Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch
Zebau Effiziente Gebäude 2020

Mit Gebäudemodernisierung die Klimaziele für 2050 erreichen

Teilnehmer des kompletten Effiziente-Gebäude-2020-Gesamtprogramms saßen lange 30 Stunden und 25 Minuten vor ihren Bildschirmen und stellten viele Fragen per Chat; im Gegenzug erhielten sie herstellerneutrale Informationen mit hohem Praxisbezug sowie 25 Fortbildungspunkte. Verstärkt wurde dies noch durch das begleitende virtuelle Austellerforum, in dem 13 Unternehmen ihre Produkte und Dienstleistungen rund um effiziente Gebäude präsentierten.

Die Zebau-Tagung befasste sich rund ein Drittel der Zeit mit Gebäudetechnik-Themen, meist zur Energieeffizienz. Die Veranstaltung lebte von Praxisbeispielen und Erfahrungsberichten, beispielsweise stellte Sebastian Dietz, Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin, im Seminar „Gebäudetechnik unter der Lupe: Was Anlagensysteme heute leisten können“ für das „degewo Zukunftshaus in Berlin“ (Sanierung von 64 Wohneinheiten bis 06/2017) die Ergebnisse aus dem technischen Gebäudemonitoring vor:

Als Schlagworte zur Technik sind zu nennen: Sehr guter Wärmeschutz der Gebäudehülle, dezentrales mechanisches Lüftungssystem mit Wärmerückgewinnung, Stromspeicherung in Batterien, Erdwärmespeicher, Photovoltaik, Wärmepumpe, Deckenstrahlungsheizung.

Das Monitoring wurde über zwei Jahre von der HTW vorgenommen und wies eine über 70%ige Reduktion des Endenergieverbrauchs nach. Die Analyse der Messdaten verdeutlichte jedoch auch, dass viele Energiebedarfs- und prognostizierte Effizienzkennwerte ohne Nachjustierung nicht eingehalten wurden, was die Notwendigkeit eines Monitorings belegte.

Klimaneutral bauen

Bild 2 Notgedrungen nur online aber alles andere als eine Notlösung. ZEBAU-Geschäftsführer Peter-M. Friemert moderierte unter anderem die Abschlusstagung der Effiziente Gebäude 2020.

Zebau

Bild 2 Notgedrungen nur online aber alles andere als eine Notlösung. ZEBAU-Geschäftsführer Peter-M. Friemert moderierte unter anderem die Abschlusstagung der Effiziente Gebäude 2020.

Insgesamt neun Online-Seminare diskutierten die Themen Klimaschutz, Kommunen, Modernisierung, Neubau, Gebäudetechnik, erneuerbare Energien, Nichtwohngebäude, Holzbau sowie nachhaltige Baustoffe und gipfelten in der Abschlusstagung mit einem Rückblick auf die Online-Seminare, einer Vertiefung inhaltlicher Höhepunkte und einer Bewertung der Wirkung der digitalen Veranstaltung.

Thomas Rühle vom Öko-Zentrum NRW stellte die Preisträger des Bundespreises „Umwelt & Bauen“ vor. Vier Preise und sieben Anerkennungen wurden in den Kategorien Wohngebäude, Nichtwohngebäude und Quartiere verliehen (Bild 1).

Der Anteil der Sanierungsprojekte an den 81 Bewerbern vom April 2020 und damit auch an den Gewinnern vom September 2020 war geringer als erhofft. In der Diskussion stellte Prof. Benjamin Krick, Passivhaus Institut und Hochschule Darmstadt, fest, dass Leuchttürme aber nicht der Mainstream ausgezeichnet wurden. „Deutschland könnte viel weiter sein, wenn es die EU-Forderungen konsequenter umsetzen würde.“

In seinem eigenen Vortrag „Aktiv, passiv oder beides? So kann die Energiewende gelingen“ gab Krick eine kurze Antwort: „Beides!“ Am Sanierungsbeispiel eines Wohnhauses Baujahr 1975 wies er nach, wie man es am besten klimaneutral machen kann. Exkurse, beispielsweise zu Biomasse und Strom aus regenerativen Energien, vertieften das nötige Wissen.

