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Brandschutz unter allen Umständen regelgerecht (Teil 2)

Dokumentation bei Abweichungen vom Verwendbarkeitsnachweis

Kompakt informieren

  • Der Hersteller einer Rohrabschottung – in der Regel ist dies der Installateur – darf diese mit „nicht wesentlichen Abweichungen“ von den nationalen Verwendbarkeitsnachweisen abP, abZ oder ZiE erstellen.
  • Dass die Abweichung nicht wesentlich ist, muss er bewerten und dokumentieren und übernimmt mit seiner Übereinstimmungsbestätigung/-erklärung die Verantwortung.
  • Anwendungen, die vom Hersteller der Bauart (Installateur) gegebenenfalls als nicht wesentlich eingeschätzt und dokumentiert werden können, sind insbesondere Einbauvarianten, die schon positiv geprüft sind und deren Aufnahme in den Verwendbarkeitsnachweis bereits beantragt ist.
  • Verwendbarkeitsnachweise können von ihrem Inhaber (System-Hersteller) nicht durch Gutachten erweitert werden, dafür gibt es keine Rechtsgrundlage.
  • Beim europäischen Nachweis ETA ist eine „nicht wesentlichen Abweichung“ nicht vorgesehen und damit auch nicht zulässig.

Ein kurzer Rückblick: Die richtige Dokumentation von Rohrabschottungen sind für Bauherren, Betreiber, Architekten und Planer von großer Bedeutung, denn sie haben meist keine Gelegenheit, sich von der korrekten Ausführung jeder einzelnen Abschottungsmaßnahme zu überzeugen oder es fehlt ihnen an den notwendigen Fachkenntnissen. Sie sollten sich vor der baulichen Ausführung und Umsetzung von Rohrabschottungen daher die Verwendbarkeitsnachweise (abP, abZ oder ZiE) vorlegen lassen. Dazu sind die ausführenden Firmen verpflichtet. Nach Abschluss der Arbeiten sind vom ausführenden Unternehmen die entsprechenden Übereinstimmungsbestätigungen oder -erklärungen zu erstellen und zu übergeben.

Für den Bauherren, Betreiber, Architekten bzw. Planer wird auf diese Weise dokumentiert, dass alle Rohrabschottungen (Bauarten) entsprechend ihrer Verwendbarkeitsnachweise erstellt und die entsprechenden Bauprodukte dafür verwendet wurden.

Nicht wesentliche Abweichungen

Weitere Regelungen zum Übereinstimmungsnachweis ergeben sich aus den Bauordnungen, basierend auf § 22 der Musterbauordnung (MBO). Hier wird geregelt, dass nicht wesentliche Abweichungen ebenfalls als Übereinstimmung gelten, wenn sie entsprechend bestätigt und bescheinigt sind. Der Wortlaut „nicht wesentliche Abweichung“ findet sich in den deutschen Bauordnungen bei den Regelungen zum Übereinstimmungsnachweis und kann bei Bauprodukten und Bauarten mit Zulassung, Prüfzeugnis oder Zustimmung im Einzelfall angewendet werden:

„Eine nicht wesentliche Abweichung ist eine Abweichung von einer durch einen Verwendbarkeitsnachweis beschriebenen Konstruktion, die keinen so negativen Einfluss auf die Feuerwiderstandsfähigkeit der Konstruktion hat, dass sich die Feuerwiderstandsklasse der Konstruktion verschlechtert.“ (J. E. Pennings; Dezernatsleitung Brandverhalten von Bauteilen, Brandprüfzentrum Erwitte)

Die Grenzen für eine nicht wesentliche Abweichung sind somit eng gesteckt. Der Hintergrund: Der Brandschutz und die Erreichung der brandschutztechnischen Schutzziele müssen in jedem Fall sichergestellt sein.

