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Unvermeidbare Abwärme kann Gebäude in Wärmenetzen klimaneutral heizen. Besonders kontinuierliche Abwärmequellen wie Rechenzentren können wirtschaftlich nutzbar sein, da der Systemwert höher sein könnte als die Kosten der Erschließung.
Klimaneutrale Wärmequellen sind für die Wärmewende essenziell. Unvermeidbare Abwärme aus Industrie, Rechenzentren oder Elektrolyseuren ist eine in Wärmenetzen bisher oft ungenutzte Ressource. Dabei kann sie in neuen Fernwärmenetzen einen Systemwert von 1,9 bis 3,3 Ct/kWh Abwärme haben, zeigt eine EWI-Analyse. Der Systemwert ist ein Maß für das Kosteneinsparpotenzial. In Bestandsnetzen liegt der Systemwert mit 3,1 bis 4,6 Ct/kWh noch höher.
Für die untersuchten Abwärmeprofile „Industrie“ und „Rechenzentrum“ ergeben sich hohe Systemwerte, für das Profil „Elektrolyse“ etwas niedrigere. Dem Systemwert stehen Kosten zur Erschließung der Abwärme gegenüber, die je nach Temperaturniveau(bedarf) und Auslastung stark variieren. Dadurch kann Abwärme aus der Industrie vor allem in Bestandsnetzen wirtschaftlich sein. In Neubaunetzen ist vor allem Abwärme aus Rechenzentren wirtschaftlich.
In der Analyse „Abwärmenutzung in Fernwärmenetzen – Modellgestützte Analyse des Systemwerts exemplarischer Abwärmeprofile“ hat ein Team des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität zu Köln (EWI) Kosten und Nutzen verschiedener Abwärmequellen untersucht. Dabei wurden mit dem EWI-eigenen Fernwärmemodell DINO drei exemplarische Abwärmeprofile Industrie, Rechenzentren und Elektrolyseure untersucht. Der Systemwert der Abwärme entspricht dem Anteil der Kosten des Wärmenetzes, die durch die Nutzung der Abwärme im Wärmenetz eingespart werden könnten. Die Analyse wurde durch die „Förderinitiative Wärmewende“ der Gesellschaft zur Förderung des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität zu Köln gefördert.
Systemwert sinkt mit steigender Abwärmemenge
Der Systemwert der Abwärme für das Energiesystem hängt davon ab, welche Technologien zur Wärmeerzeugung durch die Abwärmenutzung ersetzt werden. In den untersuchten Musterfällen konnten Großwärmepumpen oft kleiner dimensioniert werden, wenn Abwärme zur Verfügung steht. Aufgrund hoher Vorlauftemperaturen ist die Effizienz von Großwärmepumpen in Bestandsnetzen niedriger, sodass ihr Einsatz teurer wird. Deshalb ist der Systemwert von Abwärme in Bestandsnetzen höher als in Neubaunetzen mit niedrigerer Vorlauftemperatur. „Der spezifische Systemwert der Abwärme sinkt mit steigendem Anteil an der Wärmenachfrage, da zuerst die teuersten Erzeugungsanlagen ersetzt werden“, sagt Dr.-Ing. Ann-Kathrin Klaas, die die Analyse gemeinsam mit Maximilian Walde und Tobias Leibfritz erstellt hat.
Um die Wirtschaftlichkeit der Abwärmenutzung zu analysieren, wurden in der Analyse neben dem Systemwert die Kosten der Abwärmenutzung betrachtet. Zur Einbindung der Abwärme sind Komponenten wie Wärmeübertrager, Pumpen und Leitungen nötig. Die Kosten hängen von der Auslastung und der Temperatur der Abwärmequelle sowie von der Entfernung zwischen Abwärmequelle und Wärmenetz ab.
Werden die Komponenten stärker ausgelastet, sinken die Kosten pro Kilowattstunde bereitgestellter Abwärme. Liegt die Temperatur der Abwärmequelle unter der Vorlauftemperatur des Wärmenetzes, muss zusätzlich eine Wärmepumpe installiert werden, die die Abwärme auf die richtige Temperatur bringt. Steigt die Entfernung zwischen Abwärmequelle und Wärmenetz, steigen auch die Leitungskosten.
Abwärmeprofile eignen sich für unterschiedliche Wärmenetze
Die Wirtschaftlichkeit der untersuchten Profile unterscheidet sich in Abhängigkeit vom betrachteten Musterfall deutlich. So weist das untersuchte Rechenzentrum-Profil durch die kontinuierliche und hohe Auslastung einen hohen Systemwert und geringere Nutzungskosten auf, auch dann, wenn die Temperatur durch eine zusätzliche Wärmepumpe in Bestandsnetzen angehoben werden müsste.
Das untersuchte Elektrolyseur-Profil ist volatil, hat ein niedriges Temperaturniveau und weist durch die Korrelation mit niedrigen Strompreisen einen niedrigen Systemwert auf. Es ist deshalb nur bei geringen Entfernungen und in Neubaunetzen mit niedrigen Vorlauftemperaturen wirtschaftlich.
Das untersuchte Industrie-Profil weist einen hohen Systemwert auf. Durch volatile Erzeugung und geringe Auslastung stehen ihm allerdings hohe Kosten zur Nutzung der Abwärme gegenüber. Ein Vorteil ist dagegen ein hohes Temperaturniveau, sodass die Industrieabwärme ohne zusätzliche Temperaturerhöhung in Bestandsnetzen genutzt werden kann.
Klaas: „Während sich Industrieabwärme mit hoher Temperatur zur Dekarbonisierung von Bestandsnetzen eignet, können Rechenzentren und Elektrolyse mit niedrigerer Temperatur zur Versorgung von Neubaunetzen genutzt werden. Für die kommunale Wärmeplanung ist es entscheidend, die vorliegenden Abwärmepotenziale zu analysieren und deren jeweilige Eigenschaften zu berücksichtigen.“ ■
Quelle: EWI / jv
Download der Studie Abwärmenutzung in Fernwärmenetzen
Im Kontext:
Rechenzentren als Wärmequelle im urbanen Raum
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