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Internationaler Großwärmepumpen-Kongress

Ohne Großwärmepumpen gibt es keine Energiewende

Bild 1 Im Juni 2022 ging in Rosenheim die erste von drei iKWK-Anlagen offiziell in Betrieb. Eine wichtige Komponente dabei sind drei Groß-Wärmepumpen mit je 1,5 MW Heizleistung.

Stadtwerke Rosenheim

Bild 1 Im Juni 2022 ging in Rosenheim die erste von drei iKWK-Anlagen offiziell in Betrieb. Eine wichtige Komponente dabei sind drei Groß-Wärmepumpen mit je 1,5 MW Heizleistung.

Bis vor kurzem galten Großwärmepumpen noch als „nicht marktrelevant“. Stark steigende Gaspreise, der Ausstieg aus den fossilen Energien sowie gesetzliche Vorgaben über ein Nutzungsgebot erneuerbarer Energien bewirken in der Branche einen nie gekannten Hochlauf der Nachfrage. Die Denkfabrik Agora Energiewende prognostiziert, dass Großwärmepumpen bis zum Jahr 2050 eine dominierende Rolle bei der Dekarbonisierung der Fernwärme übernehmen. Eindrücke vom 6. Internationalen Großwärmepumpen-Kongress am 22. und 23. Juni 2022 in München.

Der Artikel kompakt zusammengefasst
Die neue Situation auf den Energiemärkten, eine grundlegende Neubewertung von Energieträgern und eine stärker auf erneuerbare Energien ausgerichtete Strategie der Bundesregierung sowie Förderprogramme und eine Korrektur im Gebäudeenergiegesetz geben Großwärmepumpen einen Schub.
■ Großwärmepumpen sollen in bestehenden Fernwärmenetzen und neuen Nahwärmesystemen einen erheblichen Beitrag zur klimaneutralen Wärmebereitstellung leisten.
■ Die Planung, Realisierung und der Betrieb von Verbundanlagen mit Großwärmepumpen ist keinesfalls trivial. Hier bietet sich die BIM-Planungsmethode an, um die Komplexität solcher Anlagen in den Griff zu bekommen, auch im Hinblick auf Optimierungsmaßnahmen im späteren Betrieb.
 

Ursprünglich sollte der Internationale Großwärmepumpen-Kongress bereits im Coronajahr 2020 in München stattfinden. Zu der damaligen Zeit wäre die Reaktion auf die Präsentationen von mehr oder weniger wirtschaftlichen, häufig stark geförderten Pilotprojekten wahrscheinlich eher verhalten gewesen.

Durch die aktuelle energiepolitische Situation mit stark steigenden Gaspreisen und (noch) eher moderat anziehenden Stromtarifen verschiebt sich die Perspektive auf die Wirtschaftlichkeit von Großwärmepumpen jedoch schlagartig. Ganz bestimmt spielt dabei auch die gefühlt höhere Versorgungssicherheit beim elektrischen Strom eine Rolle.

Paul Waning, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands Wärmepumpe (BWP), Berlin, brachte die Situation der Branche in seinen einleitenden Worten auf den Punkt: „Jetzt haben wir die Situation, von der wir immer geträumt haben.“ Die Erwartungshaltung am Markt habe sich total geändert. Die Frage, „was könnt ihr liefern und vor allem wann?“, sei heute ein gängiger Einstieg bei einem Kundengespräch. Waning weiter: „Die Chancen für Großwärmepumpen waren noch nie so gut wie heute.“

Richard Freimüller, Präsident des Verbands Wärmepumpe Austria, Linz, legte nach, „Jetzt geht es richtig los! Besser wäre allerdings ein kontinuierlicher Markthochlauf. Jetzt besteht quasi ein Zwang, zu liefern.“ Leider mangele es an geschultem Personal, deshalb müssten die Zertifizierungskurse schleunigst ausgebaut werden.

Oliver Krischer, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (live zugeschaltet aus Berlin) sieht Großwärmepumpen als ideale Lösung für bestehende Fernwärmenetze und neue Nahwärmesysteme. Ziel sei, bis 2030 rund 50 % der Wärmenetze auf eine klimaneutrale Wärmeerzeugung umzustellen.

