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Interview

Klimatechnik: So verändert Corona die Branche

Seit bekannt ist, dass der Hauptübertragungsweg für SARS-CoV-2-Viren die respiratorische Aufnahme virushaltiger Flüssigkeitspartikel, die beim Atmen, Husten, Sprechen und Niesen entstehen, ist, kommt der Innenraumlufthygiene und damit der wirksamen Lüftung eine große Bedeutung beim Infektionsschutz zu. 

Bild 1 Thomas Kneip: „Im Baugewerbe und bei Betreibern von neuen Gebäuden ist mittlerweile ein gutes Verständnis für die Notwendigkeit von RLT-Anlagen mit 100 % frischer Außenluft vorhanden. In der Sanierung ist dies jedoch leider noch weniger der Fall.“

Wolf

Bild 1 Thomas Kneip: „Im Baugewerbe und bei Betreibern von neuen Gebäuden ist mittlerweile ein gutes Verständnis für die Notwendigkeit von RLT-Anlagen mit 100 % frischer Außenluft vorhanden. In der Sanierung ist dies jedoch leider noch weniger der Fall.“

Dr. Thomas Kneip (Jahrgang 1971) ist seit Januar 2014 Vorstandsmitglied der Centrotec SE. Zudem ist er seit 2016 als Vorsitzender der Geschäftsführung für die strategische Ausrichtung der Wolf GmbH verantwortlich. Der promovierte Diplom-Kaufmann sammelte zuvor umfassende Management-Erfahrungen in den Bereichen Finanzen und Strategie bei Centrosolar sowie Siemens VDO. Darüber hinaus war er mehrere Jahre als Senior-Berater und Projektleiter bei McKinsey & Company tätig.  www.wolf.eu  www.centrotec.de

 

TGA: Herr Dr. Kneip, ist die Lüftungs- und Klimatechnik durch die Coronavirus-Pandemie aus ihrem Schattendasein herausgetreten?

Kneip: Die Coronavirus-Pandemie hat wohl allen Menschen mehr denn je bewusst gemacht, wie wichtig ein gutes Raumklima nicht nur für unser Wohlbefinden ist, sondern auch für unsere Gesundheit. Dennoch gibt es in der Bevölkerung immer noch viele Missverständnisse hinsichtlich der Technologie, gerade im Hinblick auf die Unterschiede zwischen Luftreinigern und Lüftungsgeräten.

TGA: Hat sich die Akzeptanz für Raumlufttechnische Anlagen (RLT-Anlagen) dauerhaft gewandelt?

Kneip: Im Baugewerbe und bei Betreibern von neuen Gebäuden ist mittlerweile ein gutes Verständnis für die Notwendigkeit von RLT-Anlagen mit 100 % frischer Außenluft vorhanden. In der Sanierung ist dies jedoch leider noch weniger der Fall. Die aktuellen Diskussionen über das Für und Wider von Lüftungsgeräten und Luftreinigern in Schulen oder Kindertagesstätten zeigen immer wieder, dass der fundamentale Unterschied zwischen den beiden Technologien nicht immer verstanden wird.

Luftreiniger sind als Sofortmaßnahme zur Verminderung des Infektionsrisikos über den Luftweg geeignet und können schnell und einfach ohne große Umbaumaßnahmen in Betrieb genommen werden. Gerade jetzt sollten wir jedoch die Chance nutzen, in nachhaltige Lüftungstechnik zu investieren. Für die Nachrüstung Raumlufttechnischer Anlagen in Bildungseinrichtungen gibt es auch im Jahr 2022 attraktive Förderprogramme. Eine aktuelle Übersicht finden Planer und Entscheider unter www.wolf.eu/foerderung-bildungseinrichtungen

TGA: Sollte über die Verbände ein Raumluftqualitäts-Label für öffentliche Gebäude etabliert werden? Ähnlich dem einstigen Ansatz einer Hygieneampel für Restaurants?

