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Regelwerk

Trinkwasserverordnung geht vor Gebäudeenergiegesetz

Das Umweltbundesamt hat nach Anhörung der Trinkwasserkommission die „Kollisionsregel Trinkwasserverordnung und Gebäudeenergiegesetz – Mindesttemperatur von erwärmtem Trinkwasser aus Großanlagen zur Trinkwassererwärmung“ mitgeteilt.

Adressat der Mitteilung sind Bauherren, Architekten und Fachplaner von Gebäuden, Gesundheitsämter sowie Planer, Installateure und Unternehmer oder sonstige Inhaber (UsI) von Trinkwasser-Installationen. Hintergrund ist zwar eine konkrete Auslegung, aber sie gibt auch Einblick in die Frage, ob eine Verordnung ein Gesetz in die Schranken weisen kann.

Hinweis der Redaktion: Mit dem Inkrafttreten der novellierten Trinkwasserverordnung (TrinkwV) am 24. Juni 2023 geben die konkreten Bezüge der UBA-Mitteilung nicht mehr den aktuellen Stand wieder. Inhaltlich hat sich die Bewertung „Trinkwasserverordnung geht vor Gebäudeenergiegesetz“ jedoch nicht geändert, das gilt auch nach der Änderung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG 2024) zum 1. Januar 2024.

Temperaturen in Großanlagen legt die TrinkwV fest

In der Mitteilung heißt es: „Die Temperatur von erwärmtem Trinkwasser hat Einfluss auf die Vermehrung von Legionellen. Nach Fertigstellung eines Gebäudes ist die Temperatur neben dem Verbrauch der einzig verbleibende Faktor, der direkt beeinflusst werden kann. Zur Vermeidung einer Vermehrung von Legionellen in Trinkwasser-Installationen von Gebäuden fordert das DVGW-Arbeitsblatt W 551, als allgemein anerkannte Regel der Technik in Systemen mit zentraler Trinkwassererwärmung, Mindesttemperaturen für das erwärmte Trinkwasser.

Am Austritt des Trinkwassererwärmers in einer Großanlage nach § 3 Nr. 12 TrinkwV muss danach eine Temperatur von 60 °C dauerhaft eingehalten werden. Zusätzlich darf die Warmwassertemperatur im gesamten Zirkulationssystem eine Temperatur von 55 °C in einer Großanlage nicht unterschreiten. Der Erfolg dieser Präventionsmaßnahme wurde in mehreren Studien belegt.

Eine Abweichung von den Vorgaben des DVGW-Arbeitsblattes W 551 wäre nur dann zulässig, wenn die hygienische Gleichwertigkeit der Maßnahmen durch mikrobiologische Untersuchungen nachgewiesen worden wäre. Generalisierbare Erfahrungen dazu liegen jedoch bis heute nicht vor. Forschungsprojekte, die mit dem Ziel durchgeführt werden, durch neue technische Ansätze eine hygienisch sichere Temperaturabsenkung im Warmwassersystem zu ermöglichen, befinden sich noch in der Bearbeitung.“

Das bedeutet konkret: Von den genannten Temperaturen darf nur abgewichen werden, wenn die hygienische Gleichwertigkeit konkret – und bisher nur im Einzelfall – nachgewiesen worden ist.

Andererseits verweist das Gebäudeenergiegesetz (GEG) zur Berechnung des Jahres-Primärenergiebedarfes von Gebäuden auf verschiedene Teile der DIN V 18 599. Gemäß dieser Norm sind bestimmte mittlere Temperaturen im Trinkwassernetz mit Zirkulation bzw. im Speicher gefordert, es gibt keine Anforderungen für Mindesttemperaturen.

DIN V 18599 wird neuerdings von einem Gesetz referenziert

Mit dem Inkrafttreten des GEG am 1. November 2020 hat die Normenreihe DIN V 18 599 durch Verweise für die Berechnung des Jahres-Primärenergiebedarfes von Gebäuden gegenüber den bisherigen in der Energieeinsparverordnung (EnEV) eine höhere Bedeutung.

Deshalb sah sich das Umweltbundesamt nach Anhörung der Trinkwasserkommission veranlasst, darauf hinzuweisen, dass gemäß § 10 Absatz 3 GEG die Anforderungen zur Errichtung von Gebäuden keine Anwendung finden, soweit ihre Erfüllung anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften […] zum Schutz der Gesundheit entgegensteht.

Die Trinkwasserverordnung (TrinkwV) legt in § 17 Absatz 1 fest, dass Anlagen für die Gewinnung, Aufbereitung oder Verteilung von Trinkwasser mindestens nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik zu planen, zu bauen und zu betreiben sind. Gemäß DVGW-Arbeitsblatt W 551 gelten für Planung, Bau und Betrieb von Trinkwasser-Installationen weiterhin in Großanlagen oder Anlagen mit einem Inhalt von mehr als 3 Litern in mindestens einer Rohrleitung zwischen dem Abgang des Trinkwassererwärmers und der Entnahmestelle bzw. Anlagen mit Zirkulation die Mindesttemperaturen von 60 °C am Abgang vom Trinkwassererwärmer sowie von mindestens 55 °C an jeder Stelle der Warmwasserzirkulation.