„Bald ist mit 160-°C-Wärmepumpen zu rechnen“

Karl Ochsner sen. erläuterte in seinem Vortrag anhand von Referenzprojekten, wie breit die Einsatzmöglichkeiten von Großwärmepumpen sind. Er betonte, dass sich dieser Markt total von den üblichen Hauswärmepumpen unterscheidet. Ausschlaggebend für den Einsatz von Großwärmepumpen sind in erster Linie die zur Verfügung stehenden Wärmequellen, angefangen bei den Klassikern Grundwasser, Erdwärmesonden-Feldern sowie Außenluft und weiter zu Abwärme aus Abwasserkanälen und Kläranlagen, aus Kälteanlagen von Datacentern oder der Lebensmittelindustrie bis hin zur Abwärme aus Chemieanlagen, Zement- und Stahlwerken. Auch das Kühlwasser von BHKW gilt als leicht nutzbares Medium mit hohem Energiepotenzial.

Bild 2 Die Effizienz von Großwärmepumpen ist besonders hoch, wenn sowohl die warme als auch die kalte Seite gleichzeitig genutzt wird. Im Bild: Referenz eigenautarke Anlage, Vattenfall Hamburg.

Ochsner

Bild 2 Die Effizienz von Großwärmepumpen ist besonders hoch, wenn sowohl die warme als auch die kalte Seite gleichzeitig genutzt wird. Im Bild: Referenz eigenautarke Anlage, Vattenfall Hamburg.

Ochsner betont, dass die Vorlauftemperaturen von Prozess-Wärmepumpen weiter ansteigen, „130 °C können wir inzwischen standardmäßig liefern.“ Bald sei mit Hochtemperatur-Wärmepumpen zu rechnen, die Vorlauftemperaturen von 160 °C erreichen. Wichtig sei es, Wärme- und Kältenetze miteinander zu verbinden, denn so könne die Effizienz von Großwärmepumpen enorm gesteigert werden.

Bei einer Anlage (Gebäudeheizung und -Kühlung) von Vattenfall in Hamburg konnte durch die gleichzeitige Produktion von Wärme und Kälte ein COP von mehr als 8 erreicht werden (Bild 2). Auch Brauereien bieten laut Ochsner ideale Voraussetzungen für doppeltwirkende Wärmepumpen. In einer Brauerei in Bayern erreichte beispielsweise der Wärmepumpenprozess einen COP von 5,11 für den Heizfall und 3,57 für den Kühlfall. Als Wärmequelle steht die Abwärme aus dem Brauprozess zur Verfügung. Die hohe Vorlauftemperatur von 85 °C auf der Heizseite wird für die Flaschenreinigungsanlage genutzt.

Eine sichere Wärmequelle für den urbanen Raum ist nach den Erfahrungen von Ochsner die Temperatur des Abwassers. Damit könne man schon etwa 5 % des Wärmebedarfs einer Stadt abdecken, zumal das nutzbare Temperaturniveau ganzjährig vorliegt. Abwasser-Wärmepumpen lohnen sich nach den bisherigen Erfahrungen ab einem Einzugsgebiet von etwa 3000 Einwohnern. Ein wichtiges Tool zum Auffinden von nutzbarer Abwärme ist das Portal www.heatroadmap.eu

Wärme und Kälte aus Grundwasser

Das „Neue Balan“ im Münchner Stadtteil Ramersdorf gilt als herausragendes Beispiel für eine gelungene Konversion vom ehemaligen Siemens/Infineon-Firmengelände zum hippen Workplace für Unternehmen aus den Bereichen IT, Börse, Werbung, Bekleidung, Medien, Kommunikation, Gastronomie, Design, Architektur, Bau, Manufaktur und Fachhandel. Zusätzlich siedelten sich dort eine Montessori-Schule sowie die Hochschule für Design und Informatik an.

Aufgrund der Mischung mit ganz unterschiedlichen Bedürfnissen nach Wärme und Kälte haben sich die Stadtwerke München entschlossen, das Areal an das Fernwärmenetz anzuschließen und ein weiteres Inselnetz für Kälte auf der Basis von Grundwasser (direkt) sowie in Verbindung mit Kältemaschine und reversierbarer Wärmepumpe anzubieten.

