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GEG-Novelle

Bundeskabinett: 65 % Erneuer­bare für neue Heizungen ab 2024

muh – stock.adobe.com

Am 19. April 2023 ist die 2. Änderung des Gebäudeenergiegesetzes vom Bundeskabinett beschlossen worden. Sie soll den Umstieg auf das Heizen mit erneuerbaren Energie einleiten. Der Regierungsentwurf der GEG-Novelle wird nun dem Bundestag und dem Bundesrat zugeleitet.

Der „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gebäudeenergiegesetzes, zur Änderung der Heizkostenverordnung und zur Änderung der Kehr- und Überprüfungsordnung“ (GEG-Novelle) wurde vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) gemeinsam mit dem Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) erarbeitet und soll den Umstieg auf erneuerbare Energien beim Heizen und bei der Trinkwassererwärmung gesetzlich verankern und so die Dekarbonisierung des Wärmebereichs einleiten und schrittweise umsetzen.

Der Regierungsentwurf sieht vor, dass ab 2024 beim Einbau neuer Heizungen konsequent auf erneuerbare Energie gesetzt werden muss. Konkret bedeutet dass, dass ab dem 01. Januar 2024 möglichst jede neu eingebaute Heizung zu mindestens 65 % mit erneuerbaren Energien betrieben werden muss (bzw. für bestimmte Systeme „65-%-Erfüllungsoptionen“, dass dieses Kriterium zu einem definierten Zeitpunkt plausibel erreicht wird).

Der Fokus auf neue Heizungen ist angesichts der langen Investitionszeiträume im Gebäudebereich entscheidend: Wer heute eine neue Heizung einbaut, nutzt diese 20 bis 30 Jahre. Die richtige Weichenstellung beim Einbau von neuen Heizungen muss deshalb vor dem Hintergrund der Klimaziele jetzt erfolgen. Der Regierungsentwurf sieht aber vor, dass bestehende Heizungen weiter betrieben werden können und kaputte Heizungen repariert werden dürfen.

„Mit der GEG-Novelle starten wir eine wichtige Modernisierungsoffensive und holen auf, was über viele Jahre versäumt wurde. Und wir tun das mit einem klaren und bewussten Fokus auf neu eingebaute Heizungen. Bestehende Heizungen können weiter betrieben werden.“ Robert Habeck

Urban Zintel

Vor dem Kabinettsbeschluss wurden die Übergangsfristen und Erfüllungsoptionen – vor allem für den Neubau – nochmal erweitert, zum Beispiel um Solarthermie. Auch sind „H2-Ready-Heizungen“ – Gas-Heizungen, die auf 100 % Wasserstoff umrüstbar sind – unter bestimmten Bedingungen (siehe unten) eine der möglichen 65-%-Erfüllungsoptionen.

Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz Robert Habeck: „Mit der GEG-Novelle starten wir eine wichtige Modernisierungsoffensive und holen auf, was über viele Jahre versäumt wurde. Und wir tun das mit einem klaren und bewussten Fokus auf neu eingebaute Heizungen. Bestehende Heizungen können weiter betrieben werden. Kaputte Heizungen können repariert werden. Aber mit neuen Heizungen muss die Wärmewende jetzt beginnen. Wir starten die Aufholjagd und geben mit dem Gebäudeenergiegesetz das klare Signal: Wer jetzt in eine neue Heizung investiert, muss das nachhaltig tun. Soziale Härten federn wir ab durch Übergangsfristen, Ausnahmeregelungen und vor allem durch eine Neuaufstellung der Förderung.“

Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen Klara Geywitz: „Wie wir wohnen, gehört zu den persönlichsten Bereichen unseres Lebens. Während wir das Klima vielleicht nicht jeden Tag auf Schritt und Tritt mitdenken, haben wir eines fast immer dabei: den Schlüssel zu unserem Zuhause. Wie wir heizen, spüren wir im Geldbeutel. Gas wird wohl nie wieder so billig sein, wie vor dem Ukraine-Krieg. Wer auf alte Technik setzt, investiert zunehmend in Geldvernichtungstechnik. Mit dem heutigen Gesetzentwurf geben wir technologieoffene, energiesparende und zukunftsfeste Lösungen in den parlamentarischen Diskurs. Wir geben Planungssicherheit: Der Ausstieg aus unserem bisherigen Heizsystem ist eine Generationenaufgabe und erfolgt daher schrittweise. So wird im GEG geregelt, dass die 65-Prozent-Vorgabe für alle Heizungen gilt, die ab dem 1. Januar 2024 neu eingebaut oder aufgestellt werden, sofern nicht die im Gesetz vorgesehenen Übergangsfristen oder Ausnahmeregelungen greifen. Ab 2045 sind fossile Brennstoffe ausgeschlossen.“

Kurzüberblick über die GEG-Novelle:

● Grundsätzlich muss ab dem 1. Januar 2024 jede neu eingebaute Heizung (in Neubau und Bestandsgebäuden, Wohn- und Nichtwohngebäude) mindestens 65 % erneuerbare Energie nutzen. Bestehende Heizungen sind nicht betroffen und können weiter genutzt werden. Auch Reparaturen sind weiter möglich. Das Enddatum für die Nutzung fossiler Brennstoffe in Heizungen ist der 31. Dezember 2044.

