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Gebäudeenergiegesetz

„Mehr Dämmung als nach GEG erhöht CO2-Emissionen“

Ohne dekarbonisierte Energieträger und ohne Defossilisierung der Grundstoffversorgung werden beim Bauen und bei der Herstellung vieler klassischer Baustoffe Treibhausgasemissionen in erheblichem Umfang freigesetzt.

U. J. Alexander – stock.adobe.com

Ohne dekarbonisierte Energieträger und ohne Defossilisierung der Grundstoffversorgung werden beim Bauen und bei der Herstellung vieler klassischer Baustoffe Treibhausgasemissionen in erheblichem Umfang freigesetzt.

Wie viel Dämmung ist auch auf längere Sicht optimal? Die Diskussion wird schon jahrelang mit unterschiedlichsten Ergebnissen geführt. Nun hat der Zentrale Immobilien Ausschusses ZIA, Spitzenverband der Immobilienwirtschaft, eine Studie vorgelegt, deren Ergebnisse der ZIA so zusammenfasst: „Mehr Dämmung führt zu erhöhten CO2-Emissionen“.

Aus einer aktuellen Studie (November 2021) von Univ.-Prof. Dr. Manfred Norbert Fisch (Steinbeis-Innovationszentrum siz energieplus) und Univ.-Prof. Dr. Kunibert Lennerts (Karlsruher Institut für Technologie, KIT) im Auftrag des ZIA geht für den Spitzenverband der Immobilienwirtschaft hervor: „Noch mehr Dämmung, als das geltende Gebäudeenergiegesetz (GEG) fordert, führt nur noch zu geringen und rein theoretischen Einsparungen des Heizwärmebedarfs und aufgrund des Ressourcenaufwands gleichzeitig zu erhöhten CO2-Emissionen. Es sollte daher keine weiteren Verschärfungen der Anforderungen an die Gebäudehülle für den Neubau geben.“

Fokus auf Betriebsoptimierung und Solarisierung

Um eine Halbierung der Treibhausgasemissionen bis 2030 zu erreichen, müsse sich die neue Bundesregierung auf schnell wirksame und umsetzbare Maßnahmen konzentrieren. Dazu zählen laut der Studie insbesondere die Betriebsoptimierung, die Solarisierung der Dachflächen zur Stromproduktion, der Ausbau von und der Anschluss an Fernwärmenetze sowie der Umstieg auf Wärmepumpen.

Allein mit der Betriebsoptimierung und der Solarisierung von Dachflächen ließen sich erhebliche Potenziale zur CO2-Reduktion erschließen. Bei Wirtschaftsimmobilien seien durch Betriebsoptimierungen im Mittel bis zu 30 % Einsparung der Endenergie oder insgesamt eine Vermeidung von etwa 10 Mio. t/a CO2-Emissionen möglich. Für den Bereich Wohnimmobilien seien CO2-Einsparungen von 8 bis 10 % realistisch.

Aufgrund dieser Relevanz, einem in der Regel günstigen Kosten-Nutzenverhältnis, der niedrigen CO2-Vermeidungskosten und der zeitnahen Umsetzungsmöglichkeiten, solle der aktuelle Fördersatz für Effizienzmaßnahmen an der Anlagentechnik in der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) von derzeit 20 % deutlich erhöht werden.

Download der Studie: Verantwortung übernehmen. Der Gebäudebereich auf dem Weg zur Klimaneutralität.

Der ZIA leitet aus der Studie 9 Handlungsempfehlungen ab:

● Schnell wirkende Maßnahmen zur Senkung von THG-Emissionen fördern
● Umstellung der Regularien auf Treibhausgasemissionen vereinfachen
● Energetische Sanierung im Bestand fördern und ausbauen
● Nicht noch mehr Dämmung
● Wärmeversorgung dekarbonisieren
● Betriebsdaten mithilfe der Digitalisierung transparent machen – Smart Readiness Indicator (SRI)
● Förderbonus für tatsächlich erreichte Emissionsminderungen
● Fachkräftemangel vermindern und Ressourcenknappheit berücksichtigen
● Nationale Gebäudedatenbank einrichten

Dekarbonisierung der Wärmeversorgung

In einem Extended Executive Summary machen die Autoren auch klare Aussagen zur Dekarbonisierung der Wärmeversorgung für den Gebäudesektor, was für das Ziel klimaneutraler Gebäudebestand elementar ist:

 
„Die Transformation zur klimaneutralen Wärmeversorgung des Gebäudebestands muss beschleunigt werden. Notwendig ist die zeitnahe Verdrängung fossiler Energieträger durch die Umstellung auf strombasierte Wärmeerzeuger, wie z.B. elektrische Wärmepumpen, und der Ausbau sowie die Dekarbonisierung der Fern- bzw. Nahwärmenetze.