Die Kältemaschine und die Wärmepumpen, die technische Optimierung, das Projektmanagement sowie der Service bei diesem Contractingprojekt kommen von Swegon. Die vorhandenen Gebäude auf dem etwa 100 000 m2 großen Gelände wurden grundsaniert und umgenutzt; nur wenige Gebäude sind neu. Das Energiekonzept:

● Kälte 17/20 °C aus Grundwasser, ca. 2,2 MW
● Kälte 8/14 °C aus Grundwasser mit Unterstützung einer Kältemaschine, ca. 0,7 MW
● NT-Wärme 40/30 °C aus Grundwasser mit Wärmepumpe, ca. 2,2 MW
● HT-Wärme 70 °C aus Fernwärme, ca. 0,7 MW

Bei der Planung wurde besonderer Wert darauf gelegt, einen möglichst hohen Anteil an Wärme und Kälte über die Wärmepumpe zu erzeugen. Bei der Entscheidungsfindung standen die Minimierung der CO2-Emission und die Wirtschaftlichkeit im Vordergrund. So sind alle Pumpen mit Frequenzumrichtern ausgerüstet. Zur Effizienzsteigerung, aber auch aus Platzmangel, wird direkt mit Brunnenwasser gekühlt, auch der Kondensator der Kältemaschine. Aus Gründen der Redundanz für die Klimaanlage des Rechenzentrums wurde neben der Wärmepumpe (1250 kW) und der Kältemaschine (760 kW) noch eine Hybridkälteanlage (1 250 kW) für einen dualen Betrieb installiert. Dadurch sind Leistungszahlen von bis zu 8 erreichbar (Bild 3).

Bild 3 Durch die Entscheidung für eine Hybridkältemaschine kann der gleichzeitige Bedarf von Kälte und Wärme mit einem COP von bis zu 8 gedeckt werden. Erst bei höherem Wärme- bzw. Kältebedarf geht die jeweilige Kältemaschine bzw. die Wärmepumpe in Betrieb.

Stadtwerke München / Swegon

Bild 3 Durch die Entscheidung für eine Hybridkältemaschine kann der gleichzeitige Bedarf von Kälte und Wärme mit einem COP von bis zu 8 gedeckt werden. Erst bei höherem Wärme- bzw. Kältebedarf geht die jeweilige Kältemaschine bzw. die Wärmepumpe in Betrieb.

Multiquellen-Wärmepumpen im Trend

„Modularen und standardisierten Wärmepumpen-Lösungen gehört die Zukunft“, sagt Michael Wördemann von Viessmann. Er wisse natürlich, dass die SHK-Fachfirmen mit der Auslegung und Installation von größeren Wärmepumpen-Anlagen ihre Probleme haben und versucht zu beruhigen: „Das ist keine Raketenwissenschaft! Es gibt keinen Fall, den wir nicht lösen können. Wir unterstützen die Heizungsbauer bei ihren Herausforderungen voll und ganz.“

Wie das funktioniert erklärte er am Beispiel einer Nahwärmeversorgungs-Lösung für sieben Gebäude, die Viessmann gemeinsam mit dem Planungsbüro Ortmann, Peine, entwickelt hat. Die Fakten:

● beheizte Wohnfläche 5348 m2
● Gesamtleistung Wärmepumpe 240 kW
● Endenergie 320 070 kWh/a
● Erdwärmesonden 30 Stück, à 100 m
● Nahwärmenetz < 45 °C

Wördemann empfiehlt, mehrere Simulationsrunden zu drehen, zumal bei Erdwärmesonden(EWS)-Feldern der Untergrund oft stark variiert. Und weiter: „Nehmen Sie sich bei Erdwärmesonden-Anlagen dieser Größe einen Geologen mit ins Boot.“ Die Ergebnisse der mehrfachen Simulation waren deutlich: Eine Regeneration des EWS-Felds muss funktional in das System integriert werden, um eine langfristige Unterkühlung des Erdreichs zu vermeiden.

Bild 4 Das Trinkwarmwasser wird dezentral je Gebäude über das 45-°C-Netz temperiert und über einen elektrischen Heizstab nacherwärmt. Strom dazu kommt auch von der Photovoltaik-Anlage auf dem Dach.

Ortmann / Viessmann

Bild 4 Das Trinkwarmwasser wird dezentral je Gebäude über das 45-°C-Netz temperiert und über einen elektrischen Heizstab nacherwärmt. Strom dazu kommt auch von der Photovoltaik-Anlage auf dem Dach.

Beim oben genannten Projekt entschieden sich Planer und Viessmann für die Einbindung eines Rückkühlwerks in den EWS-Kreislauf. Damit kann das EWS-Feld regeneriert werden und zudem steht in der Übergangszeit und im Sommer eine Wärmequelle mit höherer Temperatur zur Verfügung.

