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Dekarbonisierung

Maßnahmen für einen klimaneutralen Gebäudebestand bis 2045

SOMATUSCANI – stock.adobe.com

Wichtige Maßnahmen des vom Bundeswirtschaftsministerium beauftragten Gutachtens „Hintergrundpapier zur Gebäudestrategie Klimaneutralität 2045“ sind ein massiver Ausbau von Wärmepumpen und Wärmenetzen sowie der Ausstieg aus der Nutzung von Öl- und Gas-Heizungen.

Bis 2045 soll der Gebäudebestand klimaneutral werden. Das Ziel ist hoch gesteckt – aber nicht unrealistisch, wie das aktuell veröffentlichte Gutachten „Hintergrundpapier zur Gebäudestrategie Klimaneutralität 2045“ zeigt. Die dafür erforderlichen Umsetzungsanforderungen an alle Sektoren sind ambitioniert und müssen zügig umgesetzt werden.

Erstellt wurde das Gutachten im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz und von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck bereits bei seiner Eröffnungsbilanz 2022 angekündigt. Neun Institute und Organisationen (adelphi, Becker Büttner Held, dena, EY, FIW München, iTG, Öko-Institut, Prognos und ifeu) zeigen auf Basis ihrer aktuellen Forschungen und wissenschaftlichen Berechnungen die Maßnahmen auf, die im ersten Schritt und mit hoher Geschwindigkeit von der Politik in gesetzlichen Rahmenbedingungen festgesetzt werden und in der Folge von Unternehmen, Städten und Kommunen sowie Eigenheimbesitzern umgesetzt werden müssen.

Das Zielszenario Klimaneutraler Gebäudebestand beschreibt eine Entwicklung des Gebäudesektors, die kompatibel mit dem Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) ist und bis zum Jahr 2045 Treibhausgasemissionen vollständig vermeidet. Die wichtigsten Maßnahmen zur Transformation des Gebäudebereichs lauten:

● Massiver Zubau von Wärmepumpen und Ausbau von Wärmenetzen.
● Umsetzung der 65-Prozent-EE-Vorgabe für neue Heizungen.
● Begrenzung des Einsatzes von Biomasse als Energieträger.
● Ausstieg aus der Nutzung von Öl- und Gasheizungen.
● Rasantere Sanierung von Gebäuden und Beschränkung von Neubauten.
● Ausbildung von Fachkräften.
● Solaranlagenpflicht  auf Eigenheimen (im Wesentlich Photovoltaik).
● Nutzung von leerstehendem Wohnraum.
● Ausbau von grüner Stromerzeugung.

Handlungsspielraum ist bereits verronnen

Eine zentrale Grundlage für die Arbeiten ist die Analyse vorhandener Studien und Transformationspfade zur Klimaneutralität Deutschlands und des Gebäudesektors. Die Analyse umfasst u. a. die Szenarien der fünf großen Studien „Klimaneutrales Deutschland 2045“, „Klimapfade 2.0 – Ein Wirtschaftsprogramm für Klima und Zukunft“, „Aufbruch Klimaneutralität“, „Langfristszenarien für die Transformation des Energiesystems in Deutschland“ und „Deutschland auf dem Weg zur Klimaneutralität 2045“.

Die Analyse zeigt: Der Handlungsdruck ist groß und der Spielraum bei der Umsetzung mittlerweile recht klein – insbesondere für Zwischenziele im Jahr 2030. Grund hierfür sind zu geringe THG-Einsparungen in den vergangenen Jahren. Die Auswertung zeigt, dass Klimaneutralität 2045 im Gebäudesektor mit heute verfügbaren Technologien weiterhin erreichbar ist, macht aber klar:

● Aufgrund der langen Investitionszyklen im Gebäudebestand braucht es hierfür bereits heute vorausschauende Politikinstrumente und klare Regelungen, die Investitionssicherheit für die Akteure des Gebäudesektors schaffen.

● Gleichzeitig müssen die Regelungen die sozialverträgliche Umsetzbarkeit der notwendigen Maßnahmen gewährleisten.

● Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit bedarf es hierfür sehr ambitionierte, teils disruptive und gut aufeinander abgestimmte Politikmaßnahmen in allen identifizierten Handlungsbereichen.

● Die Transformation der Energiewirtschaft muss weiter konsequent vorangebracht werden, um die Verfügbarkeit THG-neutraler Energieträger für die Wärmeversorgung sicherzustellen.

Mehr Wärmepumpen, aber konstanter Stromverbrauch

Trotz dem starken Anstieg der Zahl an elektrisch betriebenen Wärmepumpen zur Erzeugung von Raumwärme und zur Trinkwassererwärmung verändert sich der Stromverbrauch im Szenarienzeitraum nicht wesentlich:

Der Stromverbrauch im Gebäudebestand beträgt in allen Jahren im Zeitraum 2020 bis 2045 rund 260 TWh/a. Der Stromverbrauch für Wärmepumpen steigt zwar stark an und liegt im Jahr 2045 bei 78 TWh (2030: 42 TWh). Effizienzsteigerungen bei Beleuchtung, IKT-Geräten und Haushaltsgeräten sowie der Rückgang des Stromverbrauchs konventioneller Wärmeerzeuger (für Raumwärme und Warmwasser) kompensieren aber den Mehrverbrauch durch Wärmepumpen.

