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Standpunkt

BMWE: Ein irritierender Start in die Wärmewende

„Die Wärme­wen­de auf ei­nen mit den Klima­zie­len über­ein­stimmen­den Ziel­pfad zu brin­gen und zu hal­ten, ist eine gro­ße Auf­gabe. Nicht hel­fen wird da­bei, gar nicht exis­tie­ren­de Zwänge und Ver­bote ab­zu­schaffen.“

GV

Die Rede von Katherina Reiche bei der Amtsübergabe im gestutzten Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWE) hat viele Menschen beeindruckt. Vielleicht sogar irritiert, weil sie sich von dem Ton im politischen Geschäft unerwartet und hoffend positiv unterschied. Auch der Chronist war beeindruckt.

Und dann das: Wenige Tage später will die neue Bundeswirtschaftsministerin einen gar nicht vorhandenen „Zwang zur Wärmepumpe“ und ein „de-facto-Betriebsverbot für Gasthermen, die vor 1991 eingebaut wurden“ abschaffen. Mutmaßlich verortet sie beides im Gebäudeenergiegesetz (GEG).

Ja, Gesetzestexte sind mitunter harte Kost. Wenn man (noch) nicht im Thema steckt, gilt das umso mehr. Denn oft wird feinsinnig verschachtelt beschränkt, ausgenommen und befristet, um einer möglichst großen Fallzahl angemessen und rechtssicher ohne auszuschweifen gerecht zu werden. Deshalb ist die Begründung zu einzelnen Paragraphen in Gesetzentwürfen – hier wird später auch gerne von Prozessbeteiligten nachgeschaut, wenn unter dem Licht ­eines Streits mehrere Interpretationen im Raum stehen – oft deutlich länger als der Passus im Gesetz.

Eine „uralte“ Regelung und gut begründet

Im Entwurf der Bundesregierung für das „Gesetz zur Einsparung von Energie und zur Nutzung erneuerbarer Energien zur Wärme- und Kälteerzeugung in Gebäuden (Gebäudeenergiegesetz – GEG) vom 8. November 2019 zu § 72 „Betriebsverbot für Heizkessel, Ölheizungen“ ist sie sogar bedeutend länger. Da bei der letzten Novelle der nur Ölheizungen betreffende Teil herausgefallen ist, sind heute nur noch wenige Sätze relevant:

„Die Regelung in § 72 Absatz 1 bis 3 verbietet den Betrieb von Konstanttemperaturkesseln mit einer Nennleistung von mehr als vier Kilowatt und weniger als 400 Kilowatt auf Basis flüssiger oder gasförmiger Brennstoffe nach Ablauf von 30 Jahren nach Einbau oder Aufstellung. Heizkessel, die vor dem 1. Januar 1991 eingebaut oder aufgestellt wurden, dürfen jetzt nicht mehr betrieben werden. Heizkessel, die nach diesem Zeitpunkt eingebaut oder aufgestellt worden sind, müssen sukzessive ausgetauscht werden. Die Vorschrift entspricht der bisherigen Regelungen in § 10 Absatz 1 der mit diesem Gesetz abgelösten Energieeinsparverordnung.

Der Austausch inneffizienter Heizkessel durch moderne, effiziente Anlagen ist eine besonders wirksame Maßnahme zur Energieeinsparung. Die Wirtschaftlichkeit ist hier ohne weiteres gegeben, da neue, effiziente Anlagen einen deutlich geringeren Primärenergieverbrauch haben und dementsprechend Heizkosten eingespart werden.“

Die Zeit hat nichts verändert, nur die Argumente gestärkt

Seit November 2019 hat sich einiges geändert. Erdgas für Haushaltskunden kostet statt 6,5 Ct/kWh heute je nach Vertragsbeginn 8 bis 14 Ct/kWh. Man darf darüber streiten, ob jeder Austausch einer Gastherme gegen eine Heizungslösung nach § 71 GEG wirtschaftlich mit angemessenem Aufwand1) zu realisieren ist. Das Betriebsverbot spielt dabei aber keine Rolle. Es hat keine Relevanz. Denn Gasthermen, die in den letzten Jahren und künftig vom ü30-Betriebsverbot betroffen sind, existieren nicht. Da diese Geräte schon lange mindestens den Standard „Niedertemperatur“ erfüllen, ist eine Abschaffung des Betriebsverbots als Priorität der Bundeswirtschaftsministerin vor allem: irritierend.

Irritierend daran ist nicht, dass eine Bundeswirtschaftsministerin sich nicht mit dem Gebäudeenergiegesetz auszukennen scheint. Denn das ist vollkommen abwegig. Erstens agiert sie nicht allein, sondern hat einen ganzen Stab fachlich versierter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, und zweitens sind die Aussagen im Rahmen eines schriftlich wiedergegebenen Interviews gemacht worden, was üblicherweise autorisiert wird. Und selbst dann wäre genug Zeit für eine nachträglich Erklärung gewesen. Da dieses trotz breiter öffentlicher Kritik nicht erfolgt ist, stehen eine bewusste Strategie, Kalkül oder Ablenkungsmanöver im Raum. Wenn das „Verantwortung für Deutschland“, so ist der Koalitionsvertrag überschrieben, sein soll, ist „irritierend“ eine fast schon irritierend milde Bewertung.

Jochen Vorländer
Chefredakteur TGA+E Fachplaner
vorlaender@tga-fachplaner.de

Alle TGAkommentare finden Sie im TGAdossier TGA-Leitartikel

Im Kontext:
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1) Angemessener Aufwand

Es gibt (vermutlich sogar viele) Situationen, die ein Gesetzgeber nicht vorhersehen oder sinnvoll abdecken kann. Deshalb gibt es im GEG heute und ursprünglich und auch davor in der EnEV Regelungen für Härtefälle, aktuell in „§ 102 GEG Befreiungen“:

„(1) Die nach Landesrecht zuständigen Behörden haben auf Antrag des Eigentümers oder Bauherren von den Anforderungen dieses Gesetzes zu befreien, soweit

1. die Ziele dieses Gesetzes durch andere als in diesem Gesetz vorgesehene Maßnahmen im gleichen Umfang erreicht werden oder

2. die Anforderungen im Einzelfall wegen besonderer Umstände durch einen unangemessenen Aufwand oder in sonstiger Weise zu einer unbilligen Härte führen. […]“

Nachfolgend wird im Gesetz „unbillige Härte“ erläutert und auf Amortisation, Wert des Gebäudes und persönliche Umstände abgestellt. www.gesetze-im-internet.de/geg/__102.html

Es wäre für eine Interessensgruppe sehr einfach, an einem Fallbeispiel mit breiter Relevanz dies durchzufechten und dann in die Öffentlichkeit zu tragen. Dass es bisher nicht vorgekommen ist, spricht in einem klagefreudigen Umfeld dafür, dass die EnEV- und GEG-Regelungen dem (zu Recht bestehenden) Wirtschaftlichkeitsgebot bisher ausgewogen entsprochen haben.