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Bundes-Klimaschutzgesetz

Expertenrat: Gebäude-Sofortprogramm reicht wohl nicht

Die Dekarbonisierung des Gebäudesektors ist eine Mammutaufgabe. Der vom Bundes-Klimaschutzgesetz geforderte Zielpfad wurde schon zweimal infolge verfehlt.

Alfred Sonsalla – stock.adobe.com

Die Dekarbonisierung des Gebäudesektors ist eine Mammutaufgabe. Der vom Bundes-Klimaschutzgesetz geforderte Zielpfad wurde schon zweimal infolge verfehlt.

Der Expertenrat für Klimafragen hat das Sofortprogrammen für den Gebäudesektor geprüft: Die Realisierung der geplanten Einsparungen hält er für fraglich.

In dem am 25. August 2022 veröffentlichten, gemäß § 12 KSG (Bundes-Klimaschutzgesetz) erstellten Bericht prüft der Expertenrat für Klimafragen (ERK) die Annahmen, die den von den zuständigen Bundesministerien am 13. Juli 2022 vorgelegten Sofortprogramme für den Sektor Gebäude und den Sektor Verkehr zugrunde liegen.

Die Prüfung des ERK folgt einem dreigliedrigen Schema, das sowohl die Prüfung der ausgewiesenen Emissionsminderung im Hinblick auf die Einhaltung des KSG-Zielpfads beinhaltet als auch die Prüfung des Vorgehens zu deren Berechnung und der Wahrscheinlichkeit ihrer Realisierung.
 
 

Bewertung des Sofortprogramms für den Gebäudesektor

Der Expertenrat für Klimafragen stellt in dem Bericht fest, dass das vorgeschlagene Sofortprogramm für den Gebäudesektor bei Realisierung der von den Ministerien BMWK und BMWSB angegebenen Minderungswirkung in Höhe von 137 Mio. t CO2-Äquivalent in Verbindung mit einem geänderten Referenzpfad die Bedingung an ein Sofortprogramm gemäß Bundes-Klimaschutzgesetz (§ 8 Abs. 1 KSG) erfüllen würde, …

… allerdings nur in einer weiten Auslegung dieses Kriteriums. Zwar würde es trotz des Sofortprogramms in den Jahren 2022 bis 2027 weiterhin zu Überschreitungen der KSG-Vorgaben kommen. Ab dem Jahre 2028 weisen die Ministerien aber entsprechende Unterschreitungen aus, sodass die kumulierte Erfüllungslücke zwischen Emissionspfad und KSG-Zielpfad bis zum Jahr 2030 ausgeglichen würde.

Die vertiefende Prüfung der Annahmen zeige aber, dass die Realisierung der von den Ministerien ausgewiesenen THG-Minderungen nur teilweise wahrscheinlich ist. Insgesamt werde deshalb die Einhaltung der KSG-Vorgaben durch das Sofortprogramm nicht sichergestellt. Dennoch ist aus Sicht des ERK davon auszugehen, dass das Sofortprogramm einen substanziellen Beitrag zur Minderung der Emissionen in diesem Sektor leisten wird.

Zielerreichung nur rechnerisch gegeben

Hans-Martin Henning, Vorsitzender des Expertenrats für Klimafragen: „Rechnerisch würde der Gebäudesektor summarisch sein Emissionsziel bis 2030 erreichen, wenn die durch die Ministerien angegebenen Treibhausgasminderungen in vollem Umfang einträfen. Ob die Einsparungen allerdings wirklich in diesem Umfang realisiert werden können, erscheint nach unserer Prüfung fraglich.“

Zudem weist er auf das steigende Risiko der Zielverfehlung hin, wenn zunächst die weitere Erhöhung der Erfüllungslücke zwischen dem Emissionspfad und dem KSG-Zielpfad in Kauf genommen wird und starke Minderungen erst zum Ende des Jahrzehnts erfolgen sollen. „Hier stellt sich auch die Frage an den Gesetzgeber, ob dies im Sinne der Intention des Bundes-Klimaschutzgesetzes ist.“

Insbesondere für die Maßnahme mit dem drittgrößten Minderungsbeitrag, „Optimierung der Heizsysteme“ hält der ERK die im Sofortprogramm angegebenen Höhe der Minderung der Treibhausgasemissionen für „kaum erwartbar“.