Der größte Knackpunkt dieses Projekts sei aber die MSR-Technik, besonders im Hinblick auf die Optimierung der EWS-Felder. Entlastend wirken hier vorgefertigte Hydraulikmodule und noch mehr Standardisierung. Wördemann: „Mit dem Verzicht auf einige Effizienzpunkte wird so eine Anlage wirtschaftlicher.“ Auch die Trinkwassererwärmung sei bei so einem Projekt keinesfalls trivial. Folgende drei Optionen wurden überprüft:

● Heizstab
● zentrale Warmwasser-Booster-Wärmepumpe
● dezentrale Warmwasser-Booster-Wärmepumpe in den Wohnungen

Aus wirtschaftlichen Gründen entschied sich der Kunde für die Anhebung des mit dem über das 45-°C-Netz vorgewärmten Warmwassers über einen Heizstab (Bild 4), der mit der PV-Anlage auf dem Dach gekoppelt ist. Planer und Viessmann hatten dagegen eine Booster-Lösung vorgeschlagen.

In jedem Fall empfiehlt Wördemann bei Anlagen dieser Größenordnung und Komplexität eine Planung nach der BIM-Methode sowie ein Monitoring und die Anlagenoptimierung über einen Zeitraum von drei Jahren.

Schlüsselelement Großwärmepumpe

„Der Wärmemarkt war lange so geregelt, dass ein effizienter Erdgaseinsatz vorangetrieben und damit Kohle und Heizöl verdrängt wurden. Regulatorisch bedingt sind dadurch Wärmepumpen-Lösungen im Fernwärmemarkt im Nachteil.“ Mit diesem Statement eröffnete Dr. Nikolaus Meyer, E.ON Energy Solutions, Berlin, seinen Vortrag über mögliche Strategien, den stark auf fossile Energien ausgerichteten Fernwärmemarkt zukünftig auf regenerative Energie umzustellen.

Ein wesentlicher Grund für den geringen Anteil von „Renewables“ im Fernwärmegeschäft sei die hohe Steuerlast auf Strom im Vergleich zu Gas. Deshalb spielen Wärmepumpen bisher in dieser Branche praktisch keine Rolle. So liege der Anteil fossiler Energie am Fernwärme-Markt derzeit bei 85 %.

Hintergrund dieser Entwicklung sind Begünstigungen für Erdgas-KWK-Anlagen, wie die KWK-Zulage von 4 bis 8 Ct/kWhel sowie reduzierte Entgelte und Abgaben. Hinzu kämen hohe Primärenergiegutschriften für KWK-Wärme sowie die Anerkennung der Erdgas-angetriebenen KWK als effiziente Brückentechnologie während des Ausstiegs aus Kohle und Kernkraft. Letztendlich war es auch der zuverlässige Bezug von billigem Erdgas aus Russland, der gasbetriebenen Fernwärmesystemen Vorteile verschaffte, so Meyer.

Bis dato sei der Strompreis rund drei- bis viermal höher als der Gaspreis. Hinzu kam, dass es bislang keine Betriebskostenzuschüsse für Wärmepumpen und keine Förderung der Investitionen in Wärmequellen für Wärmepumpen gab. Ein weiteres Hindernis sei die unterschiedliche Berechnung des Primärenergiefaktors für elektrisch angetriebene Wärmepumpen (0,5) und Netzstrom aus KWK-Anlagen (0,4). Ein weiteres Handicap von Großwärmepumpen für Fernwärmenetze seien die hohen Kosten für die Erschließung von Wärmequellen mit hoher Wärmekapazität.

Vorausgesetzt, die regulatorischen Nachteile für Wärmepumpen am Fernwärmemarkt werden beseitigt, könnte der Anteil der Wärmepumpen im Fernwärmemarkt von aktuell weniger als 1 % auf 44 % im Jahr 2050 wachsen, so eine Studie von Agora Energiewende (Bild 5).

Bild 5 Bei der Dekarbonisierung der Fernwärme spielt die Wärmepumpe zukünftig eine tragende Rolle, gefolgt von Wasserstoff.

Agora Energiewende

Bild 5 Bei der Dekarbonisierung der Fernwärme spielt die Wärmepumpe zukünftig eine tragende Rolle, gefolgt von Wasserstoff.

