigen.

Kompakt zusammengefasst
■ Aufgrund der hohen Energiekosten und der Abhängigkeit von Energieimporten aus Russland will die Ampel den im Koalitionsvertrag vorgesehenen Mindestnutzungsanteil von 65 % erneuerbare Energien bei jeder neu eingebauten Heizung um ein Jahr auf den 1. Januar 2024 vorziehen.
■ Um das zu flankieren, soll es ein „Gaskesselaustauschprogramm“ und eine „große Wärmepumpen-Offensive“ geben.
■ Eine weitere Offensive soll Energieeinsparungen und niedriginvestive Maßnahmen (z. B. intelligente Thermostate, Hydraulischer Abgleich älterer Heizungsanlagen) anregen.
■ Über eine Novelle des Gebäudeenergiegesetzes soll der Effizienzstandard 55 im Neubau ab dem 1. Januar 2023 als Mindeststandard verbindlich festgelegt werden.

 
Nach einem Verhandlungsmarathon hat der am 23. März gestartete Koalitionsausschuss am 24. März 2022 ein 6-seitiges Papier als „Maßnahmenpaket des Bundes zum Umgang mit den hohen Energiekosten“ vorgelegt (Download: www.bit.ly/tga1423).

Neben dem in der öffentlichen Berichterstattung breit aufgegriffenen Kapitel „Bürgerinnen und Bürger entlasten“ mit Energiepreispauschale, Familienzuschuss, Einmalzahlung für Transferleistungsempfänger, Absenkung der Energiesteuer auf Kraftstoffe für 3 Monate und einem 9-Euro/Monat-für-90-Tage-ÖPNV-Ticket enthält das Kapitel „Verbrauch senken und Energieeffizienz steigern“ mehrere Maßnahmen, die unter anderem TGA-Planer, SHK-Betriebe, Energieberater und die Heizungsindustrie betreffen:

65-%-Klausel für erneuerbare Energien

Das Entlastungspaket will die im Ampel-Koalitionsvertrag enthaltene 65-%-Klausel für erneuerbare Energien um ein Jahr vorziehen: „Wir werden jetzt gesetzlich festschreiben, dass ab dem 1. Januar 2024 möglichst jede neu eingebaute Heizung zu 65 % mit erneuerbaren Energien betrieben werden soll.“ Vermutlich wird dies über das Gebäudeenergiegesetz erfolgen.

Mit „möglichst“ ist das etwas weicher als im Koalitionsvertrag formuliert, klar dürfte jedoch sein, dass sich in den nächsten Monaten und spätestens bis Herbst 2024 der Markt für Wärmeerzeuger drastisch verändern wird. Erdgas wird dann bei neu errichteten / modernisierten Anlagen nur noch in Hybrid-Heizsystemen eine Funktion für die Spitzenlast oder erhöhte Temperaturanforderungen übernehmen können. Wärmepumpen dürften ihre führende Rolle im Neubau dadurch stark ausbauen. Vermutlich wird es auch einen Schub bei Biomasse-Heizungen geben, zumindest für einige Zeit.

Nicht jeder Anlagenbetreiber und auch nicht jeder Heizungsfachbetrieb wird von der Umsetzung der 65-%-Klausel für erneuerbare Energien begeistert sein. Die Ampel-Koalition und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck argumentieren jedoch auch: „Dies soll Fehlinvestitionen verhindern, die nicht mit den Klimazielen vereinbar sind und insbesondere den Markthochlauf von Wärmepumpen voranbringen.“ Eine Einschätzung, die auch die vorherige Bundesregierung teilte und bereits lange vor dem starken Anstieg der Gaspreise zu dem Schluss kam: „Die heutige und künftige Investition in konventionelle Wärmeerzeuger ist unter gesamtwirtschaftlicher Betrachtung eine Fehlinvestition.“

Kesselaustauschprogramm

Gesetzliche Vorgaben wie eine 65-%-Klausel für erneuerbare Energien können Vorzieheffekte und Attentismus provozieren, wenngleich aktuell eine andere Ausgangssituation existiert. Die Ampel-Koalition will deshalb vorbeugen:

„Wir schaffen den Rahmen dafür, dass Eigentümerinnen und Eigentümer von Immobilien ihre über 20 Jahre alten Heizungsanlagen austauschen und werden dazu im Bundesprogramm effiziente Gebäude (BEG) das Gaskesselaustauschprogramm optimieren. Hierzu werden wir bei Industrie, Handwerk und Privathaushalten eine große Wärmepumpen-Offensive starten.“

Ein optimierungsfähiges, offizielles „Gaskesselaustauschprogramm“ existiert auf Bundesebene nicht. Konkreter wird es im „Fortschrittsbericht Energiesicherheit“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz vom 25. März 2022: „Wir finanzieren ein Austauschprogramm von Gasheizungen zu Wärmepumpen.“

Was für die „große Wärmepumpen-Offensive“ geplant ist, führt das Entlastungspaket-Papier nicht aus. Im Juni 2021 wurde ein Entwurf für das aufgrund des Verfehlens des Klimaziels notwendige „Sofortprogramm im Gebäudesektor“ durchgestochen. Die darin genannte, aber schlussendlich nicht realisierte Sonder-Förderung für Wärmepumpen im Bestand sah vor: „Elektrische Wärmepumpen werden als wichtigste, zukunftsfähige Wärmetechnologie im Gebäudebestand in den nächsten Jahren bis 2025 besonders gefördert.“

