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Klimapaket

DMB: Vermieter sollen CO2-Kosten zu 100 % tragen

„Aus klimapolitischer Sicht macht die Umlage des CO2-Preises auf die Mieterinnen und Mieter keinen Sinn. Der energetisch veraltete Gebäudebestand muss zwar dringend saniert werden. Dafür müssen aber die Akteure adressiert werden, die über die Art der Beheizung entscheiden, also die Vermieter – und zwar zu 100 %“, hat Lukas Siebenkotten, Präsident des Deutschen Mieterbunds (DMB), anlässlich eines gemeinsamen Pressegesprächs am 07.01.2021 mit Bundesumweltministerin Svenja Schulze gefordert.

Zweck der CO2-Bepreisung fossiler Brennstoffe für den Gebäudebereich ist, Klimaschutzinvestitionen anzuregen und so „zur Erreichung der nationalen Klimaschutzziele, einschließlich des langfristigen Ziels der Treibhausgasneutralität bis 2050, und zur Erreichung der Minderungsziele nach der EU-Klimaschutzverordnung sowie zur Verbesserung der Energieeffizienz beizutragen [BEHG]“.

„Lenkungswirkung wird im Mietwohnbereich verfehlt“

Diese Lenkungswirkung werde im Mietwohnbereich jedoch völlig verfehlt, wenn die CO2-Kosten zu 100 % an den Mieter durchgereicht werden, kritisiert Siebenkotten. Im Gebäudebestand zahle der Mieter nach einer Sanierung über die Umlage der Modernisierungskosten bereits eine höhere Kaltmiete, völlig unabhängig von der Klimawirksamkeit der Maßnahmen. Selbst im teuren Neubau werde fast die Hälfte der Gebäude noch mit fossilem Gas beheizt – Mieter würden in beiden Fällen neben der oft höheren Miete dann auch noch den vollen CO2-Preis zahlen.

Siebenkotten: „Mieterinnen und Mieter werden durch die CO2-Umlage mehrfach bestraft. Schon jetzt sind die Heizkosten in einem energetisch schlechteren Haus im Schnitt mehr als doppelt so hoch wie in einem energetisch guten Haus. Die CO2-Bepreisung vergrößert diese Schere deutlich auf Kosten derjenigen Mieterinnen und Mieter, die sich keine Wohnung in einem ökologischen Haus mit klimafreundlicher Heizanlage leisten können.

Die geplanten Rückerstattungsmechanismen entlasten diese Gruppe nur ungenügend, da nicht per se alle Mieter und Mieterinnen in energetisch schlechten Gebäuden von einer gestiegenen Pendlerpauschale profitieren oder Wohngeld mit CO2-Zuschuss beziehen. Die geplante Begrenzung der EEG-Umlage reicht nicht aus, um die gestiegenen Heizkosten abzufedern.

Die Mietkostenbelastung ist für viele Haushalte immens. Infolge der Coronavirus-Krise und der damit verbundenen wirtschaftlichen Folgen ist von erheblichen Einkommensverlusten für Mieterinnen und Mieter auszugehen, wodurch die individuelle Mietbelastung weiter steigen wird. Die Bundesregierung muss endlich handeln und Mieterinnen und Mieter vor einer weiteren Kostenbelastung schützen. Das Limit ist für viele längst erreicht bzw. überschritten!“ f

Anmerkung: Um soziale Härten durch steigende Heizkosten im Rahmen der CO2-Bepreisung zu vermeiden, hatte die Bundesregierung im Klimaschutzprogramm 2030 angekündigt: Es „werden Änderungen im Mietrecht geprüft, die eine begrenzte Umlagefähigkeit der CO2-Bepreisung vorsehen. Dies führt zu einer doppelten Anreizwirkung: Für Mieter zu energieeffizientem Verhalten und für Vermieter zu Investitionen in klimaschonende Heizungssysteme bzw. energetische Sanierungen.“

