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EWS / FÖS / Studie

„Wir brauchen einen klaren Plan zum Erdgas-Ausstieg“

Eine aktuelle Studie zeigt: Die Verbrennung von Erdgas zur Wärmeerzeugung im Gebäudesektor ist klimaschädlicher als vielfach angenommen. Ein bedeutender Faktor sind Methanleckagen.

Die Studie „Was Erdgas wirklich kostet – Roadmap für den Gasausstieg im Wärmesektor“ vom Forum Ökologisch Soziale Marktwirtschaft (FÖS) im Auftrag der Elektrizitätswerke Schönau (EWS) zeigt, dass die Klimakosten von Erdgas weit höher als bisher angenommen sind und in erheblichem Maße zu den Treibhausgasemissionen beitragen.

Die durchgeführte Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass durch die Verwendung von Erdgas zur Wärmeerzeugung im Gebäudesektor in Deutschland jährlich THG-Emissionen von 91,5 bis 107,2 Mio. t CO2-Äquivalent (CO2e) anfallen – wovon 87,1 Mio. tCO2e aus verbrennungsbedingten CO2-Emissionen stammen und rund 4,4 bis 20 Mio. tCO2e aus Methanleckagen entweichen.

Nach dem Schadenskostenansatz für 2021 bedeutet das: Durch die Nutzung von Erdgas im Gebäudesektor entstehen jedes Jahr Klimakosten von rund 18 bis 21 Mrd. Euro, wobei auf die besonders klimawirksamen Methanleckagen rund 0,9 bis 4 Mrd. Euro entfallen.

Methanemissionen

Aufgrund des hohen Treibhauspotenzials von Methan haben Methanleckagen bzw. Methanschlupf eine große Relevanz für das Klima. Methanschlupf bezeichnet das Entweichen von Methan während des Verbrennungsprozesses. Methanleckagen treten entlang der gesamten Lieferkette von Erdgas auf – bei der Förderung, Produktion und Aufbereitung, beim Transport, der Verteilung und Speicherung sowie bei der Verwendung von Erdgas. Methan tritt beispielsweise aus Bohrlöchern aus, entweicht während des Transports aus undichten Stellen in Pipelines und kann auch beim Prozess der Verbrennung in Form von nicht vollständig verbranntem Gas in die Atmosphäre gelangen.
 

„Erdgas-Ausstieg im Gebäudebereich ist bis 2030 machbar“

Isabel Schrems, Autorin der Studie und Wissenschaftliche Referentin beim FÖS, hob bei der Vorstellung ihrer Analyse hervor, dass das Potenzial aus Solarthermie, Biomasse, Geothermie, Umweltwärme und Abwärme aus der Industrie im Jahr 2030 bei 1403 bis 2183 TWh/a liegt. Damit sei es fast doppelt so hoch wie der heutige Endenergieverbrauch für Wärme im Gebäudesektor. Die größten Anteile haben oberflächennahe Geothermie und Umgebungswärme.

Zusammen mit der erwarteten Zunahme der Energieeffizienz sei sehr wahrscheinlich, dass in Deutschland bis Ende des Jahrzehnts genügend erneuerbare Wärme erzeugt werden kann. Ein Ausstieg aus der Nutzung aller fossilen Energieträger im Gebäudebereich, inklusive Erdgas, sei machbar und somit eine Energiewende im Gebäudesektor ohne Erdgas möglich. 

Klimakosten von Erdgasnutzung sind nur zu 25 % eingepreist

„Die Studie zeigt, dass die wahren Klimakosten durch Erdgas weit höher sind als der aktuelle Preis“, betonte Carolin Schenuit, geschäftsführende Vorständin des FÖS, „denn drei Viertel dieser Kosten sind bisher nicht im Preis berücksichtigt. Diese Kosten über den Brennstoffemissionshandel schnellstmöglich (CO2-Bepreisung) einzupreisen, ist klimapolitisch dringend angezeigt und logische Konsequenz aus dem Klimaurteil des Bundesverfassungsgerichts.