Kneip: Die Idee hört sich im ersten Moment so an, als ob ein Anreiz für einen fairen Wettbewerb zwischen den einzelnen Kommunen entstehen könnte. Die Rahmenbedingungen und finanziellen Möglichkeiten in den einzelnen Städten und Gemeinden sind aber höchst unterschiedlich. Um ein solches Raumluftqualitäts-Label in der Öffentlichkeit breit zu kommunizieren und regelmäßig zu überprüfen, wäre ein sehr hoher finanzieller Aufwand erforderlich. Dieses Geld sollte besser direkt in nachhaltige RLT-Geräte investiert werden.

TGA: Wie positioniert sich Wolf als Markenhersteller gegenüber Anbietern von Luftreinigern aus dem Baumarkt?

Kneip: Wolf setzt nach wie vor auf sachliche und reproduzierbare Informationen, um sich von Mitbewerbern abzuheben. So investieren wir in wissenschaftliche Studien und Messungen, um die Lautstärke, Wirksamkeit und Effektivität nicht nur von Luftreinigern, sondern auch von RLT-Geräten zu prüfen.

Diese Ergebnisse nutzen wir in Verkaufsgesprächen mit potenziellen Kunden, aber auch in der Unternehmenskommunikation. Luftreiniger sind zwar als Sofortmaßnahme ohne Fachhandwerker schnell einsetzbar, jedoch ist die nachhaltige Lösung der effiziente Einsatz einer RLT-Anlage.

TGA: Bekommt das Thema Raumluftqualität auch abseits der in der Öffentlichkeit bekannten Dauerthemen wie Schullüftung inzwischen mehr Aufmerksamkeit?

Bild 2 Ein Frischluftkonzept aus kompakten Wolf-Lüftungsgeräten sorgt im Karolinen-Gymnasium Rosenheim für einen kontinuierlichen Luftwechsel.

Wolf

Bild 2 Ein Frischluftkonzept aus kompakten Wolf-Lüftungsgeräten sorgt im Karolinen-Gymnasium Rosenheim für einen kontinuierlichen Luftwechsel.
Bild 3 German Engineering made by Wolf: Höchste Qualität auf kleinem Raum mit den Kompakt-Geräteklassen für die Nachrüstung in Bildungsstätten.

Wolf

Bild 3 German Engineering made by Wolf: Höchste Qualität auf kleinem Raum mit den Kompakt-Geräteklassen für die Nachrüstung in Bildungsstätten.

Kneip: Wir beobachten in allen Märkten, die besonders unter dem Lockdown zu leiden hatten, ein steigendes Interesse an Lüftungstechnik, denn ein gesundes Raumklima nimmt bei den Menschen einen immer höheren Stellenwert ein. Corona hat tatsächlich ein neues Bewusstsein für das „Lebensmittel Luft“ erzeugt. Der Schutz der Gesundheit durch die Bereitstellung hygienischer Luft in Gebäuden bleibt auch nach der Pandemie eine große Baustelle, die natürlich für die Branche ein enormes Potenzial bietet.

TGA: Die Empfehlungen des Umweltbundesamtes für eine maschinelle Lüftung gibt es bereits seit Jahren. Woran scheitert die Umsetzung in der Praxis bei Bildungseinrichtungen?

Kneip: Unsere bisherigen Erfahrungen mit Kommunen variieren sehr stark. Zum einen haben viele Schulträger nicht die finanziellen Mittel, um solche Investitionen tätigen zu können. Zum anderen ist der Wissensstand der Entscheidungsträger sehr unterschiedlich.

Wir erklären gerne unsere Technik und ihre Vorzüge, aber der Ball für die Gestaltung von Rahmenbedingungen liegt bei der Politik. Das betrifft technische Normen oder Grenzwerte genauso wie die Ausgestaltung von Förderprogrammen. Dabei sollten klare, zentrale Vorgaben zu den Anforderungskriterien gemacht werden, damit sich nicht jeder Sachaufwandsträger individuell in die zum Teil doch recht komplexe Thematik einarbeiten muss.

