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DVGW / Energieträger

Studie soll zeigen: Wärmesektor benötigt Wasserstoff

Eine vom DVGW beauftragte Studie soll zeigen, dass die Nutzung von Wasserstoff insbesondere im Wärmesektor entscheidend dazu beitragen kann, CO2-Emissionen zu reduzieren.

Prof. Dr. Gerald Linke, Vorstandsvorsitzender des DVGW: „Auch im Wärmemarkt sind neben ‚grünen Elektronen‘ die ‚grünen Moleküle‘ zwingend erforderlich, um die anstehenden Klimaschutzziele realistisch und zu vertretbaren Kosten zu erreichen.“ Soweit die Sicht der Gaswirtschaft.

Die im Auftrag des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches (DVGW) von Frontier Economics durchgeführte Studie vergleicht die CO2-Vermeidungskosten in den Bereichen Verkehr, Wärme und Industrie – also die Kosten, die jeweils für die Vermeidung einer Tonne CO2 anfallen. Die Berechnungen zeigen: Würde die in der Nationalen Wasserstoffstrategie vorgesehen Menge von Wasserstoff (14 TWh/a bis 2030) ausschließlich in einem Sektor zum Einsatz kommen, lägen die CO2-Vermeidungskosten zwischen 0,4 Mrd. Euro (Fallbeispiel Ammoniakerzeugung) und 4,9 Mrd. Euro (Fallbeispiel Verkehr).

Der Wärmesektor befindet sich mit den in der Studie getroffenen Anwendungen im mittleren Bereich, vergleichbar mit der Stahlproduktion. Er biete somit reelle Chancen für einen kosteneffizienten Klimaschutz. Durch perspektivisch sinkende Wasserstoffpreise könnten künftig die Vermeidungskosten im Wärmesektor zudem sogar schnell sinken. Aktuell ist es allerdings so, dass der Aufbau einer grünen Wasserstoff-Erzeugungskapazität von 14 TWh/a in 2030 in Deutschland in erheblichem Umfang vom Staat mitfinanziert wird.

 
Exkurs: Im Jahr 2020 betrug der Erdgas-Absatz nach Angaben des BDEW rund 939 TWh (Mrd. kWh). 36 % davon sind dem Sektor Industrie inklusive Industrie-Kraftwerken, 31 % den Haushalten inklusive Wohnungsgesellschaften, 12 % dem GHD-Sektor (Gewerbe, Handel, Dienstleistungen) und 14 % der Stromerzeugung inklusive BHKW zuzuordnen. Nicht im Erdgas-Absatz enthalten ist der Eigenverbrauch der Gaswirtschaft. Er allein lag 2020 (inklusive statistischer Differenzen) in einer Größenordnung von 20 TWh, also deutlich über der für 2030 in der Nationalen Wasserstoffstrategie vorgesehenen grün in Deutschland erzeugten Wasserstoff-Menge von 14 TWh/a.
 

„Wasserstoff hat geringere Gesamtsystemkosten als Wärmepumpen“

Studie: Wasserstoff zur Dekarbonisierung des Wärmesektors.

Frontier Economics

Studie: Wasserstoff zur Dekarbonisierung des Wärmesektors.

Der DVGW argumentiert außerdem, dass im Hinblick auf die saisonal bedingten Schwankungen des Energiebedarfs Wasserstofftechnologien entscheidend zur Wärmewende beitragen können. Würde man nur auf strombasierte Lösungen, wie Wärmepumpen, setzen, werde es zu einer Überlastung des Stromsystems kommen. Über das Jahr gesehen, sei die Wärmepumpe zwar insgesamt effizienter, verursache aber deutlich höhere Gesamtsystemkosten.

Eine signifikante Elektrifizierung des Wärmesektors würde schon im Jahr 2030 zu einem zusätzlichen Bedarf an gesicherter Leistung im Umfang von 7 bis 40 GW führen. Unter Berücksichtigung des Kohleausstiegs müssten zusätzliche Back-up-Kapazitäten von 25 bis 58 GW aufgebaut und die Kosten ursachergerecht umgelegt werden.

DVGW-Chef Linke: „Der gleiche Klimaschutz zu niedrigeren Kosten wäre mit der direkten Nutzung von Wasserstoff erreichbar. Deshalb muss klar sein: Wasserstoff darf nicht vom Wärmesektor ausgeschlossen werden.“

 
Anmerkung:
Hier verlieren die Zahlen im DVGW-Statement zur Veröffentlichung der Studie den Zusammenhang. Nimmt man an, dass eine Wärmepumpe im Vollastbetrieb eine Heizleistung von 10 kW erbringen muss und in diesem Zustand einen COP von lediglich 2,0 erzielt (das liegt deutlich unter den in den ersten beiden kalten Februar-Wochen 2021 vom ISE im Mittel gemessenen Werten), liegt die elektrische Anschlussleistung bei 5,0 kW. Inklusive Netzverlusten ist dann ohne Gleichzeitigkeit eine gesicherte Leistung von 5,55 kW vorzuhalten. Der genannte Bedarf von zusätzlich 7 bis 40 GW würde dann einem Zubau von 1,26 bis 7,2 Mio. Wärmepumpen also einer Steigerung des Zubaus zwischen 126 000 und 720 000 Anlagen pro Jahr entsprechen (die Studie bietet auf Seite 21/22 eine ähnliche Rechnung mit etwas anderen Annahmen an). Eine dem Energiebedarf der Wärmepumpen entsprechende Menge Wasserstoff für die Alternative Gas-Brennwertheizung steht aber bis 2030 kaum zur Verfügung. Insofern würde die Gaswirtschaft 2030 keinen entsprechenden Dekarbonisierung-Effekt bzw. keine entsprechende Defossilisierung des Wärmesektors bis 2030 leisten.
 

Laut DVGW war es das Ziel der Studie, „die mögliche Rolle von erneuerbarem, grünem Wasserstoff im Wärmesektor vor dem Hintergrund einer nicht hinreichenden Berücksichtigung des Potenzials grüner Gase – und insbesondere von Wasserstoff im Wärmesektor – in der politischen Debatte zu untersuchen.“ Dies sei notwendig, da das Potenzial grüner Gase sektorenübergreifend dazu beitragen werde, globale Treibhausgasemissionen, wie im internationalen Klimaabkommen von Paris vereinbart, zu senken.

Kommentar der TGA-Redaktion:

Die Studie bietet in sehr vielen Bereichen wichtige Einblicke in Zusammenhänge, Wechselwirkungen und Kosten bzw. Kostenverschiebungen. Dass der Wärmesektor unbedingt zur Dekorbonisierung die dezentrale Nutzung von Wasserstoff benötigt, kann die Studie allerdings nicht wirklich schlüssig belegen. Im Wesentlich zeigt sie aber, wie umkämpft der Energiemarkt der Zukunft bzw. politische Entscheidungen dazu sind.

Wenngleich bis heute von nahezu allen Akteuren eine technologieoffene Gestaltung der zukünftigen Energieversorgung gefordert wird, untermauert auch diese Studie, dass dies nur begrenzt der beste Weg sein wird. Schon sehr bald müssen Entscheidungen getroffen werden, wie unser Energiesystem in der Zukunft aussehen soll. Ein uneingeschränkter Technologiewettbewerb dürfte dabei kaum zum bestmöglichen und kostengünstigsten Ergebnis führen. Dies ergibt sich aus Investitionsentscheidungen, die für viele Jahre und Jahrzehnte getroffen werden müssen. ■

Siehe auch:
Wärmepumpen hängen Erdgas im Neubau klar ab
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