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Dekarbonisierung

Das 1,5-Grad-CO2-Budget ist bereits aufgezehrt

„2024 ist das ge­sam­te faire deut­sche CO2-Budget für ei­ne Be­gren­zung der Erd­er­wär­mung auf 1,5 °C be­reits auf­ge­brau­cht. Trotz­dem wird in Berlin we­nig dafür ge­tan, dass die Treib­haus­gas­e­missi­on­en in al­len Be­rei­chen sin­ken. Die Rech­nung wird aber fol­gen.“

GV

Darf man eigentlich als Bundesminister eine ganze Nation ungestraft belügen? Dürfte beispielsweise der nach Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) für die Überschreitung der Jahresemissionsmengen im Sektor Verkehr zuständige Bundesminister behaupten, dass ohne eine Änderung des Gesetzes dem Gesetz nur durch eine Reduzierung der Verkehrsleistung und dies nur durch unbefristete Fahrverbote an Samstagen und Sonntagen möglich wäre? Obwohl es viel einfachere Maßnahmen gibt?

Dürfte er in diesem rein hypothetischen Fall in den Raum stellen, dass Menschen ihr Auto dann künftig nur noch an fünf Wochenenden im Jahr benutzen dürfen, obwohl beispielsweise Elektroautos gemäß der Abgrenzung im KSG gar keine Emissionen im Verkehrssektor verursachen?

Wären solche Behauptungen dem Amt ohne den Hinweis angemessen, dass das KSG auch ohne seine Änderung entsprechende Umverteilungen ermöglicht(e)? Und wäre es redlich zu verschweigen, dass eine Betrachtung aller Sektoren gemeinsam bei einer hohen Überschreitung im Verkehrssektor künftig dazu führen kann, dass aufgrund der gemeinsamen CO2-Bepreisung Heizöl und Erdgas aufgrund der geringen Minderungsleistung bei Diesel und Benzin durch eine Limitierung der Emissionszertifikate im ETS II ab 2027 teurer werden? Schwer vorstellbar – oder?

„Paris … hat für uns oberste Priorität“

Und kann man sich einen solchen Vorgang drei Wochen nachdem der die Bundesregierung seit 52 Jahren beratende Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) aufgezeigt hat, dass das deutsche CO2-Budget für eine Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 °C inzwischen aufgebraucht ist, vorstellen? Die Mitteilung des SRU ist jedenfalls Ende März 2024 eingetreten.

Zu Erinnerung: Der Ampel-Koalitionsvertrag – für den Inhalt sind zwar die Regierungsparteien und nicht die Bundesregierung verantwortlich – kündigt an: „Die Klimaschutzziele von Paris zu erreichen, hat für uns oberste Priorität. […] Wir schaffen ein Regelwerk, das den Weg frei macht für Innovationen und Maßnahmen, um Deutschland auf den 1,5-Grad-Pfad zu bringen. […] Schritt für Schritt beenden wir das fossile Zeitalter, auch, indem wir […] die Technologie des Verbrennungsmotors hinter uns lassen.“

Fortschritte – aber nur im roten Bereich

Laut SRU hat Deutschland wichtige Fortschritte bei der Minderung der Treibhausgasemissionen und beim Klimaschutz erzielt. Inzwischen wird es sogar für möglich gehalten, dass das 2030-Ziel des KSG eingehalten wird (obwohl der Verkehrssektor sein Ziel erheblich verfehlt). Der SRU mahnt jedoch, dass es zu einer ehrlichen Debatte gehört, dass auch dann der deutsche Beitrag oberhalb dessen liegt, was die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels des Pariser Klimaabkommens erfordern würde. Oder anders ausgedrückt: Ganz unabhängig von der Überschreitung der Jahresemissionsmengen in einzelnen Sektoren: Deutschlands Gesamtziel im KSG ist gemessen am Anspruch und an einem fairen internationalen Beitrag nicht ambitioniert genug. Das ist lange bekannt.

Die Überschreitung lässt sich zwar heilen – indem wir an anderer Stelle auf der Welt Emissionen vermeiden oder künftig CO2 aus der Atmosphäre zurückholen. Aber soll das wirklich unser Weg sein? In einer Zeit, in der ausreichend technische Möglichkeiten bereits marktreif existieren? Der Weg für ein Land, das Technologie und Innovationen verkaufen will?

Jochen Vorländer
Chefredakteur TGA+E Fachplaner
vorlaender@tga-fachplaner.de

Alle TGAkommentare finden Sie im TGAdossier TGA-Leitartikel

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