Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch
Smart City

Bewässerung in Städten: Smarte Bäume rufen nach Wasser

Das Kölner Start-up Data-Matters – eine Ausgründung der RWTH Aachen – hat eine Lösung für die effektive Bewässerung des Stadtgrüns entwickelt, bei der kaum Wasser verschwendet werden soll. Grundlage bildet ein urbanes Bewässerungssystem, bei dem die Bäume per Funk mitteilen, wann sie wie viel Wasser benötigen. Dadurch können die Kommunen gezielte Gießrouten fahren, statt pauschal alles zu bewässern. In den Gemeinden und Städten Dormagen, Hürth, Nordkirchen und Köln hat Data-Matters dieses Konzept „urban Tree Intelligence“ gemeinsam mit lokalen Wirtschaftsförderungen oder Unternehmungen realisiert. Technische Basis bildet das Smart-City-Betriebssystem urbanOS.

Bäume mit Sensoren, Funkanbindung und KI

Smarter Baum in Hürth.

Data-Matters

Smarter Baum in Hürth.

Bäume werden mit Sensoren versehen, die die Feuchtig­keit im Baumgewebe (Xylem) messen, das Wasser und Nährstoffe von den Wurzeln zu den Blättern transportiert. Die Messwerte werden per Funk an einen urbanen Datenraum übermittelt und dort mittels Künstlicher Intelligenz (KI) im Smart-City-Betriebssystem urbanOS ausgewertet.

Als Ergebnis erhalten die kommunalen Ent­scheidungsträger, etwa bei den Stadtwerken, einen stets aktuellen Überblick über die tatsächlichen Anforderungen des Stadtgrüns: Das gilt auch für Bäume, die keine Sensoren haben, aber eben eine vergleichbare „Baumpersönlichkeit“ besitzen. Insgesamt 72 derartige Persönlichkeiten gibt es. Auf Knopfdruck wirft die KI auch gleich eine optimierte Routen­planung für die Bewässerungsfahrzeuge aus. „Das schont die Umwelt und die Personalressourcen gleichermaßen“, heißt es bei Data-Matters.

Die KI wertet nicht nur die aktuellen Messwerte der Bäume aus, sondern berücksichtigt auch den Wetterbericht. Wenn bald Regen angesagt ist, braucht schließlich nicht kurz zuvor gewässert werden. Neben den Wetterparametern werden auch die Bodenfeuchte und die Bodenbeschaffenheit an die urbane Datenplattform übermittelt, um so effizient und ressourcenschonend wie möglich für das Stadtgrün zu sorgen.

Städte sind Brennpunkte des Klimawandels

Für Data-Matters ist „Urban Tree Intelligence“ Teil eines umfassenden Konzepts einer Smart City auf Basis von urbanOS. Geschäftsführer Dr. Daniel Trauth erklärt die Zusammenhänge: „Städte sind Brennpunkte des Klimawandels. Sie verbrauchen rund 80 % der weltweiten Energie, verursachen mehr als 70 % der CO2-Emissionen – und leiden gleichzeitig am stärksten unter den Folgen:
● Hitzewellen,
● schlechte Luftqualität,
● überhitzte Plätze und
● ein zunehmender Verlust an Lebensqualität.
In diesem Kontext sind Stadtbäume weit mehr als nur grüne Kulisse. Sie sind natürliche Klimaanlagen, CO2-Speicher und Lebensraum in einem.“

Bäume „funktionieren“ – aber nur mit ausreichend Wasser

Ein einziger, ausgewachsener Laubbaum verdunstet an einem heißen Sommertag bis zu 400 L Wasser. Das entspricht einer Kühlleistung, die spürbar die Umgebungstemperatur senkt. Gleichzeitig bindet ein Baum über sein Leben hinweg mehrere Tonnen CO2, filtert Feinstaub und bietet Schatten auf über 150 m2 Fläche. „Doch all diese Leistungen stehen auf einem Fundament, das viel zu oft unterschätzt wird: Wasser“, so Trauth.

Damit ein Baum CO2 aufnehmen kann, müssen seine Spaltöffnungen – die sogenannten Stomata – geöffnet sein. Genau dort entweicht aber auch das Wasser. Gerät der Baum unter Trockenstress, schließt er diese Öffnungen. Die Folge:
● keine CO2-Bindung,
● keine Kühlung,
● keine Wirkung.
„Ein Baum funktioniert nur, wenn er selbst gesund ist“, sagt Dr. Daniel Trauth. Er fährt fort: „Und genau das stellt die Stadtwerke vor eine bislang nahezu unlösbare Aufgabe. Sie sollen Tausende von Bäumen regelmäßig bewässern – doch oft fehlt es an präziser Information.
● Welcher Baum braucht wirklich Wasser?
● Wie viel?
● Und wann?“
In der Regel werden pauschale Gießrouten gefahren. Das bedeutet: Zu viel Wasser an Stellen, wo es nicht gebraucht wird – und zu wenig dort, wo es dringend nötig wäre. Dazu Dr. Daniel Trauth: „Wasser wird verschwendet, der Stress der Bäume steigt, ihre Wirkung sinkt – und am Ende verlieren alle.“