In der Verantwortung

Nach § 22 MBO ist für die Erstellung und Bestätigung einer nicht wesentlichen Abweichung einzelner Bauprodukte der Hersteller der Bauprodukte verantwortlich.

Die Rohrabschottung an sich ist jedoch eine Bauart, die sich meist aus mehreren Bauprodukten zusammensetzt; beispielsweise dem Rohrsystem, Befestigungen, Dämmungen, Brandschutzmaterialien, dem Verschluss möglicher Restspalte und mehr. Für die Bestätigung der Übereinstimmung, Erstellung und Bestätigung einer nicht wesentlichen Abweichung der Bauart ist auch hier der Hersteller – und zwar der Hersteller der Bauart – verantwortlich. Dies ist in der Baupraxis meist der Installateur.

Als Orientierung dient dem Installateur dabei der Verwendbarkeitsnachweis, in dem die Bauart beschrieben ist, also ein allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis (abP), eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (abZ) oder eine Zustimmung im Einzelfall (ZiE). Ist eine 100%ige Ausführung nach Verwendbarkeitsnachweis nicht möglich, sollte der Ausführende stets Bedenken anmelden und darauf hinweisen, dass hier eine in aller Konsequenz regelkonforme Ausführung nicht möglich ist. Dabei sollten die notwendigen Abweichungen präzise beschrieben und schriftlich festgehalten werden. Anschließend ist zu klären, ob diese Abweichungen „wesentlich“ oder „nicht wesentlich“ sind.

Im Rahmen weiterer Vereinbarungen, zum Beispiel im zugrunde liegenden Werkvertrag, kann es möglich sein, dass auch „nicht wesentliche Abweichungen“ generell nicht zulässig sind! Dies ist also vorher zu prüfen.

Anwendungen, die gegebenenfalls vom Hersteller der Bauart als nicht wesentlich eingeschätzt und dokumentiert werden können, sind zum Beispiel Einbauvarianten, die schon positiv geprüft sind und deren Aufnahme in den Verwendbarkeitsnachweis bereits beantragt ist. Ein Beispiel dafür zeigt Abb. 2. Auf dieser Basis kann der Hersteller der Bauart – hier: der Installateur – seine Abweichung vom Verwendbarkeitsnachweis (hier: abP Viega P-2400/003/15-MPA BS: „Rohrleitung wird nicht deckenoberseitig mit 1000 mm Mineralwollschale RW 800 gedämmt, wie in Anlage 1 des abP beschrieben, sondern die Dämmung endet an der Deckenoberseite, ist jedoch insgesamt 2000 mm lang“) beurteilen und bewerten. Auch der Einbau der Viega-Rohrleitungssysteme im Nullabstand zum Geba-AVR oder Wildeboer-TS-18-Deckenschott Abb. 3 kann so beurteilt, bewertet und bestätigt werden.

Der Hersteller bleibt der Hersteller

Zusätzlich ergeben sich im eng gesteckten Rahmen der nicht wesentlichen Abweichung vom Verwendbarkeitsnachweis neue Möglichkeiten in der Bauausführung und Umsetzung. Da es oftmals mehrere Jahre dauert, bis erfolgreich geprüfte Lösungen im Verwendbarkeitsnachweis aufgenommen werden, ist die Ausführung und Bewertung als „nicht wesentliche Abweichung“ ein möglicher Weg, um zu einem einwandfreien Verwendbarkeitsnachweis zu kommen:

Wenn der Hersteller der Bauart „Rohrabschottung“ (hier: der Installateur) Hilfe bei der Einschätzung seiner Abweichung benötigt, kann er sich an den Inhaber des Verwendbarkeitsnachweises oder an eine entsprechend anerkannte Prüfstelle wenden. Die tatsächliche Bestätigung der Übereinstimmung, auch mit nicht wesentlichen Abweichungen, kann und darf nach § 22 MBO aber auch dann nur der Hersteller der Bauart – hier wiederum: der Installateur – treffen.

