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Trinkwasserhygiene

Trinkwassererwärmung: Energiesparen birgt Risiken

Bild 1 „Legionellen interessieren sich nicht für Energieengpässe. Finden sie entsprechende Rahmenbedingungen durch Veränderung der Temperaturprofile, entwickeln sie sich und gefährden damit Menschen.“

Mark – stock.adobe.com

Bild 1 „Legionellen interessieren sich nicht für Energieengpässe. Finden sie entsprechende Rahmenbedingungen durch Veränderung der Temperaturprofile, entwickeln sie sich und gefährden damit Menschen.“

Seit dem 1. September 2022 gilt die EnSikuMaV, um den Gas- und Stromverbrauch in Deutschland zu senken. Wie eine repräsentative Umfrage von GfK im Auftrag von Viega zeigt, ziehen die Deutschen mit. Sie wollen beim Warmwasser sparen, vor allem beim Duschen. Und Eigenheimbesitzer senken mittlerweile auch die Temperatur im Warmwasserspeicher. Das bringt allerdings Risiken für die Gesundheit mit sich. Denn damit steigt die Gefahr von Legionellen.

Der Artikel kompakt zusammengefasst
Im Bereich Trinkwassererwärmung lässt sich gefahrlos Energie einsparen, wenn bei der Nutzung die Menge verringert wird (z. B. verkürzte Duschzeit) und / oder an der Auslaufarmatur die Zapftemperatur verringert wird. Begrenzt wird dies durch einen ausreichenden kontinuierlichen Wasserwechsel innerhalb der Trinkwasseranlage.
■ Kritisch ist hingegen die Absenkung der Warmwassertemperatur in Trinkwarmwasserspeichern. Die Temperatur von gespeichertem Warmwasser im Gebäude muss konstant über 55 °C gehalten werden, um die Gefahr einer Verkeimung zu minimieren.
 

Energiesparen ist das Gebot der Stunde. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hatte bereits im Sommer an die deutsche Bevölkerung appelliert, beim Duschen zu sparen und die Menge des dabei verbrauchten Warmwassers zu senken.

Die am 1. September 2022 in Kraft getretene Verordnung zur Sicherung der Energieversorgung über kurzfristig wirksame Maßnahmen (EnSikuMaV) macht es nun offiziell: Sie regelt Energieeinsparmaßnahmen für Wohnräume, Schwimm- oder Badebecken, Nichtwohngebäude und Baudenkmäler sowie für Unternehmen. Auch private Haushalte sind aufgefordert, Gas und Strom zu sparen, um die Gefahr einer Gasmangellage zu senken.

Mit der am 1. Oktober 2022 in Kraft getretenen Verordnung zur Sicherung der Energieversorgung über mittelfristig wirksame Maßnahmen (EnSimiMaV) ist zudem die Heizungsprüfung in Gebäuden mit Erdgas nutzendem Wärmeerzeuger verpflichtend. Bei Bedarf muss eine Heizungsoptimierung folgen, bei der auch die Warmwasserzirkulation und die Trinkwassererwärmung zu bewerten sind. Und bei Gebäuden ab 6 Wohneinheiten mit Gas-Zentralheizung gibt es erstmals eine konkrete öffentlich-rechtliche Pflicht für den Hydraulischen Abgleich.

Hausbesitzer gehen verstärkt ins Risiko

Eine repräsentative Umfrage von GfK im Auftrag von Viega zeigt, dass man in Deutschland zu Einschnitten bereit ist: 86 % der Befragten wollen Warmwasser sparen, um die Energiekosten zu senken. Und das vor allem beim Duschen (66 %). Weiteres Sparpotenzial sehen 54 % der Befragten beim Spülen, 51 % beim Putzen und Reinigen.

Bild 2 Verbraucher sparen bewusst Energie – und riskieren ihre Gesundheit.

Viega

Bild 2 Verbraucher sparen bewusst Energie – und riskieren ihre Gesundheit.

Während man im Wirtschaftsministerium diese Zahlen begrüßen wird, müssen weitere Ergebnisse der Umfrage im Bundesgesundheitsministerium eher Sorgen bereiten. Denn beim Warmwassersparen bleibt es nicht. Fast die Hälfte der befragten Eigenheimbesitzer (45 %) hat mittlerweile die Temperatur ihrer Warmwasserspeicher abgesenkt, um zusätzlich Energie zu sparen.