Die Standardlösung für einen neuen Wärmeerzeuger muss in sehr naher Zukunft möglichst vollkommen auf erneuerbaren Energien basieren. Im Bereich der Objektversorgung sieht das Gutachten Wärmepumpen in allen vorliegenden Szenarien zur Klimaneutralität hierfür als die zentrale Technologie. Momentan konzentriert sich der Einsatz von Wärmepumpen noch auf ausgewählte Segmente des Gebäudesektors, insbesondere Neubauten und energetisch weitgehend modernisierte Gebäude. Um den Absatz massiv auszubauen, fordert das Gutachten, das Einsatzgebiet für Wärmepumpen auf Bestandsgebäude mit weniger guten Effizienzstandards auszuweiten.

„Die Studie ist eine schallende Ohrfeige für alle, die den Einsatz von Wasserstoff für Gebäudewärme fordern. Der Einsatz ist technisch kaum machbar, würde zu hohen Kosten für die Haushalte führen und wäre vor allem eine gigantische Energieverschwendung. Auch für die Nutzung von Biomasse wird klar: Sie ist allenfalls in Nischen im Bestand eine Option.“ 
Constantin Zerger, Leiter Energie und Klimaschutz, DUH  

C. Finke / DUH

„Ordnungsrecht muss Wassersoff in Gebäuden ausschließen“

Strombasierte Energieträger wie erneuerbar erzeugter Wasserstoff oder synthetisches Gas werden im Zielszenario „Klimaneutraler Gebäudebestand“ (KNG) nicht im Gebäudesektor eingesetzt. Dieser strategische Entscheid ist auf das begrenzte Potenzial und die hohen Kosten für diese Energieträger zurückzuführen (vgl. Kapitel 4.3.2). Emissionsfreie Wärme könne kostengünstiger über Wärmepumpen und Wärmenetze bereitgestellt werden.

Im KNG spielt Wasserstoff im Gebäudesektor bis 2023 keine Rolle und auch danach bleibt sie nachrangig. Das Gutachten begründet dies damit, dass mit dem breiten Einsatz von Wasserstoff im Wärmemarkt die Erreichbarkeit bestehender Einsparziele für Primärenergie aufgrund des sehr hohen Strombedarfs in weite Ferne rücken würde. Daher bedürfe es eindeutiger Regelungen im Ordnungsecht, welche die unzureichende primärenergetische Effizienz von Wasserstoff berücksichtigen und seinen Einsatz in Gebäuden ausschließen.

Rolle der Solarthermie bleibt untergeordnet

Im Vergleich zu anderen Wärmeerzeugern wird gebäudenahe Solarthermie laut dem Gutachten eine Nischentechnologie bleiben. Die Anzahl der Solarthermie-Anlagen steigt zwar geringfügig, die Bedeutung bleibt mit Ausnahme der Nutzung in Wärmenetzen aufgrund steigender Energieeffizienz aber insgesamt jedoch gering. Sonnenenergie von Gebäuden und deren Dächern bleibt dennoch ein wichtiges Thema: Ein Schwerpunkt liegt hier auf der Stromerzeugung mit Photovoltaik.

Biomassenutzung nur in stark begrenzten Mengen

Laut dem Gutachten darf der Brennstoff Holz künftig nur noch in begrenztem Maße im Gebäudebestand eingesetzt werden – vor allem dann, wenn sinnvollere Optionen (Wärmepumpen und Wärmenetze) technisch oder wirtschaftlich nicht vertretbar sind.

Im Neubau spielt Biomasse zukünftig keine Rolle: Andere Versorgungsoptionen sind hier nahezu immer realisierbar und die stark begrenzten Mengen an Biomasse erlauben keine weitere über Bestandsgebäude hinausgehende Nutzung. Aber auch in Bestandsgebäuden muss der Einsatz aufgrund anderer Prioritäten mittelfristig zurückgehen.

Ausblick

Bisher ist das „Hintergrundpapier Gebäudestrategie Klimaneutralität 2045“ nur ein Gutachten, vom BMWK wird das so zum Ausdruck gebracht: „Das Gutachten soll als Hintergrund und Grundlage zur Erarbeitung einer Gebäudestrategie dienen. Das BMWK macht sich die Vorschläge nicht zu eigen.“

Download: Hintergrundpapier zur Gebäudestrategie Klimaneutralität 2045 (253 Seiten)

Eigentlich müsste es heißen: „Das BMWK macht sich die Vorschläge noch nicht zu eigen.“ Aber ganz klar hilft das GSK-Gutachten allen Beteiligten und ja, allen Betroffenen, sich für die Notwendigkeiten der Wärmewende ehrlich zu machen. Akteure, die in der Vergangenheit zur Bewahrung ihrer Geschäftsmodelle auf Zeit gespielt haben, sollten im eigenen Interesse erkennen, dass dies nicht weiter gelingen kann.

Wie es im Detail weitergeht, müssen die Gesellschaft und die Politik festlegen. Außer der noch existierenden Möglichkeit einen klimaneutralen Gebäudebestand bis 2045 zu schaffen, ist keines der oben genannten Ergebnisse und auch keine der Ableitungen in irgendeiner Weise überraschend oder neu. Alles liegt seit langem auf dem Tisch und es ist auch nichts dazugekommen. Die wesentliche Aufgabe ist somit, Wege zu finden, die Lasten und Pflichten gerecht und ausgewogen verteilt. Was auch schon lange bekannt ist: Jede weitere Verzögerung macht die Wärmewende nur teurer. ■
Quelle: Prognos, ifeu, Gebäudestrategie Klimaneutralität 2045 / jv

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