TGA: Welche Rolle spielt die Umweltgesetzgebung bei der Entwicklung der Märkte?

Kneip: Schon in der Vergangenheit waren die Energie- und Ressourceneffizienz und die damit verbundenen Anforderungen beim Umwelt- und Klimaschutz die wichtigsten Treiber für die wirtschaftliche Entwicklung der gesamten Klima- und Lüftungsbranche. Die ErP(Ökodesign)-Richtlinie der EU hat beispielsweise die Technik zur Wärmerückgewinnung vorangebracht.

Heute gewinnt die Integration einer Wärmepumpe in RLT-Geräte und ihre intelligente Regelung zunehmend an Bedeutung. Hier gehen Ökonomie und Ökologie Hand in Hand, denn das vorrangige Ziel ist, so wenig Energie wie möglich einsetzen zu müssen.

Förderprogramme von Bund und / oder Ländern für energieeffiziente Technik für Betreiber haben nicht nur auf ein konkretes Projekt bezogen positive Auswirkungen auf den Klimaschutz, sondern sie wirken zusätzlich als Konjunkturprogramm – für Hersteller, Planer und Installateure gleichermaßen.

Gleichzeitig sollte nun aber auch das Thema „gesunde Luft“ in der Förderpolitik berücksichtigt werden. Der Einbau einer RLT-Anlage darf nicht mehr nur dann gefördert werden, wenn auch eine umfassende energetische Sanierung des gesamten Gebäudes vorgenommen wird.

TGA: Ist also eine stark steigende Nachfrage Sicht? Wie können die Kapazitäten bei der Fachplanung und der Installation mithalten?

Kneip: Das Thema „gesundes Raumklima“ ist im Fokus der Öffentlichkeit und die Baubranche boomt. Im Moment wird sehr viel Geld in Sanierungen gesteckt, was nicht zuletzt auch dem niedrigen Zinsniveau geschuldet ist. Unsere Produktion können wir problemlos hochfahren, aber der limitierende Faktor in der deutschen Wirtschaft ist derzeit der Mangel an Material und Rohstoffen.

Neben den aktuellen Lieferengpässen ist das Thema Fachkräftemangel auf Planer- und auf Installationsseite nicht wirklich neu. Eine Chance für Unternehmen sind Quereinsteiger aus benachbarten Branchen, die entsprechend umgeschult werden können. Ebenso könnte sich die Branche noch mehr für Frauen öffnen und MINT-Berufe schon in der Schule für Mädchen interessanter präsentieren.

Aktuell sind weibliche Nachwuchskräfte in technischen Ausbildungsberufen eher eine Ausnahme, aber die Erfahrungen bei Wolf mit unseren jungen, engagierten Mitarbeiterinnen sind ausgesprochen positiv.

TGA: Wird es durch die unfreiwillige Corona-Publicity einfacher, Nachwuchs für die Branche zu gewinnen?

Kneip: Schülerinnen und Schüler, die durch die Pandemie geprägt wurden, haben zum Thema „gesundes Raumklima“ sicher einen anderen Bezug als die Schülergenerationen davor. Das könnte der Schlüssel sein, die Branche bei jungen Menschen attraktiver zu positionieren, um gemeinsam die vor uns liegenden Herausforderungen zu stemmen.

TGA: Was sind die wichtigsten Aufgaben, denen sich die Lüftungs- und Klima-Branche in naher Zukunft stellen muss?

Bild 4 In Kassel sind in 132 Räumen von 13 Schulen und drei Kindertagesstätten die dezentralen Comfort-Großraum-Lüftungsgeräte CGL von Wolf installiert worden.

Wolf / Jens Distelberg

Bild 4 In Kassel sind in 132 Räumen von 13 Schulen und drei Kindertagesstätten die dezentralen Comfort-Großraum-Lüftungsgeräte CGL von Wolf installiert worden.
Bild 5 Die Kombination serienmäßiger Produktion und modularer Konfiguration ermöglicht es Wolf, in kürzester Zeit KG-Top-Geräte in bis zu 23 Baugrößen zusammenzustellen.  