KI gibt jedem Baum eine Persönlichkeit

fotohansel - stock.adobe.com

Damit nicht jeder einzelne Baum mit einem Sensor ausgestattet werden muss, arbeitet Data-Matters mit einem selbst entwickelten KI-Modell, das die Bäume mit Persönlichkeits-Merkmalen ausstattet. Die sogenannten Baumpersönlichkeiten basieren auf
● Art,
● Standort,
● Bodenprofil,
● Sonnenexposition und
● weiteren Umweltfaktoren.
Das bedeutet: Selbst wenn nur ein kleiner Teil der Bäume mit Sensoren ausgestattet wird, lässt sich der Wasser­bedarf aller anderen mit ähnlicher Persönlichkeit mit hoher Genauigkeit vorhersagen.

Dabei setzt Data-Matters auf sogenannte föderierte KI (Federated Learning). Das bedeutet, dass ein Gutteil der Künstlichen Intelligenz bereits in urbanOS steckt und die finale Auswertung der Mess­werte im wahrsten Sinne des Wortes „am Baum“ stattfindet. Nur die Messwerte werden per Funk an den urbanen Datenraum übertragen. „Man kann also ohne Weiteres von intelligenten Bäumen sprechen“, schmunzelt Dr. Daniel Trauth.

Ist-Zustand und Prognosen für die Zukunft

Über „Urban Tree Intelligence“ weit hinausgehend konzipiert und realisiert Data-Matters zahlreiche weitere Projekte, die in Summe eine Smart City ausmachen. Als typische Anwendungsgebiete nennt das Kölner Start-up
● die Optimierung der Verkehrsführung,
● die Abfallwirtschaft,
● die Energie­versorgung,
● den Öffentlichen Personennahverkehr,
● die Parkraumüberwachung und
● die Belebung der Innenstädte.
Es gibt auch Projekte zur Temperaturmessung in Städten, um Hitze-Inseln zu identifizieren und daraufhin die Bevölkerung durch gezielte Verschattungsmaßnahmen zu schützen.

Das Prinzip ist stets gleich: Sensoren erfassen die Lage vor Ort, übermitteln die Ergebnisse an eine urbane Datenplattform, wo sie mithilfe Künstlicher Intelligenz und unter Einbeziehung weiterer Parameter (Wetterbericht, Stadt­feste, Feiertage, Schulferien etc.) im Betriebssystem urbanOS ausgewertet werden. So erhalten die kommunalen Entscheidungsträger am Smartphone oder PC auf einem urbanCockpit einen Überblick über ihre Stadt als Grundlage für Management und Planung. Dank KI erfasst urbanOS nicht nur den Ist-Zustand, sondern hält auch fundierte Prognosen für die Zukunft parat – von der Entwick­lung beim Wasserstress über die ÖPNV-Auslastung bis hin zu künftigen Überlastungen in der City etwa durch zu viele Feste gleichzeitig.

„Eine Smart City ist wie ein großes Puzzle“

Dr. Daniel Trauth zieht einen Vergleich: „Eine Smart City ist wie ein großes Puzzle und jede Kommune entscheidet selbst, mit welchem Teil sie anfängt. Nach und nach können weitere Puzzle­teile hinzukommen, die alle an das städtische Betriebssystem urbanOS angeschlossen werden. Dadurch ist gewährleistet, dass sich am Ende alle Teile in das Gesamtbild des Puzzles einfügen.“

Der Data-Matters-Chef betont: „Wir entwerfen nicht nur die Konzepte und liefern die gesamte Technik für die Smartisierung von Städten und Landkreisen, sondern wir kümmern uns auch um die damit verbundene Bürokratie, finden die passenden Partner vor Ort und bringen die Handwerker-Crew mit, die alles installiert und in Betrieb nimmt.“ Im Rahmen von Pilotprojekten stellt das Kölner Start-up den Kommunen sogar die Ausrüstung leihweise und die Dienstleistungen kostenfrei zur Verfügung, sodass kein Budget benötigt wird. ■
Quelle: Data-Matters / ml

Lesen Sie auch:
Wie Städte mit Re­gen­was­ser­nut­zung resilienter werden

Regenwasser im Betrieb sicher nutzen
Betriebswasser und Wärme aus Grau- und Regenwasser
Bier und Limonade aus Regenwasser