Wie ein Ort in Mittelhessen mit Erdbeckenspeicher, Solarthermiefeld und Nahwärmenetz 2025 klimaneutral werden will.

Solarwärme Bracht
In der mittelhessischen Ortschaft Bracht, einem Stadtteil von Rauschenberg nahe Marburg, entsteht ein Wärmeprojekt mit dem Ziel, 2025 klimaneutral zu sein. Ein saisonaler Erdbeckenspeicher mit rund 26.600 m3 Speichervolumen bildet gemeinsam mit einem großflächigen Solarthermiefeld und einem hocheffizienten Nahwärmenetz das Herzstück des ambitionierten Energiekonzepts. Rund 70 % des jährlichen Wärmebedarfs werden aus regenerativer Solarenergie gedeckt, ergänzt durch Wärmepumpen und einen Biomassekessel.
26.600 m3 aufbereitetes Heizungswasser speichern
Das Speichersystem entsteht direkt am Ortsrand nördlich von Bracht-Siedlung. Dort wurde ein 14 m tiefes Becken ausgehoben und mit einer wasserdichten Kunststoffdichtungsbahn ausgekleidet. Abgedeckt wird der Speicher mit einer schwimmenden Dämmung, um die Auskühlung zu reduzieren. Der Erdbeckenspeicher fasst 26.600 m3 Wasser, das sind über 26 Mio. Liter – knapp 11 olympische 50-m-Schwimmbecken. Die Planung und Umsetzung erfolgt in enger Zusammenarbeit mit kommunalen Partnern, ausführenden Unternehmen und Technologieanbietern.

Solarwärme Bracht
Ein Kollektorfeld mit 855 Modulen auf rund 12.900 m2 Kollektorfläche speist thermische Energie in den Speicher. In den Sommermonaten wird Wasser solar erhitzt und über Wochen gespeichert, um im Winter zur Verfügung zu stehen. Zwei Wärmepumpen mit jeweils 220 kW elektrischer Anschlussleistung ergänzen die Versorgung, ein 700 kW starker Biomassekessel übernimmt Spitzenlasten. Insgesamt entstehen so rund 98 % weniger CO2-Emissionen im Vergleich zu fossilen Heizsystemen.
Effizienz und Lebensdauer von Anlagen sichern
Moderne, hocheffiziente Anlagen stellen besondere Anforderungen an das Zusammenspiel der Komponenten und an die Qualität des eingesetzten Heizwassers. Kalk, Sauerstoff und gelöste Salze im Rohwasser können zu Ablagerungen, Korrosion und Schäden führen, besonders an modernen Hochleistungspumpen, Wärmetauschern sowie an allen wasserführenden Rohrleitungen und Ventilen. Eine normgerechte Aufbereitung gemäß VDI 2035 ist unerlässlich für die Langlebigkeit und Effizienz des Systems und bildet die Basis für eventuelle Garantieansprüche.
Kraftakt der Genossenschaft für die Heizwasseraufbereitung
Eine vorausgehende Wasseranalyse, erstellt durch Orbens hauseigenes Wasseranalyse-Labor, bildet die Grundlage für die nachfolgende Maßnahmenplanung. Zwei Puffercontainer, mit je 30 m3 Volumen, wurden vor Inbetriebnahme der Heizwasser-Aufbereitungsanlage als erforderliche Rohwasservorlage für Trinkwasser angeschafft und umgebaut.
Die Befüllung der Container erfolgte über mehrere Wege: Aus einem Siedlungsteil wurde Wasser über Feuerwehrschläuche eingespeist. Für das Wasser direkt aus dem Dorf Bracht wurden zwei Pumpstationen eingerichtet. Zusätzlich verlegte man über 1 km Feuerwehrschlauch und nutzte die bestehende Hauptleitung.
Die Pumpstation der Brachter Trinkwasserversorgung speist über eine feste Rohrleitung den Hochbehälter oberhalb des Orts. Von dort wird überschüssiges Wasser über einen Überlauf in einen Zwischenbehälter geleitet. Aus diesem gelangt das Wasser über eine Kupplung in die Haupttransportleitung, welche die zukünftige Heizzentrale mit dem Ort Bracht verbindet.
Für den ersten Abschnitt wurden selbst verlegte Feuerwehrschläuche genutzt. Eine Pumpe am Pufferspeicher sorgte für den nötigen Druck. Im Ort wurde ein weiterer Speicher installiert, in dem das ankommende Wasser zwischengespeichert wurde. Das dort ankommende Rohwasser sowie zusätzliche, kleinere Wassermengen aus dem Siedlungsbereich von Bracht wurden anschließend in zwei große Speicher geleitet. Aus diesen erfolgte die Weiterleitung zur eigentlichen Heizwasseraufbereitung.
Die gesamte Transportstrecke umfasste etwa 2,5 km. Davon rund 1,1 km über Feuerwehrschläuche, der restliche Abschnitt über die feste Haupttransportleitung. Die gesamte Befüllanlage wurde, mit fachlicher Unterstützung von Orben, in Eigenleistung vom Arbeitskreis der Genossenschaft realisiert.
Heizwasser mit vielen Unwägbarkeiten vor Ort aufbereiten
Die Brachter Planer setzten auf den Wasserspezialisten Orben aus Wiesbaden. Dieser nahm einen, auf einen geringeren Rohwasserzulauf abgestimmten TR-10 Trailer zur mobilen Heizwasseraufbereitung am Erdbeckenspeicher in Betrieb. Der Trailer bietet eine Einheit mit Vorbehandlung, Umkehrosmose, Membranentgasung und bei Bedarf Nachreinigung durch Mischbettionentauscher.