Besonders seine „Daumenregeln“, etwa zu Photovoltaik-Anlagenkosten „Je größer die Anlage, umso preisgünstiger.“ oder zum Energie-Optimum „Beim wirtschaftlichem Optimum mache ich in Sachen Graue Energie nichts falsch.“ ermöglichen einen direkten Transfer der Vortragsinhalte in die Praxis. Mehr Effizienz ist sinnvoll, weil wirtschaftliches und energetisches Optimum bei höheren thermischen Qualitäten als durch den Gesetzgeber gefordert liegen. Die Gewinnung von Energie im Gebäude ist notwendig, um die Energieversorgung zu dekarbonisieren.

Energieeffiziente Gebäude im Fokus

Bild 3 Auf dem Dach verlegte Lüftungsrohre beim Projekt Strandkai, Hafencity Hamburg.

Zebau / Vallox

Bild 3 Auf dem Dach verlegte Lüftungsrohre beim Projekt Strandkai, Hafencity Hamburg.

Im Themenblock „Energieeffiziente Gebäude – Fokus Hamburg“ berichtete Dr. Peter Krämer, Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, über klimaneutrale Gebäude in Hamburg. Seit Februar 2020 gibt der Klimaplan „Hamburg Climate Smart City“ als Ziele vor: Minus 55 % CO2-Emissionen bis 2030 im Vergleich zu 1990 und mindestens 95 % weniger CO2 mit einem überproportionalen Beitrag durch Gebäude bis 2050.

Stefan Wirth, Renner Hainke Wirth Zirn Architekten, referierte über energieeffiziente Projekte seines Hauses in Hamburg. Ein Schwerpunkt lag auf den „Drei Schwestern“-Häusern mit 37 Wohnungen und einer Kita in Hamburg-Harburg nach KfW-55-Standard mit einer im Keller positionierten Luft/Wasser-Wärmepumpe (noch in Planung). Er wünschte sich mehr Unterstützung aus der Politik für solche Projekte.

Im gleichen Block stellte Andreas Thoms, Vallox, die gebäudezentrale Wohnraumlüftung im Projekt Strandkai, Hafencity Hamburg (Bild 3), vor, mit der einzelne Wohnungen oder Büros unabhängig voneinander versorgt werden können. Mit einer Drohne wurde die Verlegung der Rohre auf das Dach projiziert und dann umgesetzt. Die Rohre liegen auf dem Dach auf Trägerstützen, um eine genaue Zuführung zu den Verteilern zu gewährleisten. Im Baufeld 56/57 Nord-Süd zwischen den zwei Türmen kommen sogenannte Vario-Geräte mit Volumenströmen von 650 bis 3800 m3/h zum Einsatz, die stehend und an der Decke montierbar sind. Die Zu- und Abluft-Seite kann noch auf Baustelle festgelegt werden.

Dezentral kombiniert eine „Flatbox“ Volumenstromregler, Druckmessung, Schalldämpfer und Steuerung. Dort werden je bis zu sechs Zu- und Abluftrohre angeschlossen. Die Rohre sind innen glatt und antibakteriell beschichtet, sodass innerhalb der Wohnung keine Reinigung erforderlich wird. Die Flatbox spart Platz in der Wohnung und kann wenig störend positioniert werden; der Zugriff erfolgt via Laptop. Jede Wohnung wird so trotz zentralem Lüftungsgerät individuell einstellbar.

Bild 4 Lochblende in der Fassade beim Studenthus Valla, Linköping.

Zebau / Arkitekt SAR/MSAk

Bild 4 Lochblende in der Fassade beim Studenthus Valla, Linköping.