Somit ist ein Schreiben des Inhabers des Verwendbarkeitsnachweises (Produkthersteller), eines Gutachters, eines Sachverständigen oder auch einer Prüfstelle, das mit dem Tenor endet „Wir bewerten die Abweichung bei der Ausführung als nicht wesentlich“ rein formal völlig wertlos. Dafür gibt es keine Rechtsgrundlage! Der Bauherr oder sein Vertreter muss also streng darauf achten, wer hier was bescheinigt und bestätigt. Solche Schreiben, Gutachten, Bestätigungen dürfen in diesem Kontext also nur als Orientierung und Unterstützung verstanden werden.

Gutachten erweitern nicht!

Zum Thema gutachterliche Aussagen, die ein Prüfzeugnis, eine Zulassung oder auch eine Zustimmung im Einzelfall erweitern sollen, hat das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) im Mai 2013 eindeutig Stellung bezogen und damit die Sichtweise der obersten Bauaufsichten definiert:

„Die Fachkommission Bautechnik stellt […] fest, dass die Bauordnungen der Länder weder eine Rechtsgrundlage dafür enthalten, allgemeine bauaufsichtliche Prüfzeugnisse auf Basis von Gutachten zu erteilen noch diese durch ein solches zu erweitern. Daher kann auch die in der nach § 22 Musterbauordnung (MBO) zwingend geforderte Übereinstimmungsnachweis nur auf Basis des allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnisses, nicht aber auf Basis von Gutachten geführt werden.“

Hersteller, die Gutachten zur Erweiterung ihres Verwendbarkeitsnachweises nutzen, um beispielsweise auch Nullabstände verschiedener Leitungssysteme realisieren zu können, machen dies also eindeutig ohne Rechtsgrundlage. Für den Nutzer und Anwender bedeutet das in aller Konsequenz: Der Verwendbarkeitsnachweis über diese Bauart ist nicht sicher. Im Schadenfall werden so die Planer und Installateure in die Pflicht genommen.

Zustimmung im Einzelfall

Ist der Weg über die nicht wesentliche Abweichung nicht möglich, weil etwa die entsprechenden Prüfungen noch nicht erfolgreich nachgewiesen wurden oder Unsicherheit herrscht, bleibt nach Bauordnung immer noch die Zustimmung im Einzelfall (ZiE), um eine geplante (notwendige) Bauausführung zu legitimieren. Die Zustimmung im Einzelfall kann nur von der jeweils obersten Bauaufsicht des Bundeslandes, in dem das Bauwerk erstellt werden soll, erteilt werden. Wird diese erteilt, dann ist sie entsprechend dem Verfahren bei Zulassungen zu dokumentieren und zu kennzeichnen.

Es empfiehlt sich dringend, vor der Ausführung von Installationen, die möglicherweise nur über die Zustimmung im Einzelfall zu legitimieren sind, mit der obersten Bauaufsicht Kontakt aufzunehmen. Die obersten Bauaufsichten beziehen in ihre Entscheidungen über die Erteilung einer ZiE in der Regel Bewertungen und Erfahrungen anerkannter Prüfstellen ein. Daher sollte schon im Rahmen der ersten Gespräche mit der obersten Bauaufsicht abgeklärt werden, ob und wenn ja welche Einschätzungen von welcher Prüfstelle in dem speziellen Anwendungsfall anerkannt und akzeptiert werden.

Zusammenfassend bleibt daher zu diesem Themenkomplex festzuhalten: Die Basis für den Verwendbarkeitsnachweis bei Rohrabschottungen bildet das Prüfzeugnis oder die Zulassung. Sind Abweichungen abzusehen, dann sollte dies rechtzeitig erörtert werden. Die Möglichkeiten der „nicht wesentlichen Abweichung“ können genutzt werden. Eine korrekte Dokumentation ist hierbei wichtig, um auch später die Verwendbarkeit der Abschottung belegen zu können. Hierbei spielt die Übereinstimmungsbestätigung/-erklärung eine zentrale Rolle Abb. 4.

