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Energiepreise

Gaspreisbremse benachteiligt schon lange sparsam heizende Haushalte

Die Gaspreisbremse wird die Steigerung der Gaskosten im Jahre 2023 bei den meisten Verbrauchern nur abmindern. Ohne eine Senkung des Gasverbrauchs wird Heizen mit Erdgas sonst sehr teuer sein.

Wolfilser – stock.adobe.com

Die Gaspreisbremse wird die Steigerung der Gaskosten im Jahre 2023 bei den meisten Verbrauchern nur abmindern. Ohne eine Senkung des Gasverbrauchs wird Heizen mit Erdgas sonst sehr teuer sein.

Ein kontingentierter Garantiepreis von 12 Ct/kWh soll die Gaskosten bremsen. Schon lange sparsam heizende Haushalte werden dabei benachteiligt.

Kann das sein? Ein Haushalt, der schon immer sparsam beim Heizen war, wird 2023 höhere Gaskosten als ein Haushalt haben, der unter sonst gleichen Voraussetzungen erst angesichts sehr hoher Gaspreise Heizenergie spart – obwohl beide Haushalte nun den gleichen Gasverbrauch aufweisen.

Diese Benachteiligung entsteht durch die Konstruktion der Gaspreisbremse. Sie belohnt sogar die kurzfristige Reaktion stärker als die zurückliegende Energieeinsparung durch eine Heizungsmodernisierung oder eine Heizungsoptimierung.

Garantiepreis für 80 % der Jahresverbrauchsprognose

Dass innerhalb weniger Wochen eine Gaspreisbremse aufgesetzt werden kann, die für jeden Einzelfall zu einer gerechten Entlastung führt, ist wohl ein unmögliches Unterfangen. Zu unterschiedlich sind die vielfältigen Anforderungen, die zu beachten sind. Insofern ist es nachvollziehbar, dass die Politik dem vergleichsweise einfachen Modell der Gaskommission folgen will:

Im Regelfall soll für 80 % der Jahresverbrauchsprognose, die der Abschlagszahlung im September 2022 zugrunde lag, eine Preisgarantie gelten (kontingentierter Garantiepreis). Für den darüber hinausgehenden Verbrauch muss der Gaskunde dann den mit seinem Gasversorger vertraglich vereinbarten Preis bezahlen (Marktpreis).

Nach der aktuellen Diskussion soll der kontingentierte Garantiepreis für Erdgas wie von der Gaskommission vorgeschlagen für Haushalte 12 Ct/kWh (Brutto-Arbeitspreis inklusive aller staatlich induzierten Preisbestandteile) betragen. Die Verrechnung muss vollständig und automatisch der Gasversorger übernehmen, die Gaskunden müssen nicht aktiv werden.

Geplant ist, dass die Gaspreisbremse ab März 2023 rückwirkend zum 1. Januar 2023 greift. Der kontingentierte Garantiepreis soll bis April 2024 gelten. Das dafür erforderliche Gesetz liegt allerdings nur als Referentenentwurf vor und wird unter anderem im Bereich Umsetzung durch die Energieversorger scharf kritisiert. Ein breiter Konsens existiert jedoch für die angedachte Entlastung.

Die Kontingentierung auf 80 % soll neben einer Begrenzung der Kosten und Anreizen für den Wettbewerb zwischen den Gasversorgern auch dafür sorgen, dass die Gaskunden trotz der Gaspreisbremse Erdgas einsparen. Insofern ist interessant, welche Einsparstrategien zu welchen Kosten und zu welchen Entlastungen führen.

Musterhaushalt mit fünf Fallkonstellationen

Um zu verdeutlichen, welche Unterschiede sich bei den Gaskosten und bei den staatlichen Entlastungen abhängig vom Verbraucherhalten ergeben, wird ein Musterhaushalt angenommen. Der Musterhaushalt hat im Jahr 2020 bei einer typischen Nutzung 20 000 kWh/a („Standardverbrauch“) Erdgas für Raumheizung und Trinkwassererwärmung bezogen.

Fall 4: Der Musterhaushalt hat wie im Fall 3 seinen Gasverbrauch ab 2021 um 10 % gesenkt. Er realisiert aber im Jahr 2023 eine höhere Einsparung vom insgesamt 20 % gegenüber dem Standardverbrauch. Im Jahr 2023 werden ihm somit 14 400 kWh zum Garantiepreis geliefert, für 1600 kWh muss er den tatsächlichen Tarif bezahlen. Der Gasverbrauch entspricht dem Gasverbrauch im Fall 2.

Fall 5: Der Musterhaushalt hat zum Jahreswechsel 2020/21 seine Gas-Heizung erneuert und eine kleine Solarthermie-Anlage installiert. Ab 2021 ist dadurch sein Gasverbrauch um 30 % gegenüber dem Standardverbrauch gesunken und beträgt nun 14 000 kWh. Weitere Einsparungen realisiert er nicht. Im Jahr 2023 werden ihm dadurch 11 200 kWh zum Garantiepreis geliefert, für 2800 kWh muss er den tatsächlichen Tarif  bezahlen

Fall 1: Der Musterhaushalt ändert sein Verbrauchsverhalten nicht und bezieht weiterhin 20 000 kWh/a Erdgas. Im Jahr 2023 werden somit 16 000 kWh zum Garantiepreis geliefert, für 4000 kWh muss er den tatsächlichen Tarif bezahlen.