Wir brauchen auf dem Weg zum Erdgas-Ausstieg aber auch ordnungspolitische und planungsrechtliche Maßnahmen, um schnell voranzukommen. Mit kommunalen Wärmeplänen und einem Neubauverbot für Gasheizungen können dezentrale, nachhaltige Wärmenetze gefördert werden. Das wird zum Beispiel in Dänemark bereits praktiziert.“

Würde man alle durch die Nutzung von Erdgas im Gebäudesektor entstehenden Klimakosten berücksichtigen – also die Internalisierungslücke vollständig schließen – würde der echte Erdgaspreis für Haushaltskunden rund 50 % höher ausfallen als der Gaspreis, der heute durchschnittlich gezahlt wird (Anstieg von 6,1 Ct/kWh auf 9,1…9,6 Ct/kWh). Die FÖS-Studie sieht die Notwendigkeit, dass der CO2-Preis spätestens im Jahr 2030 die Höhe der Klimaschadenkosten (215 Euro/tCO2e) erreicht.

Die CO2-Bepreisung über das Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) erfasst (bewusst) ausschließlich die bei der Verbrennung entstehenden CO2-Emissionen, Treibhausgasemissionen der Vorketten und Methanemissionen sind nicht berücksichtigt. Die FÖS-Studie schlägt deshalb vor, das in Deutschland verbrauchte Erdgas mit einem Emissionsfaktor für die Methanemissionen zu belegen, der sich je nach Herkunft des Erdgases unterscheidet.

Apropos

Die bisher nicht-internalisierten Klimakosten durch die Nutzung von Erdgas im Gebäudesektor betragen zwischen 13 und 15,2 Mrd. Euro für das Jahr 2021 – knapp dreimal mehr als die Mittel, die zur Förderung der Energieeffizienz und erneuerbaren Energien im Gebäudebereich im Bundeshaushalt 2021 eingeplant sind.
 

Reform bei Steuern, Abgaben, Entgelte und Umlagen auf Energie erforderlich

Verena Graichen, Stellvertretende Vorsitzende des Bundes für Umwelt- und Naturschutz Deutschland, drängte bei der Podiumsdiskussion im Anschluss an die Studienvorstellung am 9. Juni 2021 auf mehr Energieeffizienz bei der Umsetzung der Wärmewende. Ein großes und schnell ausbaubares Potenzial liege in der energetischen Gebäudesanierung.

Nina Scheer, Bundestagsabgeordnete der SPD, betonte, dass Erdgas allenfalls noch für eine kurze Übergangszeit als Brücke zum Ausstieg aus der Nutzung fossiler Energien dienen dürfe. Vor allem müsse der Ausbau der erneuerbaren Energien – auch im Wärmesektor – deutlich beschleunigt werden. Dies müsse, so war sich das Podium weitestgehend einig, vor allem auch über eine grundsätzliche Reform des Systems der Steuern, Abgaben, Entgelte und Umlagen auf Energie geschehen.

Ausstieg ganz pragmatisch

Was Erdgas wirklich kostet: Roadmap für den fossilen Gasausstieg im Wärmesektor.

FÖS / Tolgart / iStock

Was Erdgas wirklich kostet: Roadmap für den fossilen Gasausstieg im Wärmesektor.

Etwas pragmatischer und schneller umsetzbar schlägt die Studie vor, dass Erdgas-Heizungen – auch nicht in Kombination mit erneuerbaren Energien – nicht mehr gefördert werden dürfen. Die bestehenden Subventionen, insbesondere bei der Heizungsmodernisierung, würden zu einem weiteren Technologie-Lock-In für die nächsten 15 bis 20 Jahre führen.

Stattdessen seien weitere gezielte Förderungen, wie eine „Austauschprämien für Gas-Heizungen“, Sanierungen mit hohen Effizienz-Standards sowie eine Förderung für effiziente Wärmenetze mit geringen Vorlauftemperaturen notwendig.

Spätestens bei der Überprüfung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) im Jahr 2023 [Anmerkung: aktuell diskutiert die Bundesregierung ein Vorziehen im Jahr 2022] sollten außerdem die Effizienzvorgaben für alle Gebäude deutlich verschärft und eine Austauschpflicht sowie das Einbauverbot für Gas-Heizungen ab 2026 festgelegt werden. ■