Zudem wird im § 5 Abs. 4 TrinkwV festgelegt, dass „Konzentrationen von Mikroorganismen, die das Trinkwasser verunreinigen oder seine Beschaffenheit nachteilig beeinflussen können, so niedrig wie möglich gehalten werden sollen, wie dies nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik […] möglich ist“.

Die UBA-Mitteilung führt weiter aus: Der Schutz der menschlichen Gesundheit steht eindeutig über der Intention zur Energieeinsparung (gemäß § 10 Absatz 3 GEG) steht. Dies ist dezidiert auch in der Begründung des GEG ausgeführt.

Gemäß § 8 Abs. 1 GEG ist der Bauherr oder Eigentümer für die Einhaltung der Vorschriften dieses Gesetzes verantwortlich, wenn nicht ausdrücklich ein anderer Verantwortlicher bezeichnet ist. Dazu zählt der Vorrang des Gesundheitsschutzes gemäß § 10 Abs. 3 GEG. Für die Einhaltung der Vorschriften sind im Rahmen ihres jeweiligen Wirkungskreises auch die Personen verantwortlich, die im Auftrag des Eigentümers oder Bauherren bei der Errichtung oder Änderung von Gebäuden oder der Anlagentechnik in Gebäuden tätig werden (§ 8 Abs. 2 GEG).

Gemäß Trinkwasserverordnung ist der Unternehmer oder sonstige Inhaber verantwortlich für die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen in den Trinkwasser-Installationen (§ 4 TrinkwV), auch der mikrobiologischen Anforderungen in § 5 TrinkwV.

Download der UBA-Mitteilung: Kollisionsregel Trinkwasserverordnung und Gebäudeenergiegesetz – Mindesttemperatur von erwärmtem Trinkwasser aus Großanlagen zur Trinkwassererwärmung

Hinweise für die Praxis

Die UBA-Mitteilung thematisiert nicht, ob für den öffentlich-rechtlichen energetischen Nachweis (Energieausweis) Temperaturen, die mit dem erfolgreichen Gleichwertigkeitsnachweis einer anderen Präventionsmaßnahme bestätigt werden, angesetzt werden können.

§ 57 Abs. 1 GEG schreibt jedoch vor: „Eine Anlage und Einrichtung der Heizungs-, Kühl- oder Raumlufttechnik oder der Warmwasserversorgung darf, soweit sie zum Nachweis der Anforderungen energieeinsparrechtlicher Vorschriften des Bundes zu berücksichtigen war, nicht in einer Weise verändert werden, dass die energetische Qualität des Gebäudes verschlechtert wird.“

Weil der Gleichwertigkeitsnachweis anderer Präventionsmaßnahmen zur Trinkwasserhygiene nach aktuellem Wissensstand (noch) nicht gesichert dauerhaft zu gewährleisten ist, besteht die Gefahr, dass ein dauerhafter „Rückfall“ auf die Fahrweise nach DVGW-Arbeitsblatt W 551 mit § 57 Abs. 1 GEG kollidiert. Bei geförderten Projekten könnte ein „Rückfall“ zudem bedeuten, dass die Fördervoraussetzungen rückwirkend nicht mehr gegeben sind.

Ausschließen lässt sich der Konflikt nur, wenn der öffentlich-rechtliche energetische Nachweis bzw. der Nachweis der Fördervoraussetzungen mit den Vorgaben des DVGW-Arbeitsblattes W 551 geführt worden ist.

Für die Praxis lässt sich daraus ableiten, dass jede Großanlage nach TrinkwV weiterhin grundsätzlich so ausgelegt werden sollte, dass am Austritt des Trinkwassererwärmers eine Temperatur von 60 °C dauerhaft eingehalten und eine Unterschreitung der Warmwassertemperatur im gesamten Zirkulationssystem von 55 °C ausgeschlossen werden kann. Auch wenn vorgesehen ist, im Betrieb die hygienische Gleichwertigkeit anderer Präventionsmaßnahme durch mikrobiologische Untersuchungen nachzuweisen. Zudem sollte der öffentlich-rechtliche energetische Nachweis mit den Vorgaben des DVGW-Arbeitsblattes W 551 geführt werden, solange die hygienische Gleichwertigkeit anderer geplanter Maßnahmen nicht den Stand „allgemein anerkannte Regel der Technik“ erlangt haben. ■

Siehe auch: Desinfektion von Trinkwasser: Nur in Sonderfällen erlaubt