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Wohnungsbaukrise

Rücknahme­fiktion be- und ver­hindert schnelles Bauen

Das Deutsche Institut für vorbeugenden Brandschutz (DIvB) sieht eine Chance, wie sich im Gebäudebestand schnell zusätzlicher Wohnraum schaffen ließe.

Mario Jahn - stock.adobe.com

Das Deutsche Institut für vorbeugenden Brandschutz (DIvB) sieht eine Chance, wie sich im Gebäudebestand schnell zusätzlicher Wohnraum schaffen ließe.

Im Gebäudebestand ließe sich schnell zusätzlicher Wohnraum schaffen. Wenn da nicht die Bürokratie wäre. Das DIvB schlägt eine Änderung im Baurecht vor.

Die Baugenehmigungen sind auf Rekordtief. 400 000 Wohnungen sollten laut Bundesregierung zur Linderung der Wohnungsnot jedes Jahr gebaut werden. Tatsächlich bewilligten die Bauämter nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im vergangenen Jahr 260 100 neue Wohnungen. Das sind nochmals 26,6 % weniger als im ebenfalls schwachen Vorjahr und der niedrigste Stand seit dem Jahr 2012.

Das Deutsche Institut für vorbeugenden Brandschutz (DIvB) sieht eine Chance, wie sich im Gebäudebestand schnell zusätzlicher Wohnraum schaffen ließe und hat sich daher erneut mit einem offenen Brief an die Konferenz der für Städtebau, Bau- und Wohnungswesen zuständigen Minister und Senatoren der Länder (ARGEBAU) gewandt. Die Diskussion allein auf gestiegene Zinsen und höhere Preise für Baumaterialien zu verengen, greift nach Ansicht des DIvB zu kurz, da die Genehmigungszahlen schon zu Zeiten der Niedrigzinsphase unter dem Bedarf lagen.

„Was wir vor allem im Gebäudebestand verstärkt beobachten, ist eine Zunahme von Auflagen für Bauherrinnen und Bauherren, die die Wohnbaufläche ihres Hauses erweitern möchten, etwa durch Anbauten oder den Ausbau von Dachgeschossen vorhandener Gebäude“, sagt Reinhard Eberl-Pacan, Vizepräsident des DIvB. Der Architekt und Brandschutzplaner sieht ein wesentliches Hemmnis in der Musterbauordnung (MBO), an der sich das Baurecht der Länder orientiert.

Die Rücknahmefiktion

Es geht um den Paragrafen § 69 Abs. 2 der MBO, die sogenannte „Rücknahmefiktion“. Dort steht wörtlich: „Ist der Bauantrag unvollständig oder weist er sonstige erhebliche Mängel auf, fordert die Bauaufsichtsbehörde den Bauherrn zur Behebung der Mängel innerhalb einer angemessenen Frist auf. Werden die Mängel innerhalb der Frist nicht behoben, gilt der Antrag als zurückgenommen.“

Unnötige Auflagen für Bauherren

Genau hier liegt die Krux laut DIvB, das deshalb seit Monaten im Dialog mit der ARGEBAU steht und Anfang März einen weiteren Offenen Brief an deren Mitglieder und das Bundesbauministerium verschickt hat. So führt der § 69 Abs. 2 MBO laut Eberl-Pacan in der Praxis zu spätestens seit dem Bericht des Normenkontrollrates Baden-Württemberg aus dem Jahr 2021 als „Gutachteritis“ bekannten unnötigen Erschwernissen. Hierbei verweisen die Bauämter Antragstellerinnen und Antragsteller häufig an nachrangige Stellen, verbunden mit der Aufforderung, sich mit diesen außerhalb des hierfür vorgesehen Verfahrens zu „einigen“. Oft werden dann auch für Standardgebäude Nachweise eingefordert, wie sie allenfalls für Sonderbauten bestehen.

Keine Möglichkeit der gerichtlichen Klärung

Problematisch wird diese Handhabung, wenn nachrangige Stellen vom Antragsteller fordern, dass die von ihnen gewünschten Anforderungen selbst zu beantragen seien, ansonsten gälte der Antrag als vermeintlich „unvollständig“ und damit als vom Bauherrn selbst zurückgenommen. Unter Fachleuten ist diese Behandlung bzw. Nichtbehandlung eines Bauantrags als sogenannte Rücknahmefiktion bekannt. Dies alles geschieht außerhalb des hierfür vorgesehenen Verfahrens, in Umkehrung der Beweislast, ohne Entschädigung, ohne Rechtsmittelbelehrung und ohne einen für den Antragsteller angreifbaren Verwaltungsakt. Dadurch hat der Antragsteller keine Möglichkeit, sein eigentlich ihm zustehendes Baurecht gerichtlich klären zu können.

Neuer Wohnraum wird unwirtschaftlich

Häufig wird die Baugenehmigung zudem an die Bedingung geknüpft, den Brandschutz des gesamten bereits bestehenden Gebäudes an die gegenwärtigen Neubaustandards anzupassen. Derartige Anforderungen sind dann oftmals mit so hohen Investitionen verbunden, dass sich die Schaffung neuen Wohnraums vielfach nicht mehr rechnet.

Den § 69 Abs. 2 MBO auf „formelle“ Mängel zu beschränken, außer Kraft zu setzen oder gar abzuschaffen, könnte die Genehmigungsverfahren und den Aufwand für ein Bauen im Bestand schneller und kostengünstiger machen. Einen wichtigen Anstoß hierfür könnte die ARGEBAU geben. „Deshalb haben wir sie erneut angeschrieben. Ohne den Absatz könnten wir zur raschen Wiederbelebung des Bausektors beitragen und die Wohnungsnot in Deutschland zumindest ein Stück weit abmildern“, so Eberl-Pacan. ■
Quelle: DIvB / fl

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