Eines der markantesten Projekte für den Einsatz von Großwärmepumpen in Fernwärmenetzen ist das von E.ON in Malmö betriebene Fernwärmenetz mit einer Wärmeproduktion von 2400 GWh/a und einer Spitzenleistung von 850 MW bei − 15 °C. Ein Beispiel für die Dekarbonisierung eines Fernwärmenetzes ist das Landauer Heizkraftwerk „Citigen“. Dort stellen drei kaskadierte Wärmepumpen (Kältemittel R1234ze) je 4 MW Wärme mit über 80 °C sowie Kaltwasser für ein Fernkältenetz bereit. Als Wärmequellen dienen Grundwasser, BHKW-Abwärme sowie die Abwärme einer Großkälteanlage. Ein weiteres E.ON-Projekt ist das Kaltnetz (8…15 °C) für das Neubauquartier „Kräuterpark“ in Stolpe, Schleswig-Holstein (34 Wohneinheiten). Als Wärmequelle dient hier ein Erdwärmesonden-Feld; die passenden Vorlauftemperaturen für Heizen und Kühlen werden dezentral in den Gebäuden über Wasser/Wasser-Wärmepumpen erzeugt.

Meyer plädiert dafür, das regulative Umfeld im Fernwärmemarkt zugunsten von Großwärmepumpen zu ändern, um so die Marktdurchdringung zu beschleunigen. Wichtig sei die Bundesförderung effizienter Wärmenetze (BEW) weiter auszubauen, beispielsweise die Notifizierung der geplanten Betriebskostenzuschüsse für Wärmepumpen in Fernwärmenetzen (7 Ct/kWth) oder Investitionszuschüsse für Großwärmepumpen und deren Wärmequellen. Außerdem sei es an der Zeit, den Primärenergiefaktor von Wärmepumpenstrom von 1,8 auf 1,2 zu reduzieren.

Anmerkung: Nach dem Kongress wurde mit der Verkündung des „Osterpakets“ (Änderung des Gebäudeenergiegesetzes in Artikel 18a, dort Seite 85) die Absenkung des Primärenergiefaktors für Großwärmepumpen ab 500 kWth für Wärmenetze bereits realisiert, der Passus tritt jedoch erst am 1. Januar 2023 in Kraft. Am 18. August 2022 wurde auch die inzwischen von der EU-Kommission beihilferechtlich genehmigte Richtlinie für die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze – BEW mit Regelungen zu Betriebskostenzuschüssen im Bundesanzeiger veröffentlicht. Sie tritt am 15. September 2022 in Kraft.

Wärmequelle Flusswasser

Warum nicht die rund 15 000 Flüsse in Deutschland als Wärmequellen für Wärmepumpen nutzen, fragt Oliver Rosteck von Johnson Controls, Essen. Deutschland habe extrem viel Flusswasser, das eher zu warm als zu kalt sei. Im Vergleich zum Jahresverlauf der Außenlufttemperatur sei die Flusswassernutzung als Wärmequelle für Wärmepumpen die effizientere Lösung. Allerdings werden an die Verdampfer hohe Anforderungen hinsichtlich Sicherheit und Reinigung gestellt. Eher negativ auf die Energieeffizienz wirken sich die sicherheitstechnischen Vorgaben zu einem Wasser/Glykol-Zwischenkreislauf aus.

Johnson Controls empfiehlt für die Flusswassernutzung eine zweistufige Ammoniak-Wärmepumpe, bestehend aus zwei Kolbenverdichtern, Shell & Plate-Kondensator mit Enthitzer und – je nach Wasserqualität und wasserschutzrechtlichen Vorgaben – einen reinigbaren Sicherheitsverdampfer. Bei 90/70-°C-Auslegung und einer Temperaturdifferenz bei der Wasserentnahme von 7 K erreichen Flusswasser-Wärmepumpen während der Heizsaison einen COP von 2,8, bei 70/50-°C-Auslegung einen COP von 3,29.

Ein aktuelles Beispiel für eine Flusswasser-Wärmepumpe ist das iKWK-Projekt (Bild 6) der Stadtwerke Rosenheim. Dort wurden in den Jahren 2021/22 drei Wasser/Wasser-Großwärmepumpen (3 × 1,5 MWth) in die Fernwärmeerzeugung des kommunalen Müllheizkraftwerks (MHKW) integriert (Bild 1). Neben der Abwärme des MHKW wird die Wärme des nahegelegenen Mühlbachs als zusätzliche Wärmequelle erschlossen. Der COP „Heizen“ wird mit 2,49 angegeben. Rosteck räumt ein, dass Vorschriften und Genehmigungen rund um die Flusswasser-Wärmepumpe nicht zu unterschätzen seien und fordert einheitliche Regeln für die Gewässernutzung bei Wärmeentzug durch Wärmepumpen.

