Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch
Forschung

Bessere Raumqualität für Industrie­arbeitsplätze

Das Messsystem DressMAN360° erlaubt umfassende Rückschlüsse auf den Komfort am Industriearbeitsplatz.

Fraunhofer IBP

Das Messsystem DressMAN360° erlaubt umfassende Rückschlüsse auf den Komfort am Industriearbeitsplatz.

Mit einem neuen Analyse-Konzept wollen For­schen­de des Fraunhofer-Instituts für Bau­physik die Ar­beits­um­ge­bung für Mit­ar­bei­ten­de in der Pro­duk­tion ver­bessern.

Ein Arbeitsplatz mit angenehmem Raumklima, blendfreier Beleuchtung, ohne Lärm oder lästige Hintergrundgeräusche – das gehört zu den Voraussetzungen, damit sich Menschen in Unternehmen wohl fühlen. Untersuchungen zu Gesundheit, Leistung und Wohlbefinden am Arbeitsplatz haben sich in den letzten Jahren stark auf Büros konzentriert. Im Rahmen der Initiative Optima Pro nehmen Forschende des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik IBP an den Standorten Stuttgart und Valley bei München nun auch Arbeitsplätze in der Produktion in den Blick.

Optima Pro steht für „Optimized Performance in Temperature, Illumination, Movement, Acoustics and Air Quality @ Production Workplaces“. Das Konzept verbindet erstmals Messwerte der Arbeitsumgebung mit Befragungen der Mitarbeitenden zu ihrem subjektiven Wohlbefinden. Sie geben beispielsweise Auskunft zum Wärmeempfinden, ob sie Geräusche stören oder ob das Licht am Arbeitsplatz angenehm ist. Aus der Gesamtschau der objektiven und der subjektiven Daten entsteht ein umfassendes Bild.

Industrieunternehmen können die Methodik nutzen, wenn sie neue Produktionsstätten bauen oder vorhandene Arbeitsumgebungen erneuern und möglichst leistungs- und gesundheitsförderlich gestalten wollen. Und ein Arbeitsumfeld mit hohem Komfort steigert auch die Motivation.

Komplexe Bedingungen in der Fabrikhalle

Die Bedingungen in der Produktion sind deutlich komplexer als die im Büroumfeld, weil hier belastende Faktoren wie Lärm, Zugluft, Rauch, Staub oder Dämpfe vermehrt auftreten. Sabine Giglmeier, Leiterin des Innovationsmanagements am Fraunhofer IBP: „Die Umgebungsbedingungen in einer Fabrikhalle sind sehr wechselhaft. Da werden Maschinen ein- oder ausgeschaltet, Tore öffnen sich für eine Lieferung und lassen kalte Luft rein oder Öfen fahren hoch, neben denen es sehr heiß werden kann.“

Dr. Maria Zaglauer, Chief Scientist und Projektleiterin am Fraunhofer IBP erklärt die Grundidee von Optima Pro: „Um die Gesundheit und das Wohlbefinden der Mitarbeitenden in dieser herausfordernden Umgebung langfristig zu schützen, reichen die vorhandenen Messkonzepte nicht aus. Deshalb entwickeln wir einen Ansatz, der ein differenziertes Messinstrumentarium mit der individuellen Befragung der Menschen kombiniert. Das ermöglicht eine ganzheitliche Bewertung der Arbeitsumgebung.“

DressMAN mit 30 Sensoren

Im Rahmen des Projekts „Work-BW: Gesunde, produktive und energieeffiziente Industriearbeitsplätze“, das aus Landesmitteln finanziert wird, die der Landtag Baden-Württemberg für das Programm InvestBW beschlossen hat, entwickeln die Forschenden des Fraunhofer IBP derzeit ihr Messsystem DressMAN weiter zu DressMAN360°.

Der DressMAN wurde ursprünglich für die Analyse des thermischen Komforts in Innenräumen, insbesondere in Fahrzeugkabinen, konzipiert. Michael Visser, Senior Scientist und Experte für thermischen Komfort am Fraunhofer IBP, leitet die Entwicklung des Messsystems DressMAN und koordiniert die technische Integration neuer Wahrnehmungspfade, von einer Forschungsmessmethode zu einem industriellen Messstandard.

Die Grundidee des DressMAN besteht darin, sensorbasierte Messungen mit subjektiven Wahrnehmungsdaten zu verknüpfen. Visser: „Die technologische Weiterentwicklung sowie das bessere wissenschaftliche Verständnis ermöglichen die Entwicklung verbesserter Vorhersagemodelle für die Komfortsituation in Innenräumen, beispielsweise am Arbeitsplatz.“

Das System arbeitet mit ca. 30 Sensoren, die in einem speziellen Anzug oder an einer Messpuppe platziert werden. Die neue Version wird nun zusätzlich mit Mikrofonen und Kameras ausgestattet. „So entsteht ein multimodales Messsystem, das alle relevanten Umgebungsdaten registriert. Ergänzt werden die Messdaten durch Befragungsdaten aus dem Nutzer-Feedbacksystem. Das ermöglicht die multimodale simultane Messung und Befragung in Echtzeit am Arbeitsplatz“, sagt Zaglauer. Auch Partikel- und Schadstoffmessungen in der Produktionsumgebung sind möglich und sollen mittelfristig das Gesamtsystem ergänzen.

Komplexe Wechselwirkungen

Die Fraunhofer-Technologie macht komplexe Wechselwirkungen zwischen dem Arbeitsumfeld und dem subjektiven Empfinden der Menschen erkennbar. Maria Zaglauer: „Das ständige Rauschen von Haustechnikanlagen, etwa einer Lüftungsanlage“ gilt als lästig. Stellt man jedoch die Anlagen ab, dann werden plötzlich andere Geräusche hörbar, die dann möglicherweise viel stärker stören als das gleichmäßige Rauschen der Lüftung.“ Ein anderes Beispiel: Die Umgebungstemperatur kann als wärmer empfunden werden, wenn bei der Beleuchtung eine wärmere Lichtfarbe eingestellt ist.

DressMAN360° und Optima Pro werden damit für Unternehmen zu wertvollen Tools, um bestehende Arbeitsplätze zu evaluieren und auch um herausfordernde Umgebungen in der Produktion an den Erfordernissen des betrieblichen Gesundheitsmanagements auszurichten.

Giglmeier: „Eine hohe Raumqualität, egal ob in der Produktion oder im Büro, reduziert die Belastung der Mitarbeitenden, senkt letztlich auch die Zahl der Krankschreibungen. Das kann helfen, physisch anstrengende Jobs in der Industrie für Fachkräfte wieder attraktiver zu machen.“ ■
Quelle: Fraunhofer-Gesellschaft / jv

Im Kontext:
Glamox: Beleuchtung für bessere Diagnosen bei Sehschwäche
So wichtig ist gute Beleuchtung in Büroräumen
Ein Problem? Trockene Raumluft am Arbeitsplatz
Luftqualität im Büro: Noch viel Verbesserungspotenzial
Menschen verändern die Chemie der Raumluft