European Technical Assessment ETA

Alternativ zum nationalen deutschen Nachweisverfahren können grundsätzlich auch Brandschutzlösungen mit europäischem Nachweis ETA (European Technical Assessment) bewertet und in den Verkehr gebracht werden. Für die Verwendung in Deutschland sind jedoch gegebenenfalls zusätzliche Bestimmungen zu beachten. Details dazu finden sich in der Liste der technischen Baubestimmungen (LTB).

In der Praxis müssen Planer und Installateure aber auch bei Brandschutzlösungen mit europäischem Nachweis auf einige risiko-behaftete Besonderheiten achten: So gibt es beispielsweise Inhaber von Verwendbarkeitsnachweisen für Abschottungen, die den Nachweis (ETA) nicht veröffentlichen, sondern lediglich eine Leistungserklärung und Ein-bauanleitung ausgeben. Meist ist jedoch die Leistungserklärung nicht aussagekräftig genug, welche Anforderungen das Produkt genau erfüllt oder wofür und wie es genau einzusetzen ist. Dies führt auf den Baustellen regelmäßig zu Diskussionen mit den Abnehmenden, denen im Ergebnis die Prüfgrundlage fehlt. Produkte und Bauarten, die nur nach diesen europäischen Standards (unvollständig) deklariert sind, sollten daher ohne eine auf der Baustelle vorliegende Bewertung (ETA) nicht eingesetzt werden. Der Planer oder der Ausführende bleiben in der Beweispflicht, dass das geplante oder verwendete Bauprodukt die objektspezifischen Anforderungen an den Brandschutz in allen Einzelheiten erfüllt.

Keine „ETA-Abweichungen“ möglich!

Ein zentrales Problem im europäischen Nachweisverfahren ist zudem, dass keine Abweichungen zum Nachweisdokument (ETA) zulässig sind. Das heißt, es muss 100%ig nach dem Dokument gebaut werden. Eine Lösung auf Basis einer „nicht wesentlichen Abweichung“ gibt es nicht, da diese Art des Nachweises (ETA) nicht unter den Übereinstimmungsnachweisen nach deutscher Bauordnung aufgeführt wird. Das kann in der Praxis zum Teil dramatische Auswirkungen haben und sollte bei der Auswahl von Brandschutzsystemen daher stets berücksichtigt werden.

Beträchtliche Auswirkungen hat diese Regelung im Übrigen auch für die Anbieter bestimmter Rohrleitungssysteme. Während sich für die notwendigen Prüfungen in Deutschland z. B. gemäß Prüfnorm DIN EN 1366 bei den Aluverbundrohren Gruppen bilden lassen, um mit einer Prüfung mehrere Hersteller nachzuweisen, gibt es in Europa solche Stellvertreterregelungen nicht. Der Umkehrschluss: Gerade im Bereich der brennbaren Rohre muss also jedes brennbare Rohr in jeder Dimension gesondert geprüft und in der ETA aufgeführt sein Abb. 5. Die Folge davon lässt sich an den aktuell am Markt verfügbaren Brandschutzlösungen mit ETA ablesen: Es gibt aktuell für keinen Rohrhersteller brennbarer Rohre wirklich durchgängige Abschottungslösungen für alle Rohrgrößen in den geforderten Bauteilen.

Der Planer oder Installateur weiß nun, wonach er sich zu richten hat und wie im Einzelfall vorzugehen ist. Bis er mit Brandschutzaufgaben im Gebäudebestand konfrontiert wird … Details dazu behandelt Teil 3 der Artikelserie in der TGA-Ausgabe 04-2016.

Markus Berger

Sachverständiger für baulichen und gebäudetechnischen Brandschutz (EIPOS), ist Leiter des Kompetenzbereichs Brandschutz bei Viega, 57439 Attendorn, www.viega.de