Bild 6 Im Juni 2022 ging in Rosenheim die erste von drei iKWK-Anlagen offiziell in Betrieb. Eine wichtige Komponente dabei sind drei Groß-Wärmepumpen mit je 1,5 MW Heizleistung. Wärmequellen sind die Abwärme des Müllkraftwerks sowie der nahegelegene Mühlbach.

Stadtwerke Rosenheim

Bild 6 Im Juni 2022 ging in Rosenheim die erste von drei iKWK-Anlagen offiziell in Betrieb. Eine wichtige Komponente dabei sind drei Groß-Wärmepumpen mit je 1,5 MW Heizleistung. Wärmequellen sind die Abwärme des Müllkraftwerks sowie der nahegelegene Mühlbach.

KWK mit Wärmepumpe koppeln

„Früher war der Markt für Großwärmepumpen zäh und deshalb für die meisten Hersteller unattraktiv. Jetzt erhält die Branche dank der Programme ‚Bundesförderung effiziente Wärmenetze (BEW)‘ und ‚Bundesförderung effiziente Gebäude (BEG)‘ den dringend benötigten Aufwind, sagt Christian Henkel von der Carrier-Niederlassung Bamberg. Das BEW hat zum Ziel, den Anteil erneuerbarer und klimafreundlicher Wärmequellen in den Wärmenetzen bis zum Jahr 2030 auf 30 % auszubauen.

Durch die Bundesförderungen lassen sich sogenannte „innovative Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen“ (iKWK-Anlagen) einfacher umsetzen. Bei einer iKWK-Anlage wird ein herkömmliches BHKW mit einer Wärmequelle aus erneuerbarer Energie, beispielsweise eine thermische Solaranlage oder eine Wärmepumpe, und einem elektrischen Wärmeerzeuger (meist eine Power-to-Heat-Anlage) hydraulisch und regelungstechnisch verbunden. Am Beispiel des 40 ha großen Campus der Universität Bayreuth erklärte Henkel, wie so ein Netz funktioniert und wo die Schwachstellen in der Förderung liegen.

Die von den Stadtwerken Bayreuth betriebene Anlage in der Energiezentrale Nord setzt sich zusammen aus:

● BHKW, 3,36 MWel und 3,17 MWth, Fabrikat Jenbacher
● Elektrodenkessel 2 × 9,3 MW (Spitzenlast)
● 2 Wärmepumpen à 0,7 MWth, Fabrikat Carrierr 30 XW-P 0712B
● Luftkühler Fabrikat Thermofin

Vorhanden sind drei Netze mit den Temperaturen 90 °C, 50 °C und 6 °C, wobei die Luft/Wasser-Wärmepumpen aus Effizienzgründen in das 50-°C-Netz einspeisen. Die Betriebsweise der Wärmepumpe (mit Schraubenverdichter) ist so gewählt, dass eine Abtauung der Luftkühler vermieden wird.

Henkel räumt ein, dass die Inbetriebnahme einer solchen Anlage mehr Zeit als kalkuliert brauchte, und weiter: „Ohne Förderung nach ‚iKWK‘ wäre das Projekt nicht realisierbar gewesen.“ Allerdings hätte das Förderprogramm auch Schwachstellen, die eine höhere Effizienz der Wärmepumpen behindern. So bot sich in Bayreuth eine Wärme-Kraft-Kälte-Koppelung an, die jedoch in den iKWK-Förderstatuten nicht vorgesehen ist. Damit könnte der COP von 3,7 (nur Wärme, 10 °C Außenlufttemperatur, Bild 7) auf 7,6 gesteigert werden. „Wir hoffen auf eine Novellierung der Förderbedingungen, denn nur so kann energiesparend auch wirtschaftlich sein“, betont Henkel.

Bild 7 Einbindung der Wärmepumpe in das Wärmenetz. Die iKWK-Förderung verbietet bisher, dass die kalte Seite der Wärmepumpe direkt für Kälteanwendungen genutzt wird. Somit liegt der COP beim Projekt Universität Bayreuth nur bei 3,7; mit Wärme-Kraft-Kälte-Koppelung kann ein COP zwischen 7 und 8 erreicht werden.