Fall 2: Der Musterhaushalt verhält sich wie im Fall 1, jedoch senkt er – wie von der Bundesregierung erhofft – im Jahr 2023 seinen Verbrauch um 20 %. Im Jahr 2023 wird dadurch der gesamte Gasverbrauch von 16 000 kWh zum Garantiepreis geliefert.

Fall 3: Der Musterhaushalt hat bereits ab 2021 seinen Gasverbrauch um 10 % gegenüber dem Standardverbrauch gesenkt. Nach der Abrechnung für das Jahr 2021 er eine neue Jahresverbrauchsprognose von 18 000 kWh/a. Im Jahr 2023 werden ihm somit 14 400 kWh zum Garantiepreis geliefert, für 3600 kWh muss er den tatsächlichen Tarif bezahlen.

Gaskosten der Musterhaushalte bei 22,00 Ct/kWh

Um die Gesamtkosten für den Gasbezug im Jahr 2023 zu berechnen, werden zunächst die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) für Beispielrechnungen zur Gaspreisbremse angesetzten Preise angesetzt: 8,00 Ct/kWh im Jahr 2022 und 22,00 Ct/kWh im Jahr 2023. Die Messkosten wurden mit dem vom BDEW in der „Gaspreisanalyse September 2022“ veröffentlichten Kennwerten veranschlagt.

● Wenig überraschend ist, dass im Fall 1 mit dem höchsten Gasverbrauch und ohne Einsparung die höchsten Gaskosten von 2800 Euro im Jahr 2023 anfallen. Dabei berücksichtigt ist eine Entlastung durch den Staat von 1600 Euro.

● Im Fall 2 (20 % Einsparung gegenüber Fall 1) sinken die Gaskosten deutlich auf 1920 Euro. Die Entlastung durch den Staat beträgt 1604 Euro.

● Obwohl im Fall 4 nicht mehr Gas als im Fall 2 aufgewendet wird, hat dieser Haushalt um 160 Euro höhere Gaskosten von 2080 Euro. Denn durch die Einsparungen in den Vorjahren steht dem Haushalt ein kleineres Kontingent zum Garantiepreis zur Verfügung. Die Entlastung durch den Staat beträgt 1443 Euro.
Um auf die gleichen Gaskosten wie im Fall2 zu kommen, müsste der Haushalte im Jahr 2023 eine Einsparung von 23,6 % gegenüber dem Standardverbrauch erzielen.

Gaskosten im Jahr 2023 für einen Musterhaushalt mit einem Standardverbrauch von 20 000 kWh/a bei unterschiedlicher Entwicklung des tatsächlichen Gasverbrauchs.

JV

Gaskosten im Jahr 2023 für einen Musterhaushalt mit einem Standardverbrauch von 20 000 kWh/a bei unterschiedlicher Entwicklung des tatsächlichen Gasverbrauchs.

● Auch der Haushalt mit Heizungsmodernisierung im Fall 5 hat trotz eines um 12,5 % geringeren Gasverbrauchs um 41 Euro höhere Gaskosten von 1961 Euro. Die Entlastung durch den Staat beträgt 1125 Euro.
Hätte der Haushalt die Heizungsmodernisierung nicht 2020, sondern im Jahr 2022 realisiert, würden seine Gaskosten im Jahr 2023 nur 1680 Euro betragen. Die Entlastung durch den Staat würde 1405 Euro betragen.

● Im Fall 3 zahlt sich die langfriste konstante Einsparung nur bedingt aus, die Gaskosten betragen 2520 Euro. Wäre die 10%ige Einsparung erst ab 2023 realisiert worden, würden um 160 Euro geringere Gaskosten von 2360 Euro anfallen. Die Entlastung durch den Staat beträgt 1442 Euro.

Nicht plausible Verhältnisse

Fazit: Mit dem BMWK-Gaspreis von 22,00 Ct/kWh ergibt sich für alle fünf Fälle die gewünschte hohe Entlastung. Sie liegt im Jahr 2023 zwischen 1124 und 1604 Euro.

Zwischen den fünf Fällen ergeben sich aber nicht plausible Verhältnisse. Wer schon früh sparsam geheizt hat, wird im Vergleich weniger entlastet und hat höhere Gaskosten.

Angekündigt ist auch, dass ein weiterer Vorschlag der Gaskommission umgesetzt wird: Bei Haushalten mit einem Einkommen ab 75 000 Euro soll die staatliche Entlastung ab 2023 als geldwerter Vorteil besteuert werden. Durch den „harten Einstieg“ in die Besteuerung sind an der Bemessungsgrenze ebenfalls Konstellationen zum Stirnrunzeln abzusehen.

Ob ein Gaspreis von 22,00 Ct/kWh für 2023 repräsentativ ist, lässt sich kaum vorhersagen. Variiert man den Gaspreis, steigt mit dem Gaspreis die Ungerechtigkeit. Mit sinkendem Gaspreis ergibt sich Kostengleichheit zwischen Fall 2 und Fall 5 bei 20,53 Ct/kWh. Kostengleichheit zwischen Fall 2 und Fall 4 ergibt sich erst bei Gaskosten, die dem Garantiepreis von 12 Ct/kWh entsprechen.

Auch bei der Soforthilfe bekommen die sparsameren Haushalte eine geringere Entlastung. Für die Fälle 1 und 2 beträgt sie mit dem BMWK-Gaspreis von nur 8,00 Ct/kWh rund 120 Euro. In den Fällen 3 und 4 beträgt die Soforthilfe 108 Euro und im Fall 5 rund 84 Euro. ■
Quellen: BMWK, BDEW / jv

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