Reaktionen

Haus & Grund Deutschland fordert, dass Mieter nach der Einführung eines CO2-Preises auf Gas und Heizöl weiterhin vollständig für ihre Heizkosten aufkommen müssen. Verbandspräsident Kai Warnecke: „Der CO2-Ausstoß beim Heizen wird ganz maßgeblich durch das Verbrauchsverhalten beeinflusst. Folglich muss der CO2-Preis auch bei den Mietern ankommen. Die Praxis zeigt immer wieder, dass nach energetischen Modernisierungen mehr statt weniger geheizt werde. Die Nutzer haben schlicht den Eindruck, dass sie sich dann wohligere Temperaturen leisten könnten. Der Vermieter ist somit der falsche Adressat, um hier Verhaltensänderungen per CO2-Preis zu bewirken.“

Außerdem werde es mit der konsequenten Umsetzung der im Klimaschutzplan 2030 angelegten Maßnahmen bereits zu einer Überkompensierung der Mehrkosten bei den einkommensschwachen Mieterhaushalten kommen. So würden Wohngeldbezieher ab diesem Jahr durch das Inkrafttreten einer CO2-Komponente im Wohngeld entlastet, um soziale Härtefälle zu vermeiden. Zudem würden mit der geplanten Absenkung der Stromkosten alle Mieterhaushalte entlastet.

Argumenten, Vermieter hätten bei einer Umlagefähigkeit der CO2-Kosten keine Sanierungsanreize, erteilte Warnecke eine Absage: „Die Anreize, in Heizsysteme ohne fossile Energien zu investieren, nehmen mit steigendem CO2-Preis sogar zu. Je teurer das Heizen wird, umso weniger werden Mieter Wohnungen mit hohen Heizkosten nachfragen wollen. Vermieter müssen energetisch sanieren, um weiterhin am Markt bestehen zu können.“

Die Bundesregierung wäre laut Warnecke allerdings gut beraten, einen Großteil der Einnahmen aus der CO2-Bepreisung in Form einer Kopfpauschale an die Bürger zurückgeben. Davon würden einkommensschwächere Haushalte relativ stärker profitieren, weil sie im Schnitt weniger CO2 als einkommensstarke Haushalte verursachen. Ergänzend könne der Staat einen Teil der höheren Miete nach Modernisierungen für die Mieter übernehmen.

 

Der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW hat den DMB-Forderungen ebenfalls eine Absage erteilt. GdW-Präsident Axel Gedaschko: „Einseitige Forderungen nach einem pauschalen Abwälzen der gesamten Kosten des CO2-Preises auf Vermieter sind schädlicher Wahlkampf-Populismus. Solche Vorschläge sind nicht nur ungerecht, sondern auch praxisuntauglich und verhindern, dass wir die Klimaziele erreichen können. Mehr Klimaschutz beim Wohnen gelingt nur, wenn die Kosten insgesamt gerecht verteilt werden.“

Bei Forderungen nach pauschalen Einschränkungen der Umlagefähigkeit der CO2-Kosten bleibe vollkommen unberücksichtigt, dass alle Mieter bereits durch eine Senkung der EEG-Umlage beim CO2-Preis ab 2022 deutlich entlastet werden.

Auch werde ignoriert, dass Wohngeldbezieher zielgerichtet für den CO2-Preis einen Zuschlag erhalten, der sie bis 2023 deutlich höher entlastet als belastet. Außerdem entfalte sich eine echte Lenkungswirkung des CO2-Preises im Gebäudebereich nur dann, wenn bei der Aufteilung der Kosten nach dem energetischen Zustand des Gebäudes differenziert wird.