Orben
Ein speziell für den Umgang mit mobilen Wasseraufbereitungsanlagen geschulter Mitarbeiter übernahm den hydraulischen und elektrischen Anschluss der Anlage sowie die Inbetriebnahme und beaufsichtigte die komplette Aufbereitung. Das Zusammenspiel zwischen ausreichend Wasser, verschiedenen Pumpleistungen und schwankenden Gegendruck war eine Herausforderung. Ständig wurde gemessen, gesteuert und geregelt.
Das stark mit Partikeln versetzte Trinkwasser wurde durch eine abgestimmte Vorfiltration mit unterschiedlichen Filterfeinheiten, Umkehrosmose und Restentsalzung nach der VDI 2035 Richtlinie aufbereitet und ein regelkonformer pH-Wert sichergestellt.
Die Behandlung durch Umkehrosmose beruht auf dem Prinzip der selektiven Durchlässigkeit einer Membran, die nur bestimmte Stoffe durchlässt, während andere zurückgehalten werden. Zuerst wird das Leitungswasser vorbehandelt, um größere Partikel, Schwebstoffe und Verunreinigungen zu entfernen. Im nächsten Schritt wird das Wasser unter hohem Druck auf die Umkehrosmose-Membran gepresst, wodurch es durch die Membran hindurchtritt und dabei Schadstoffe und Salze zurückgehalten werden.
Das nach der Umkehrosmose noch enthaltene CO2 wird über eine Membranentgasung nahezu entfernt. Ohne diesen Verfahrensschritt beeinträchtigt der durch das kohlensaure Gas tiefe pH-Wert des aufbereiteten Wassers die Einstellung des nach den Richtlinien geforderten pH-Wertes für aufbereitetes Wasser von 8,5–9,5 durch seine Pufferwirkung. Auch die Kapazität des nachgeschalteten Restentsalzungsfilters verliert bei Anwesenheit des Gases rund 35 % seiner nutzbaren Leistung.
Letztendlich konnte die gesamte Planung erfolgreich umgesetzt werden und im Erdbeckenspeicher befindet sich ausschließlich VDI-konformes Heizungswasser.
208 Tage Trinkwasser für die Einwohner von Bracht
Der durchschnittliche Wasserverbrauch des Dorfes Bracht liegt bei ca. 113.400 l pro Tag. Die Wassermenge für die Erstbefüllung des Erdbeckenspeichers entspricht dem Wasserverbrauch des ganzen Dorfes von 208 Tagen, das sind knapp 7 Monate.
Um eine Trinkwasserknappheit zu vermeiden, war bei diesem außergewöhnlich großen Wasserbedarf eine enge Kombination aus technischer Planung, Abstimmung mit dem Versorger und flexibler Aufbereitung erforderlich.
Zeitliche Entnahmepläne bieten eine praktikable Lösung, um Wassermangel zu umgehen oder zu entzerren. In verbrauchsarmen Tageszeiten, zum Beispiel nachts oder frühmorgens, wenn der Druck im Netz höher ist und weniger Haushalte Wasser beziehen, kann gezielt entnommen werden. Die Entnahme der Gesamtmenge wird über mehrere Tage und Wochen aufgeteilt, um das Netz nicht zu überlasten und besondere Anforderungen, z. B. auch Feiertage oder warme Wetterlagen, zu berücksichtigen.
So wurde Hand in Hand mit Planern und den Wasserspezialisten von Orben ein Aufbereitungs-Zeitplan erstellt, der die Bedürfnisse aller Beteiligten berücksichtigte. Zu keinem Zeitpunkt herrschte Wassermangel und trotzdem konnte die Wasseraufbereitung mit einem Volumen von knapp 11 olympischen 50-m-Schwimmbecken, parallel zu den restlichen Baumaßnahmen, in ca. 16 Wochen erfolgreich durchgeführt werden.
Regionale Wärmewende mit Sonnenenergie
Bracht zeigt eindrucksvoll, wie Gemeinden mit gemeinsamen Konzepten konkrete Klimaziele erreichen können. Bis zum Winter 2025 sollen alle Häuser an das Nahwärmenetz angeschlossen sein. Die zentrale Speicherung ermöglicht die saisonale Nutzung solarer Überschüsse, das Nahwärmenetz ersetzt viele Einzelheizungen durch ein effizientes, gemeinschaftliches System. Mit wissenschaftlicher Begleitung und intelligenter Regelungstechnik entwickelt sich das Projekt zum Vorbild für andere Regionen.

Solarwärme Bracht
Technische Eckdaten Erdbeckenspeicher Bracht
Speichervolumen: ca. 26.600 m3
Solarfläche: 12.900 m2 mit 855 Kollektoren (Viessmann Vitosol 100-F XF13)
Wärmeerzeugung: Solarthermie (67 %), Wärmepumpen (8 %), Biomasse (25 %)
Nahwärmenetz: 9300 m, ca. 193 Gebäudeanschlüsse
Heizwasseraufbereitung: TR-10 Trailer mit Umkehrosmose, VDI 2035-konform
Projektvolumen: ca. 16,5 Mio. Euro
Orben TR-10 Trailer – Mobile Wasseraufbereitung vor Ort
Einsatzgebiet: Mobile Heizwasseraufbereitung gemäß VDI 2035
Technologie: mehrstufige Vorfiltration, Umkehrosmose, Membranentgasung, optionale Restentsalzung mit Mischbett-Ionenaustauschern
Leistung: Aufbereitung von bis zu 500.000 l in 2 Tagen möglich (projektabhängig)
Vorteile: Heizwasseraufbereitung direkt vor Ort, keine VE-Wasser-Anlieferung notwendig, kurze Projektzeiten (inkl. Auf- und Abbau), Fachpersonal vor Ort. Ideal bei begrenzter Wasserversorgung oder schwer erreichbaren Speicherstandorten
Quelle: Orben / ml