
Sonnenhaus Institut / Hans-Rudolf Schulz
Herr Hoevel, viele behaupten, Solarthermie sei überholte Technik, heute drehe sich alles um Photovoltaik. Sie sind Planungsingenieur und Energieberater, können Sie das aus Ihrer praktischen Tätigkeit bestätigen?
Michael Hoevel: Mengenmäßig hat PV die Solarthermie längst überholt – das stimmt. Aber ich empfehle meinen Kunden regelmäßig Solarthermie, weil sie in bestimmten Bereichen echte Vorteile bietet.
Wo zum Beispiel?
Vor allem bei Mehrfamilienhäusern. Hier zeigt sich ein großer Vorteil: Solarthermie produziert warmes Wasser – fertig. Kein Behörden-Wirrwarr, keine komplizierten Steuergeschichten wie bei PV-Anlagen. Die Kosten sind steuerlich absetzbar und berechtigen sogar zu Mieterhöhungen.
Aber Strom ist doch vielseitiger nutzbar als Warmwasser?
Das stimmt – aber nur im Einfamilienhaus funktioniert PV wirklich unkompliziert. Bei Mieterstrom ist trotz aller Reformversprechen wenig passiert. Das bleibt ein überregulierter Nischenmarkt.
Ein Beispiel: Als Vermieter muss ich für die Erträge aus der Stromeinspeisung eine Steuererklärung abgeben. Die kostet beim Steuerberater oft mehr, als die Einspeisung überhaupt bringt! Volkswirtschaftlich der pure Irrsinn – das Geld fließt vom Staat zum Steuerberater, statt in die Energiewende.
Für welche Gebäude empfehlen Sie konkret Solarthermie?
Überall dort, wo noch mit fossilen Brennstoffen oder Biomasse geheizt wird. Ein aktuelles Beispiel: Bei einem Effizienzhaus 55 mit 16 Wohneinheiten senkt Solarthermie die Betriebskosten der Biomasseheizung um 35 %. Eine PV-Anlage hilft hier überhaupt nicht, weil die Heizung nicht strombasiert läuft.
Besonders spannend finde ich Fernwärmeanschlüsse. Gerade im ländlichen Süden entstehen viele neue Biomasse-Netze. Aber Holz zu verbrennen, während im Sommer die Sonne scheint? Das erscheint mir fragwürdig. Mit Solarthermie könnte jeder Fernwärme-Kunde seinen Verbrauch reduzieren – ohne Steuer-Hickhack. Leider erlauben das die Fernwärme-Anbieter in manchen Fällen nicht.
Es geht hier um das große Bild. Mir ist bewusst, dass es auch interessante Anwendungsmöglichkeiten der Solarthermie in Verbindung mit Wärmepumpen gibt, zum Beispiel um Wärmespeicher zu regenerieren. Aber wir gehen hier nicht auf jedes Detail ein.
Wo raten Sie von Solarthermie ab?
Im Neubau und ganz besonders bei neuen oder sanierten Einfamilienhäusern ist die Wärmepumpe alternativlos geworden. Die Technik wird immer ausgefeilter: flexibler Strombezug bei niedrigen Preisen, eigene PV-Anlage, Wärme- und Stromspeicher, Elektromobilität – das passt alles perfekt zusammen. Bei Einfamilienhäusern oder kleineren Mehrfamilienhäusern mit Wärmepumpe würde ich keine Solarthermie mehr einbauen. Der Zusatzaufwand lohnt sich nicht.

Sonnenhaus Institut / Thilo Härdtlein
Was sollten Eigentümer bei der Entscheidung bedenken?
Das Gesamtkonzept muss stimmen! Wer seine Bestandsheizung weiter optimieren will, trifft mit Solarthermie eine gute Wahl. Wer aber sowieso bald auf Wärmepumpe umrüsten möchte, sollte gleich den kompletten Systemwechsel planen.
Außerdem ist eine solarthermische Anlage in der Praxisanwendung immer kombiniert mit einem entsprechend dimensionierten Pufferspeicher. Das hat den Vorteil, dass diese Anlagen flexibler werden, weil sie Energie speichern können und damit auch einen Mehrwert für die Flexibilisierung unserer Energielandschaft liefern können. So können unter anderem zusätzlich eingesetzte Heizstäbe überschüssigen Strom im Netz in Wärme verwandeln.
Übrigens erwarte ich, dass die feste EEG-Vergütung für PV-Neuanlagen bald wegfällt. Sie ist ehrlich gesagt überflüssig geworden – die Anlagen rechnen sich auch so. Dann sollten wir PV wieder genau auf den Eigenverbrauch auslegen, und eingespeister Strom bekommt nur noch seinen Marktwert.
Wie lautet Ihr Fazit?
Solarthermie ist nicht die Lösung für alles – aber sie kann viel mehr, als viele heute meinen. Im Mehrfamilienhaus-Bereich und bei Bestandsheizungen bietet sie echte Vorteile: wenig Bürokratie, steuerliche Klarheit und schnelle CO2-Einsparung. Im Zusammenspiel mit dem Pufferspeicher kann sie auch zur Stabilität im Stromsystem beitragen, ohne die Netze zu belasten. Manchmal ist die einfachste Lösung eben die beste. ■
Quelle: Sonnenhaus Institut / fl
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