Gedaschko: „Und viertens müssen Vermieter bei Gebäuden mit schlechtem energetischen Zustand mittelfristig ohnehin mehr als 50 % der CO2-Kosten übernehmen – deshalb brauchen wir bis dahin eine Karenzzeit, damit die Vermieter in dieser Zeit die Möglichkeit haben, die Wohnung in einen energetisch besseren Zustand zu bringen.“

Der GdW schlägt „statt platter Forderungen nach vermeintlich einfachen und angeblich gerechten Lösungen ein zielgenaues und differenziertes Herangehen je nach Gebäudezustand“ vor:

„In energetisch sanierten Gebäuden, in die Vermieterinnen und Vermieter bereits hohe finanzielle Summen investiert haben – konkret die Wohngebäude mit Effizienzklassen A+ bis C – müssen die Nutzer den CO2-Preis übernehmen. Denn in diesen Gebäuden ist der Energiebedarf durch die Sanierung bereits so gering, dass der individuelle Heizenergieverbrauch durch den Nutzer in der jeweiligen Wohnung erheblichen Einfluss hat. Vermieter würden durch eine Einschränkung oder Abschaffung der Umlagefähigkeit in energetisch sanierten Wohnungen massiv bestraft. Im Gegenzug würde eine begrenzte Umlagefähigkeit speziell für die Gebäude mit den höchsten Energieverbräuchen helfen, deren Energieverbrauch in den nächsten Jahren deutlich zu senken.“

Zudem argumentiert der GdW, dass zum Erreichen der hohen staatlich gesteckten Klimaziele massive finanzielle Investitionen notwendig sind. Es könne deshalb nicht sein, dass den Wohnungsunternehmen einfach die notwendigen finanziellen Mittel für die energetische Modernisierung ihrer Wohnungen teilweise oder gar komplett weggeschnitten werden.

 

Auch die Deutsche Energie-Agentur (dena) wirbt für eine angemessene Kostenverteilung zwischen Mietern und Vermietern. Mit dem Positionspapier Begrenzte Umlage der BEHG-Kosten – Investitionsanreize stärken hat die dena am 14. Januar 2021 einen Vorschlag für eine klima- und sozialpolitisch verträgliche Kostenverteilung vorgelegt. Für die angemessene Kostenbeteiligung von Mietenden und Vermietenden soll die Effizienzklasse der Immobilien herangezogen werden. Der Vorschlag zur sozialverträglichen Umlage des CO2-Preises zwischen Mieter und Vermieter beinhaltet auch einen komplexen legislativen Regelungsbedarf.

 

Offensichtlich hat die DMB/BMU-Aktion gewirkt: In den seit Monaten schwelenden Streit innerhalb der Bundesregierung über die Umlagefähigkeit der CO2-Bepreisung ist Bewegung gekommen. Gemeinsamer Nenner bei einem Treffen der Staatssekretären der fünf beteiligten Ministerien (drei SPD, zwei CDU) soll ein Modell analog des GdW-Vorschlags gewesen sein, bei dem der energetische Standard von Gebäuden Grundlage der Aufteilung der Kosten der CO2-Bepreisung zwischen Mietern und Vermietern ist.

Laut einer Spiegel-Meldung vom 12. Januar 2021 sieht der Kompromissvorschlag vor, dass bei guten energetischen Standards der Vermieter weniger als die Hälfte und bei schlechten energetischen Standards mehr als die Hälfte der CO2-Kosten tragen soll.

Eine begrenzte Umlagefähigkeit wird allerdings verwaltungstechnisch schwierig: Da die Brennstoffhändler zum Inverkehrbringen der Kraft- und Brennstoffe zuvor erworbene CO2-Zertifikate abgeben müssen, gehen die Kosten für den Erwerb der CO2-Zertifikate in den Energiepreisen auf. In welchem Umfang sie diese ab wann weitergeben ist ihnen selbst überlassen.

Spätestens mit dem Start der Versteigerung der Zertifikate ab 2027 (ab 2026 mit engem Preiskorridor) sind für einen konkreten Brennstoffeinkauf die Zusatzkosten für die CO2-Bepreisung nur noch über Mittelwerte abschätzbar. Die Ausweisung konkreter Kosten aufgrund der CO2-Bepreisung auf jeder Energierechnung ist kaum realistisch. Dies wäre nur mit einer CO2-Bepreisung analog zur Energiesteuer möglich (gewesen).

Siehe auch: Warmmiete macht CO2-Bepreisung mieterfreundlich