Weitere 25 % denken derzeit darüber nach. Das Regelwerk sieht im Normalfall eine Solltemperatur von 60 °C in Trinkwarmwasserspeichern vor, um die Trinkwasserhygiene zu gewährleisten, nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik gilt: „Warmwasser nicht unter 55 °C, Kaltwasser nicht über 25 °C.“

Nach den anvisierten Temperaturen befragt, geben 21 % von denjenigen, die schon die Temperatur ihres Warmwasserspeichers reduziert oder zumindest daran gedacht haben, eine Temperatur zwischen 50 und 55 °C an. Die meisten (43 %) nennen eine Temperatur zwischen 45 und 49 °C und jeder Fünfte (21 %) sogar unter 45 °C.

Das ist mit erheblichen Risiken verbunden. Denn mit dem Absenken der Temperatur des Warmwasserspeichers steigt die Gefahr der Verkeimung. Dr. Christian Schauer, Trinkwasserexperte bei Viega: „Es ist verständlich, wenn Verbraucher derzeit versuchen, ihre Kosten zu senken. Allerdings wird die damit verbundene Gefahr von Legionellen weithin unterschätzt. Die Temperatur von gespeichertem Warmwasser im Gebäude muss konstant über 55 °C gehalten werden. Liegt die Temperatur darunter, vermehren sich gesundheitsgefährdende Keime und Bakterien.“

Keine Kompromisse bei der Gesundheit

Schon ohne die aktuellen Bemühungen zum Energiesparen erkranken Schätzungen zufolge jährlich zwischen 15 000 bis 30 000 Menschen in Deutschland infolge von verkeimtem Wasser an Legionellose, einer schweren Form von Lungenentzündung. Etwa 10 % der Fälle enden tödlich, vor allem bei älteren Personen. Das entspricht 1500 bis 3000 Todesfällen und damit in etwa der Zahl an Straßenverkehrstoten.

Und das Problem ist weit verbreitet: Eine Auswertung von Probennahmen aller Gebäudearten im Betrachtungszeitraum 2012 bis 2015 ergab bei etwa jedem dritten Gebäude mindestens einmal einen positiven Legionellenbefund. In rund jedem sechsten Gebäude wurde eine Überschreitung des in der Trinkwasserverordnung verankerten technischen Maßnahmenwerts festgestellt, sodass Maßnahmen eingeleitet werden mussten. Diese Zahlen wurden 2018 nochmals bestätigt.

Ralf Baginski, Chief Technology Officer bei Viega: „Trinkwasserhygiene ist sehr energieintensiv. Aber Energiesparen darf nicht zu Lasten der Trinkwasserqualität gehen. Bei der Gesundheit darf es keine Kompromisse geben.“

Auch Wolfgang Burchard, Geschäftsführer des VDMA-Fachverbands Armaturen, ist besorgt: „Gedankenspiele, in denen aktuell das Absenken der Betriebstemperaturen in Trinkwasser-Installationen thematisiert werden, sind nicht zielführend und an den technischen Erfordernissen und gesetzlichen Regelungen hat sich nichts geändert. Legionellen interessieren sich nicht für Energieengpässe. Finden sie entsprechende Rahmenbedingungen durch Veränderung der Temperaturprofile, entwickeln sie sich und gefährden damit Menschen. Der Gesetzgeber hat deshalb klare Regelungen für die Temperatur in Trinkwasserleitungen festgelegt.“

Über die Studie

Für die Umfrage hat GfK im Auftrag der Viega GmbH 2019 Personen zwischen 18 und 74 Jahren in der Zeit zwischen dem 18. August 2022 und dem 29. August 2022 befragt. Zur Gewährleistung einer repräsentativen Stichprobe wurden die Merkmale Geschlecht, Alter, Bundesland, Ortsgröße, Haushaltsgröße und Schulbildung des Haushaltsvorstandes quotiert und gewichtet. Die Befragung der Panel-Teilnehmer erfolgte anhand eines strukturierten Online-Fragebogens.

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