Sofortprogramm für Verkehrssektor: durchgefallen

Gemessen an der Bewertung des vom Bundesverkehrsministerium vorgelegten Sofortprogramms für den Verkehrssektor sind die geäußerten Zweifel schon fast ein Lob. Denn bezüglich des vorgeschlagenen Sofortprogramms für den Verkehrssektor stellt der ERK auf lediglich vier des 105 Seiten umfassenden Berichts fest, dass dieses zwar eine emissionsmindernde Wirkung entfaltet, aber nicht die Anforderung an ein Sofortprogramm gemäß Bundes-Klimaschutzgesetz (§ 8 Abs. 1 KSG) erfüllt.

Brigitte Knopf, stellvertretende Vorsitzende des Expertenrats für Klimafragen: „Das Sofortprogramm für den Verkehrssektor spart nach Angaben des Verkehrsministeriums nur 14 Mio. t an Treibhausgasemissionen ein, sodass sich rechnerisch immer noch eine Erfüllungslücke von 261 Mio. t CO2-Äquivalent bis 2030 ergibt.“ Das zuständige Ministerium hat in diesem Zusammenhang auf das für die nahe Zukunft angekündigte deutlich umfassendere Klimaschutz-Sofortprogramm 2022 der Bundesregierung verwiesen, zu welchem der ERK gemäß § 12 Abs. 3 KSG dann eine Stellungnahme abgeben wird.

Exkurs: Gebäude und Verkehr sind über BEHG gekoppelt

Wenn im Sektor Verkehr der KSG-Zielpfad nicht eingehalten hat wird, hat dies künftig auch direkte Konsequenzen für Teile des Sektors Gebäude. Das Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) belegt die in beiden Sektoren verwendeten fossilen Kraft- und Brennstoffe über die CO2-Bepreisung mit Kosten entsprechend ihrer verbrennungsbezogenen CO2-Emissionen. In der Festpreisphase bis 2025 steigt der CO2-Preis auf 55 Euro/tCO2. Ab 2026 wird jedes Jahr eine sinkende Menge an Emissionszertifikaten versteigert, im Jahr 2026 mit einem Preiskorridor mit von 55 bis 65 Euro/tCO2.

Ob ab 2027 dann ohne Preiskorridor versteigert wird, ist noch nicht abschließend klar. Die Bundesregierung kann auf Grundlage eines im BEHG bis zum 30. November 2024 vorzulegenden Erfahrungsberichts im Jahr 2025 eine Fortführung des Preiskorridors vorschlagen, wenn sie dies für sinnvoll und erforderlich erachtet. Erforderlich wäre es, wenn die zur Verfügung stehende Menge an Emissionszertifikaten deutlich geringer als die aktuelle Kraft- und Brennstoffnachfrage ist. Mit dem aktuellen Minderungspfad im Verkehrssektor wäre dies wohl der Fall. Ein nicht regulierter CO2-Preis würde dann stark steigen; andererseits würde eine deutliche Differenz auch anzeigen, dass ein höheres Preissignal erforderlich ist.

Expertenrat hat Klärungsbedarf in Bezug auf das KSG

Wie in vorherigen Berichten des Expertenrats für Klimafragen bereits festgestellt, zeigten sich auch in der vorliegenden Anwendung des Bundes-Klimaschutzgesetzes offene Punkte und Auslegungsfragen, deren Klärung bzw. Präzisierung aus Sicht des ERK von großer Bedeutung sind. Dazu zählen insbesondere der Zeitpunkt der Einbindung des ERK in die Prüfung eines Sofortprogramms und der genaue Gegenstand der Prüfung.

Prüfbericht zu den Sofortprogrammen 2022 für den Gebäude- und Verkehrssektor

Robert Habeck zum Prüfbericht

Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, hat sich bereits zum Prüfbericht geäußert: „Die Klimakrise ist in ihren Auswirkungen schon jetzt in ihrer Dringlichkeit deutlich zu spüren. Sie braucht nun schnellstmöglich Antworten. Das unterstreicht der Expertenrat eindrücklich. Wir sind in der Pflicht, noch im September [2022] das Klimaschutzsofortprogramm zu beschließen. Dabei müssen alle Sektoren ihren Beitrag leisten, sonst werden wir die Klimaziele nicht erreichen. Dabei geht es nicht um abstrakte Zahlen, sondern darum, dass wir die Grundlage für ein Leben in Freiheit und Wohlstand bewahren.“

Das BMWK werde die Ergebnisse des Prüfberichts in die derzeit laufenden Abstimmungen zum Entwurf des umfassenden Klimaschutzsofortprogramms einbringen. Ziel ist es die Abstimmung innerhalb der Bundesregierung zeitnah abzuschließen und bis Ende September 2022 zu einer politischen Einigung über die Maßnahmen zu kommen. ■
Quelle: Expertenrat für Klimafragen , BMWK / jv

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