Christian Henkel, Carrier

Bild 7 Einbindung der Wärmepumpe in das Wärmenetz. Die iKWK-Förderung verbietet bisher, dass die kalte Seite der Wärmepumpe direkt für Kälteanwendungen genutzt wird. Somit liegt der COP beim Projekt Universität Bayreuth nur bei 3,7; mit Wärme-Kraft-Kälte-Koppelung kann ein COP zwischen 7 und 8 erreicht werden.

Wärmeverbund von industriellen und kommunalen Verbrauchern

Mehr als 600 t/a an CO2-Emissionen werden in Waldbronn nahe Karlsruhe durch die Verknüpfung von Energiebedarfen des kommunalen Freibads, einer Eissporthalle sowie der Bürogebäude zweier Industrieunternehmen vermieden. Die Betriebe einigten sich unter der Federführung von EnBW Contracting, Karlsruhe, auf einen Energieverbund auf der Basis einer Wasser/Wasser-Wärmepumpe mit einer Leistung von 500 kWth, zwei BHKW (1 × 450 kWth / 340 kWel; 1 ×  380 kWth / 259 kWel) sowie zwei Heizkesseln (750 kW Brennwert und 875 kW). Außerdem sind vier Kompressionskältemaschinen (2 × 790 kWth, 2 × 600 kWth) sowie fünf Hybridkühler (4 × 640 kWth, 1 × 620 kWth) in das Energiekonzept eingebunden.

Durch die Aufteilung der Verteilnetze in zwei Nahkältenetze (Prozesskälte und Klimakälte) und zwei Nahwärmenetze (HT/NT) mit jeweils unterschiedlichen Temperaturen sowie die gleichzeitige Auskopplung von Wärme und Kälte arbeitet die Wärmepumpe im Jahresmittel mit einer Jahresarbeitszahl von über 10, so die realen Messungen des Contractors.

Dr. Andreas Marquard von EnBW Contracting schätzt die Regelung einer so komplexen Anlage als „anspruchsvoll“ ein, weshalb beim Projekt Waldbronn (Bild 8) messtechnische Nachbesserungen notwendig waren. Nach mehreren Optimierungsrunden verhalte sich die Anlage jetzt „gutmütig“ mit einer Verfügbarkeit von 98 % und generiere hohe Energie- und CO2-Einsparungen. 2021 betrugen die Kostenvorteile gegenüber der Variante „Gaskessel und reine Kompressionskältemaschine“ mehr als 45 000 Euro/a. Durch die veränderte Energiepreissituation rechnet EnBW Contracting für 2022 mit einem Kostenvorteil von etwa 110 000 Euro.

Bild 8 Mehr als 600 t CO2 im Vergleich zu einer dezentralen Energieversorgung werden durch den „Energieverbund Waldbronn“ eingespart. Einen wesentlichen Beitrag dazu leistet eine Wärmepumpe, die gleichzeitig Nutzwärme und Nutzkälte erzeugt.

Marquard, EnBW

Bild 8 Mehr als 600 t CO2 im Vergleich zu einer dezentralen Energieversorgung werden durch den „Energieverbund Waldbronn“ eingespart. Einen wesentlichen Beitrag dazu leistet eine Wärmepumpe, die gleichzeitig Nutzwärme und Nutzkälte erzeugt.

Heißwasser statt Molkereidampf

Die Referenten des Kongresses waren sich einig: Der Attentismus bei den Betreibern industrieller Wärme- und Kälteerzeugungsanlagen ist groß. Killerphrase Nr. 1 gegenüber Neuerungen ist mit Sicherheit der Standardsatz „das haben wir schon immer so gemacht“ oder „das wird bei uns so nicht funktionieren“.

Auch Christian Demmerer vom gleichnamigen Ingenieurbüro in Bad Mitterndorf/Österreich, kennt solche Totschlagargumente. Dennoch konnte er bei der Ennstal Milch AG, Standort Stainach Pürgg, Österreich, den Betreiber der wärme- und kältetechnischen Anlagen davon überzeugen, dass Dampf für die CIP-Reinigungsanlagen (CIP Cleaning in Place, Reinigung von Produktionsanlagen ohne vorherige Demontage) heute nicht mehr notwendig ist, da mit Heißwasser von 90 °C eine ähnlich hohe Reinigungsqualität erzielbar ist.