Wolf

Bild 5 Die Kombination serienmäßiger Produktion und modularer Konfiguration ermöglicht es Wolf, in kürzester Zeit KG-Top-Geräte in bis zu 23 Baugrößen zusammenzustellen.
 
 

Kneip: Wir sehen drei große Zukunftsthemen für die Lüftungs- und Klimabranche:

● In Räumlichkeiten, in denen sich viele Menschen begegnen, besteht die Notwendigkeit, mechanische Lüftungssysteme einzubauen. Das betrifft den Bestands- und den Neubau gleichermaßen. Insbesondere im Bestand sind einfach nachrüstbare, dezentrale Geräte gefragt, die im Sinne von Plug-and-play schnell installiert werden können.

● Weiterhin müssen RLT-Geräte smarter werden. Digitalisierung bedeutet für Wolf, noch intelligentere Regelungen und Algorithmen für den optimalen Betrieb zu entwickeln, um RLT-Geräte remote über das Internet zu monitoren sowie analysieren und optimieren zu können – Stichwort: Big Data.

● Das dritte Zukunftsthema ist der Klimaschutz. Wir brauchen effizientere Heiz- und Kühlmöglichkeiten, die CO2-Emissionen weitgehend vermeiden. Lüftungsgeräte mit Wärmepumpentechnologie werden dabei, unserer Einschätzung nach, eine tragende Rolle spielen.

TGA: Müssen die Regelwerke auf Basis der während der Coronavirus-Pandemie gemachten Herausforderungen angepasst werden?

Kneipp: Grundsätzlich sollten die Regelwerke für die höchste Luftqualität eingehalten werden, um das Infektionsrisiko zu verringern. Da mit steigender Außenluftrate das Infektionsrisiko sinkt, sind 100 % Außenluft anzustreben, insbesondere bei erhöhtem Infektionsrisiko oder bei erhöhtem Risiko schwerer Krankheitsverläufe.

Damit ist ein ungefilterter Umluftbetrieb bei zentralen und semizentralen RLT-Anlagen unbedingt zu vermeiden. Das gleiche gilt auch für ein Überströmen von Luft in verschiedene Aufenthaltsbereiche, hier muss die Branche künftig umdenken. Planungen für neue Anlagen sollten sich an aktuellen Erkenntnissen orientieren, der FGK-Status-Report 52 bietet beispielsweise eine gute Arbeitsgrundlage. Detaillierte Informationen zu Lüftungstechnik in Bildungseinrichtungen stellen wir hier zur Verfügung: www.wolf.eu/lueftung-bildungseinrichtungen

TGA: Ihr Appell an die Politik bzw. an die neue Bundesregierung?

Kneip: Gut durchdachte und langfristig wirksame Konzepte sollten generell das Ziel einer wirksamen klima- und wirtschaftsfreundlichen Politik sein. Gerade die Förderung energieeffizienter RLT-Anlagen auf dem neuesten Stand der Technik würde nicht nur für ein gesundes Raumklima sorgen, sondern zusätzlich unsere ehrgeizigen Klimaziele unterstützen. Eine solche Förderung sollte zwar zeitlich befristet sein, aber durch die langen Ausschreibungsverfahren muss sie eine längere Gültigkeit als nur ein Jahr haben.

Darüber hinaus sollte die Politik auch hin und wieder den Mut haben, gesunde Raumluft nicht nur durch Förderungen, sondern auch durch entsprechende Festlegung gesetzlicher oder regulatorischer Mindestanforderungen voranzutreiben. Das ist deutlich nachhaltiger als jede Förderung, reduziert den bürokratischen Aufwand und erhöht die Planungssicherheit bei allen Beteiligten.

TGA: Vielen Dank für das Gespräch.

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