Geringinvestive Maßnahmen

Gespannt darf man auch auf eine weitere Offensive aus dem Entlastungspaket sein: „Die Bundesregierung startet eine breit angelegte Kampagne, die bei Bürgerinnen und Bürgern sowie bei der Wirtschaft für Energiesparen wirbt und auch niedriginvestive Maßnahmen (z. B. intelligente Thermostate, Hydraulischer Abgleich älterer Heizungsanlagen) durch Förderung und wo angezeigt und sinnvoll durch Vorgaben ermöglicht.“

Hoffentlich ist jetzt endlich die Zeit dafür reif. Entsprechende Initiativen gab es in der Vergangenheit genug, sogar Fördertöpfe im Überfluss. Genützt haben sie wenig. Das mit kurzen Amortisationszeiten erschließbare Einsparpotenzial ist allerdings erheblich.

Robert Habeck: „Fehlinvestitionen verhindern, die nicht mit den Klimazielen vereinbar sind.“

Urban Zintel

Robert Habeck: „Fehlinvestitionen verhindern, die nicht mit den Klimazielen vereinbar sind.“

Effizienzstandard 55 im Neubau

Mit einer Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) noch in diesem Jahr soll der Effizienzstandard 55 im Neubau ab dem 1. Januar 2023 als Mindeststandard verbindlich festgelegt werden.

Da dafür mutmaßlich das Datum der Bauantragstellung oder der Antrag auf Zustimmung oder die Bauanzeige relevant sein dürften, ist es durchaus denkbar, dass sich einige Bauherren noch den aktuellen GEG-Standard „sichern“ wollen und Planungsbüros entsprechende Anfragen erhalten.

Bisher sieht der Ampel-Koalitionsvertrag vor, im GEG die Neubau-Standards zum 1. Januar 2025 an den Effizienzhaus-40-Standard anzugleichen. Aussagen zur momentan in der BEG ausgesetzten Förderung energieeffizienter Neubauten sind im Entlastungspaket nicht enthalten. „Für die Neuaufnahme der Förderung für EH40 (gedeckelt auf 1 Mrd. Euro in der Laufzeit bis Ende 2022) laufen noch die Gespräche. Das Konzept wird zeitnah präsentiert“, so das Wirtschaftsministerium Mitte Februar 2022.

Nachtrag: Ab dem 20. April 2022 können bei der KfW wieder Förderanträge für den Neubau von Effizienzhäusern / Effizienzgebäuden 40 (EH/EG40) gestellt werden. Weitere Informationen

Weiterentwicklung der BEG (Neubau)

„Wir werden die Fördersätze des Bundesprogramms für effiziente Gebäude (BEG) weiterentwickeln, indem diese konsequent an den Treibhausgas-Emissionen pro m2 Wohnfläche sowie Lebenszykluskosten bemessen werden. Wir prüfen zudem, in welcher Form das Qualitätssiegel Nachhaltiges Gebäude in der Neubauförderung Berücksichtigung finden kann.“

Ähnliches war bereits im Koalitionsvertrag angekündigt: „Im Rahmen des Klimaschutzsofortprogramms führen wir 2022 nach dem Auslaufen der Neubauförderung für den KfW-Effizienzhausstandard 55 (EH 55) ein Förderprogramm für den Wohnungsneubau ein, das insbesondere die Treibhausgas-Emissionen (THG-Emissionen) pro m2 Wohnfläche fokussiert…“

Gebäudebestand

Für den Gebäudebestand sind im Entlastungspaket mehrere Punkte genannt:

● „Im Koalitionsvertrag haben wir vereinbart, die Einführung einer Teilwarmmiete zu prüfen. Im Zuge dieser Reform werden wir besondere Vorkehrungen für derjenigen Mieterinnen und Mieter treffen, deren Wohnungen Mindesteffizienzstandards nicht erfüllen.“

● „Wir wollen den besonders ineffizienten Gebäudebestand im Sinne der EU-Vorgaben vorrangig sanieren (‚worst first‘).“

● „Wir wollen Planungssicherheit bei der Gebäudesanierung für alle Antragstellerinnen und Antragsteller und werden deshalb im Zusammenspiel von Programmgestaltung und Finanzierung sicherstellen, dass die Programme auskömmlich sind und Förderstopps möglichst vermieden werden. Wir werden die Programme zeitnah überprüfen und Überförderung ausschließen.“

Man darf gespannt sein, mit welcher Geschwindigkeit jetzt die Maßnahmen detailliert und rechtlich verankert werden. Ein Großteil war ohnehin von Robert Habeck für sein Osterpaket vorgesehen. Bezüglich des Wärmepumpen-Rollouts könnte man einen wichtigen Punkt vermissen: Der Wegfall der EEG-Umlage ab 1. Juli 2022 war bereits Bestandteil des Entlastungspakets des Koalitionsausschusses vom 23. Februar 2022. JV

Im Kontext:
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