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Energieträger

Gaswirtschaft fordert 800 Mio. Euro für Methanpyrolyse

Die Gaswirtschaft fordert 800 Mio. Euro Forschungsförderung für den Aufbau einer Methanpyrolyse-Kapazität von etwa 87 TWh/a Wasserstoff.

magann – stock.adobe.com

Die Gaswirtschaft fordert 800 Mio. Euro Forschungsförderung für den Aufbau einer Methanpyrolyse-Kapazität von etwa 87 TWh/a Wasserstoff.

Die Gaswirtschaft sieht in der Methanpyrolyse eine zukunftsweisende Technologie und fordert für sie vom Bund 800 Mio. Euro als Forschungsförderung.

Die Gaswirtschaft sorgt sich um ihr Geschäftsmodell. Erdgas ist längst angezählt, beispielsweise will die EU-Kommission, dass die Mitgliedstaaten über eine Neufassung der EU-Gebäuderichtlinie Fahrpläne für den schrittweisen Ausstieg aus fossilen Brennstoffen in der Wärme- und Kälteversorgung bis spätestens 2040 entwickeln.

Gelingt es also in den kommenden Jahren nicht, fossiles Erdgas zunehmend durch klimaneutrale Gase zu ersetzen, hat die Gaswirtschaft ein Problem.

Grüner Wasserstoff bleibt noch lange rar, und…

Allgemein wird eine Zukunft der Gaswirtschaft auf der Basis von grünem Wasserstoff gesehen. Dieser ist jedoch in den nächsten zehn Jahren – die aber zum Erreichen des 1.5-Grad-Ziels entscheidend sind – nicht in ausreichenden Mengen verfügbar (vgl.: Wasserstoff-Importe bis 2030 mehr Illusion als Option). Andererseits bleibt nicht genug Zeit, erst mit der Verfügbarkeit von grünem Wasserstoff Prozesse umzustellen und neue Anwendungen in die Märkte einzuführen. So öffnet beispielsweise der Ampel-Koalitionsvertrag die Tür für blauen und türkisfarbenen Wasserstoff, also Wasserstoff, der aus Erdgas mit Abtrennung und Lagerung (oder Nutzung als Grundstoff) des Kohlenstoffs als CO2 oder als Feststoff produziert wird.

…türkisfarbener Wasserstoff wird bisher nicht großskaliert produziert

Allerdings stehen auch blauer (Dampfreformierung) und türkisfarbener (Pyrolyse, Elektronenstrahl-Plasmapyrolyse oder mittels Blasensäulenreaktor) Wasserstoff bisher nicht zur Substitution von Erdgas zur Verfügung. Während die Dampfreformierung heute vielerorts zur Erzeugung von grauem Wasserstoff (das Treibhausgas CO2 wird dabei in die Atmosphäre eingeleitet) auch großtechnisch praktiziert wird, wurde die Methanpyrolyse bisher nicht großskaliert umgesetzt.

So hat die Initiative der deutschen Gaswirtschaft zum Start der neuen Regierungskoalition einen Forschungsschwerpunkt im Bereich der Methanpyrolyse gefordert und hofft, dass „mit einer ambitionierten Forschungsförderung einer Zukunftstechnologie zum Durchbruch verholfen und dem Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft ein entscheidender Impuls gegeben werden“ könnte.

Richtig und wichtig dürfte der Impuls für den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft sein. Eine Methanpyrolyse auf der Basis fossiler Energieträger kann allerdings keine „Zukunftstechnologie“, sondern bestenfalls eine Brückentechnologie sein.

Methanpyrolyse

Bei der Methanpyrolyse wird das Methanmolekül CH4 in Wasserstoff und elementaren Kohlenstoff aufgespalten. Der Kohlenstoff fällt als Pulver („Carbon Black“, Industrieruß) aus. Als unbedenklicher Feststoff lässt er sich deutlich einfacher weiterverarbeiten oder lagern als das gasförmige CO2. Zudem ist Carbon Black ein in der Industrie begehrter Rohstoff.

Bei der ökologischen Bewertung von blauem und türkisfarbenem Wasserstoff ist allerdings ein Ansatz über die gesamte Prozesskette erforderlich, der die Freisetzung von CO2-Emissionen und Methan bei der Förderung, beim Transport, durch Leckagen und bei der Wasserstoffproduktion berücksichtigt. Diese sind nach heutigem technischem Stand nicht vernachlässigbar.

Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass bei der Wasserstofferzeugung aus Methan bezogen auf den Heizwert etwa 1,67 MWh Methan eingesetzt werden muss, um 1,0 MWh Wasserstoff zu erhalten. Zusätzlich ist Prozessenergie erforderlich. Die Importabhängigkeit steigt also bei der Methanpyrolyse mit Konversion in Deutschland. Für normale Wärmeanwendungen wäre Wasserstoff aus Methanpyrolyse beim heutigen Preisgefüge durch die höheren Rohstoffeinsatz und den Prozess deutlich teurer als Erdgas. Eine Annäherung würde sich erst bei sehr hohen CO2-Preisen ergeben.
 

„Könn(t)en CO2-armen Wasserstoff günstig bereitstellen“

Dr. Timm Kehler, Vorstand des Branchenverbands Zukunft Gas: „Mit dem sogenannten türkisfarbenen Wasserstoff können große Mengen CO2-armer Wasserstoff günstig bereitgestellt werden. In der Vergangenheit wurde das Potenzial nicht genügend genutzt, der technologieoffene Ansatz der Ampel-Koalition eröffnet neue Möglichkeiten. Mit einem Forschungs- und Entwicklungsimpuls in Höhe von 800 Mio. Euro könnte dieser Technologie und ihren großen Potenzialen zum entscheidenden Durchbruch verholfen und die Methanpyrolyse aus dem Labor in breite industrielle Anwendungen gebracht werden. Deutschland kann auf diesem Gebiet zum Technologieführer werden und seine ambitionierten Klimaziele erreichen.“

Deutlich bescheidener ist momentan das Forschungsvorhaben Methanpyrolyse (Me2H2, Laufzeit von 2019 bis 2022) unterwegs. Es wird vom Bundesforschungsministerium mit rund 12 Mio. Euro gefördert, und soll herauszufinden, ob das Verfahren Methanpyrolyse auch im industriellen Maßstab gelingen kann. Mitte 2021 wurde mit der Aufnahme des Versuchsbetriebs der Versuchsanlage ein wichtiger Meilenstein erreicht.

Kehler: „Mit der von uns geforderten Summe ließen sich Methanpyrolyse-Anlagen mit einer Wasserstoff-Kapazität von ca. 87 TWh/a errichten und in den Markt führen.“

Der Ampel-Koalitionsvertrag sieht den Aufbau von 10 GW Elektrolysekapazität vor. Dies entspricht einer Produktion von 28…40 TWh/a. Aktuell wird grüner Wasserstoff in Deutschland nur in Pilot- und Forschungsprojekten in geringen Mengen hergestellt. Allerdings wird in Deutschland bereits seit Jahren rund 55 TWh/a Wasserstoff für stoffliche Anwendungen genutzt, zu großen Teilen wird er auf Basis fossiler Energieträger mit entsprechenden CO2-Emissionen erzeugt.

Anmerkung der TGA-Redaktion

Warum die Gaswirtschaft 800 Mio. Euro Unterstützung für ein Verfahren fordert, mit dem bei steigender Nachfrage „große Mengen CO2-armer Wasserstoff günstig bereitgestellt werden können“, begründet sie nicht. Legt man die Forderung unverzinst auf die versprochene Kapazität um, ergibt sich ein Preisbestandteil von 0,0092 Euro/kWh bei einer Refinanzierungszeit von einem Jahr und von 0,0018 Euro/kWh bei einer Refinanzierungszeit von fünf Jahren. Das würde einen Zuschlag von 0,3 Euro/kgH2 bzw. 0,06 Euro/kgH2 bedeuten, also jeweils nur Bruchteile der Wasserstoff-Preisprognosen. 

Bemerkenswert ist auch die Höhe der Zukunft-Gas-Forderung in Relation zu den industriegeführten Wasserstoff-Leitprojekten, die bisher größte Forschungsinitiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) zum Thema Energiewende. Hier entwickeln Wirtschaft und Wissenschaft gemeinsam Lösungen für eine deutsche Wasserstoffwirtschaft. Die BMBF-geförderten Wasserstoff-Leitprojekte sind das Ergebnis eines Ideenwettbewerbs: Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft waren eingeladen, Ideen zu Wasserstoff-Großprojekten einzureichen. Über 240 Partner haben sich so zusammengefunden und sollen mit insgesamt bis zu 740 Mio. Euro über eine Laufzeit von vier Jahren gefördert werden.■

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