Energieeffizientes Bauen im Ausland

Im letzten Themenblock wurde „Über den Tellerrand – energieeffizientes Bauen in Schweden, Österreich und Belgien“ geschaut. Primärenergiereduktion ist in Schweden ein Wert an sich. Marja Lundgren und Barbara Vogt, Arkitekt SAR/MSA aus Stockholm, präsentierten ihr Studenthus Valla mit Bibliothek / Versammlungsstätte und Restaurant / Cafe. 2019 erhielt das Gebäude die höchste Zertifizierung Gold im schwedischen System Miljöbyggnad für die Gesamtleistung von fünfzehn Kriterien in den Bereichen Gesundheit, Komfort, Nutzerzufriedenheit und Energieeffizienz.

Eine 1200 m2 große PV-Anlage auf dem Dach liefert rund 25 % des Betriebsstroms. Die Fassaden wurden parametrisch entwickelt. Zwei Fenster übereinander geben viel Tageslicht bei besserem U-Wert. Die Lochblende in der Fassade reduziert den Bedarf an beweglichem Sonnenschutz um 50 % (Bild 4). Büros im Norden reduzieren den Kühlbedarf weiter.

Harald Konrad Malzer, Neue Heimat Tirol Gemeinnützige WohnungsGmbH, Innsbruck/Österreich, präsentierte die „Smart City Wörgl – Vision wird Wirklichkeit“. Der Ort mit knapp 50 000 Einwohnern liegt ca. 55 km nordöstlich von Innsbruck nahe der Inntal-Autobahn und nutzt Fernwärme aus der Abwärme einer Molkerei. Die Siedlung wurde und wird als überregionales Vorbild zu höchster Lebensqualität weiterentwickelt.

Bild 5 Salzwasserbatterie in einem Keller in der Smart City Wörgl.

Zebau / Neue Heimat Tirol

Bild 5 Salzwasserbatterie in einem Keller in der Smart City Wörgl.

In fünf Baustufen werden auf 27 000 m2 neue Gebäude im Passivhaus-Standard mit 360 Wohnungen errichtet bzw. saniert. Im November 2019 wurde die erste Baustufe übergeben. Bei der Planung der Häuser wurde thermische 3D-Gebäudesimulation eingesetzt. Erprobte Technologien, wie die Salzwasserbatterie Greenrock (Bild 5) als 40-kWh-Stromspeicher und eine Wärmepumpe, die die Abwärme des Technikraumes nutzt, wurden kombiniert, intelligent verknüpft, adaptiert und demonstriert.

Der letzte Sprecher des Tages, Heinz Thurik von Züblin Timber, kämpfte als Einziger mit der Bandbreite – und verlor, was sein sehenswertes Projekt „Gare Maritime – Moderner Holzbau belebt ehemals größten Güterbahnhof Europas“ in Brüssel nicht verdient hatte. 2018/19 wurde der Bahnhof in einen Büro-, Einkaufs-, Gastronomie- und Veranstaltungskomplex umgewandelt. Züblin Timber verantwortete die Holz-Konstruktion der viergeschossigen Gebäude.

Der Bau wurde 40 Wochen später als geplant fertig – wegen einer ausgedehnten, aber lohnenswerten Planungsphase. In dem BIM-Projekt wurden alle Gewerke in 3D-Modellen dargestellt und zusammengefügt. Beim Durchlauf wurden 1000 Kollisionen identifiziert, z. B. „Rohr trifft Durchbruch nicht“. Jede Auffälligkeit musste händisch durch Gespräche aufgelöst werden. Das komplett mit Sprinkleranlage ausgerüstete Gebäude ist im 60-cm-Doppelboden „vollgestopft mit Technik“.

Weitere Infos und der Tagungsband zur Effiziente Gebäude 2020: www.effizientegebaeude.de

Dieser Artikel erschien zuerst in der Heftausgabe 02-2021 des TGA Fachplaner unter dem Titel „Gebäude müssen Energie gewinnen“ von Dipl.-Ing. (TU) Undine Stricker-Berghoff CEng MEI VDI.

Das könnte Sie interessieren: 

Recycling von Bau- und Ausbaumaterialien

„Future Living Berlin“: CO2 reduzieren und Energie sparen im Quartier

Energiekonzept mit Eisspeicher:  Heizen und kühlen mit Eis