Bild 9 Viele Dampfanlagen werden mit dem Argument betrieben, „das haben wir schon immer so gemacht“. CIP-Anlagen mit Dampf als Wärmeträger können bei vielen Anwendungen durch Heißwasser von 90 °C ersetzt werden. Die Abbildung zeigt das Monitoring der wöchentlichen CIP-Durchschnittswerte im Alt- und Neubau und liefert den Beweis, dass sich das Investment lohnt.

Demmerer / Baumgartner

Bild 9 Viele Dampfanlagen werden mit dem Argument betrieben, „das haben wir schon immer so gemacht“. CIP-Anlagen mit Dampf als Wärmeträger können bei vielen Anwendungen durch Heißwasser von 90 °C ersetzt werden. Die Abbildung zeigt das Monitoring der wöchentlichen CIP-Durchschnittswerte im Alt- und Neubau und liefert den Beweis, dass sich das Investment lohnt.

Demmerer entschied sich für den Einbau einer Hochtemperatur-Wärmepumpe, die ihre Wärme der bestehenden Eiswasseranlage entzieht. Es handelt sich um eine NH3-Wärmepumpe (576 kW, Fabrikat Engie, heute Equans) mit direkter Heißgasnutzung, sodass eine Heißwassertemperatur von maximal 95 °C erreicht wird; der COP liegt bei 4,38.

Durch den Wechsel von Dampf zu Heißwasser konnte die Molkerei die Jahreskosten für die CIP-Anlagen von gut 170 000 Euro auf 46 900 Euro senken (Bild 9). Unter Berücksichtigung eines Förderbetrags von rund 30 % der Investitionskosten liegt die Amortisation nach Berechnungen von Demmerer bei nur vier Jahren.

Mehr Engagement gefordert

Der Geschäftsführer der Fachvereinigung Wärmepumpen Schweiz (FWS) und Mitveranstalter des Großwärmepumpen-Kongresses, Stephan Peterhans, forderte die Branche am Ende der Veranstaltung zu mehr Engagement im Bereich Großwärmepumpen auf: „Der Markt und die Art der Ansprache von Kunden unterscheidet sich komplett vom Wärmepumpenmarkt für Ein-, Zwei- und Mehrfamilienhäuser.“

Bild 10 Der nächste Großwärmepumpen-Kongress findet am 25. März 2023 in Zürich statt. Im Bild das Züricher Rathaus, das im Jahr 1938 mit der ersten Wärmepumpe weltweit beheizt und damals schon gekühlt wurde.

Roger Heil / stock.adobe.com

Bild 10 Der nächste Großwärmepumpen-Kongress findet am 25. März 2023 in Zürich statt. Im Bild das Züricher Rathaus, das im Jahr 1938 mit der ersten Wärmepumpe weltweit beheizt und damals schon gekühlt wurde.

Wichtig sei eine Kooperation mit den fachspezifischen Verbänden im Bereich Geothermie, Kraft-Wärme-Kopplung, Fernwärme sowie Prozesswärme bzw. Prozesskälte. Da diese Bereiche bisher kaum bearbeitet worden sind, müsse man dringend die dort vorhandenen Potenziale erkunden. Wichtig sei, die Kälte- und Wärmeproduktion miteinander zu verknüpfen, denn damit könne man hohe Jahresarbeitszahlen erreichen. Wärmequellen für Großwärmepumpen gebe es aus seiner Sicht „mehr als gedacht“, man müsse sie nur optimieren.

Allerdings sei die Planung, Realisierung und der Betrieb solcher Verbundanlagen keinesfalls trivial. Hier biete sich die BIM-Planungsmethode geradezu an, um die Komplexität solcher Anlagen in den Griff zu bekommen, auch im Hinblick auf Optimierungsmaßnahmen im späteren Betrieb. Denn die Erfahrungen würden zeigen, dass Großwärmepumpen-Anlagen trotz sorgfältiger Planung und Ausführung über einen längeren Zeitpunkt überwacht und optimiert werden müssen. Sinnvoll wäre es deshalb, etwa drei Jahren für Monitoring und Optimierung einzuplanen. In einem nächsten Schritt gelte es, auch Photovoltaik-Anlagen und die E-Mobilität in solche Verbundlösungen zu integrieren und damit die Auslastung von KWK-Anlagen nochmals zu verbessern.

Der nächste Großwärmepumpen-Kongress findet am 25. März 2023 in Zürich statt.

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Wolfgang Schmid
ist freier Fachjournalist für Technische Gebäudeausrüstung, München, wsm@tele2.de

Margot Dertinger-Schmid

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