Jetzt sind politische Weichenstellungen notwendig, um zeitnah ausreichende Strommengen aus Erneuerbaren Energien zu produzieren sowie die erforderliche Infrastruktur zur Verteilung und Speicherung aufzubauen. Hier ist der Quartiersansatz verstärkt zu berücksichtigen. Eine Dekarbonisierung der Infrastrukturen muss parallel erfolgen und fällt in den Verantwortungsbereich der Energiewirtschaft.

Wo immer möglich sollten dezentrale Abwärmepotenziale z.B. aus der elektrolytischen Erzeugung von Wasserstoff oder der Nutzung von Überschussstrom aus regenerativen Quellen nach dem Prinzip power-to-heat [power2heat] erschlossen und integriert werden (Sektorenkopplung). Hingegen ist Grüner Wasserstoff nicht für die Beheizung von Gebäuden, sondern im ganzheitlichen Kontext der Energiewende zielführender in den Sektoren Industrie und Verkehr einzusetzen.“ 
 

Im Kontext:
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Exkurs: Ampel-Koalitionsvertrag ohne GEG-Novelle

Es ist überraschend, aber der Ampel-Koalitionsvertrag kündigt keine umfassende Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) mit Systemwechsel an. Aber es gibt Ankündigungen zu Gebäudestandards und Anlagentechnik:

„Im Rahmen des Klimaschutzsofortprogramms führen wir 2022 nach dem Auslaufen der Neubauförderung für den KfW-Effizienzhausstandard 55 (EH 55) ein Förderprogramm für den Wohnungsneubau ein, das insbesondere die Treibhausgas-Emissionen (THG-Emissionen) pro m2 Wohnfläche fokussiert und ändern das Gebäudeenergiegesetz (GEG) wie folgt:

Zum 1. Januar 2025 soll jede neu eingebaute Heizung auf der Basis von 65 % erneuerbarer Energien betrieben werden; zum 1. Januar 2024 werden für wesentliche Ausbauten, Umbauten und Erweiterungen von Bestandsgebäuden im GEG die Standards so angepasst, dass die auszutauschenden Teile dem EH 70 entsprechen;…

…im GEG werden die Neubau-Standards zum 1. Januar 2025 an den KfW-EH 40 angeglichen. Daneben können im Rahmen der Innovationsklausel gleichwertige, dem Ziel der THG-Emissionsreduzierung folgende Maßnahmen eingesetzt werden.“

Das GEG sieht momentan in § 9 „Überprüfung der Anforderungen an zu errichtende und bestehende Gebäude“ vor:

(1) Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie und das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat werden die Anforderungen an zu errichtende Gebäude […] unter Wahrung des Grundsatzes der Technologieoffenheit im Jahr 2023 überprüfen und nach Maßgabe der Ergebnisse der Überprüfung innerhalb von sechs Monaten nach Abschluss der Überprüfung einen Gesetzgebungsvorschlag für eine Weiterentwicklung der Anforderungen an zu errichtende und bestehende Gebäude vorlegen. Die Bezahlbarkeit des Bauens und Wohnens ist ein zu beachtender wesentlicher Eckpunkt.

(2) Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie und das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat werden unter Wahrung der Maßgaben des Absatzes 1 bis zum Jahr 2023 prüfen, auf welche Weise und in welchem Umfang synthetisch erzeugte Energieträger in flüssiger oder gasförmiger Form bei der Erfüllung der Anforderungen an zu errichtende Gebäude […] und bei der Erfüllung der Anforderungen an bestehende Gebäude […] Berücksichtigung finden können.“