„Wie wir heizen, spüren wir im Geldbeutel. Gas wird wohl nie wieder so billig sein, wie vor dem Ukraine-Krieg. Wer auf alte Technik setzt, investiert zunehmend in Geldvernichtungstechnik.“ Klara Geywitz

SPD/MK

● Die Regelung ist technologieoffen: Um die Pflicht zur Nutzung von mindestens 65 % erneuerbarer Energien in neu eingebauten Heizungen zu erfüllen, können die Eigentümer entweder eine individuelle Lösung umsetzen und den Erneuerbaren-Anteil (mindestens 65 %) rechnerisch nachweisen oder zwischen verschiedenen gesetzlich vorgesehenen pauschalen Erfüllungsoptionen frei wählen:
    • Anschluss an ein Wärmenetz,
    • elektrische Wärmepumpe,
    • Stromdirektheizung,
    • Hybridheizung (Kombination aus EE-Heizung und Gas- oder Öl-Heizkessel),
    • Heizung auf der Basis von Solarthermie und
    • H2-Ready-Heizungen unter bestimmten Bedingungen .

H2-Ready-Heizungen – Heizkessel, die auf 100 % Wasserstoff umrüstbar sind – dürfen als 65-%-Erfüllungsoption eingebaut werden, wenn es im Netzgebiet einen verbindlichen Investitions- und Transformationsplan für Wasserstoffnetze gibt und diese Heizungen ab 2030 mit mindestens 50 % Biomethan oder anderen grünen Gasen und spätestens ab 2035 mit mindestens 65 % grünen oder blauem Wasserstoff betrieben werden.

● Für bestehende Gebäude sind weitere Optionen vorgesehen: Biomasseheizung, Gasheizung, die nachweislich erneuerbare Gase nutzt (mindestens zu 65 % Biomethan, biogenes Flüssiggas oder Wasserstoff).

● Es gibt Übergangsfristen und Ausnahmen: Ist die Heizung kaputt und kann nicht mehr repariert werden (Heizungshavarie) greifen Übergangsfristen (3 Jahre; bei Gas-Etagenheizungen bis zu 13 Jahre). Vorübergehend kann eine (ggf. gebrauchte) mit fossilen Energieträgern betriebene Heizung eingebaut werden. Soweit ein Anschluss an ein Wärmenetz absehbar ist, gelten Übergangsfristen von bis zu 10 Jahren.

● Aufgenommen wurde auch eine Befreiung von der Heizen-mit- Erneuerbaren-Vorgabe für hochbetagte Gebäudeeigentümer. Für Eigentümer, die das 80. Lebensjahr vollendet haben und die ein Gebäude mit bis zu sechs Wohnungen selbst bewohnen, soll im Havariefall die Pflicht zur Umstellung auf Erneuerbares Heizen entfallen. Gleiches gilt beim Austausch für Etagenheizungen für Wohnungseigentümer, die 80 Jahre und älter sind und die Wohnung selbst bewohnen.

Siehe auch: Schornsteinfeger wollen Altersüberprüfung nicht übernehmen

● Das Gebäudeenergiegesetz enthält eine allgemeine Härtefallregelung, die Ausnahmen von der Pflicht ermöglicht. Im Einzelfall wird dabei berücksichtigt, ob die notwendigen Investitionen in einem angemessenen Verhältnis zum Ertrag oder in einem angemessenen Verhältnis zum Wert des Gebäudes stehen. Auch Fördermöglichkeiten und Preisentwicklungen fließen hier ein.

Download des Regierungsentwurfs der GEG-Novelle

Das Gebäudeenergiegesetz wird nun dem Bundestag und Bundesrat zugeleitet. Für den Umstieg aufs Heizen mit Erneuerbaren gibt es finanzielle Unterstützung in Form von Zuschüssen, Krediten oder den bereits vorhanden Möglichkeiten für Steuergutschriften. Ein Förderkonzept erneuerbares Heizen wurde in der Bundesregierung geeint und passt die Förderung auf das neue Gebäudeenergiegesetz an.

Stimmen aus der Branche

„Gesetzentwurf muss gründlich und sorgfältig überarbeitet werden“

Frank Ernst, Geschäftsführer des Bundesindustrieverbandes Technische Gebäudeausrüstung (BTGA), des Fachverbandes Gebäude-Klima (FGK) und des Herstellerverbandes Raumlufttechnische Geräte: „Die Verbände der Technischen Gebäudeausrüstung appellieren an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages und an die Mitglieder des Bundesrates, die parlamentarischen Beratungen zu nutzen und den Gesetzentwurf der Bundesregierung im weiteren Gesetzgebungsprozess gründlich und sorgfältig zu überarbeiten. Die zahlreichen, im Rahmen der Verbändebeteiligung eingebrachten, wichtigen Hinweise der Fachverbände wurden von der Bundesregierung nicht ausreichend berücksichtigt.

„Eine Verordnungsermächtigung soll es der Bundesregierung erlauben, ‚Vorgaben über die Kältemittelwahl in Deutschland zu schaffen, die über die Vorgaben des künftigen Unionsrechts hinausgehen‘. Damit würde der Einbau eines Großteils der auf dem Markt verfügbaren Wärmepumpen verboten.“ Frank Ernst

privat

Auch wenn der Gesetzentwurf mehr Flexibilität zulässt, als nach den Referentenentwürfen zu erwarten war, schreiben die Regelungen in den meisten Fällen den Einbau einer Wärmepumpe vor. Gleichzeitig soll aber durch den im Kabinettbeschluss neu aufgetauchten § 71p die Möglichkeit geschaffen werden, den Einsatz natürlicher Kältemittel in elektrischen Wärmepumpen und in Wärmepumpen-Hybridheizungen per Rechtsverordnung vorzuschreiben. Die Verordnungsermächtigung soll es der Bundesregierung sogar erlauben, ‚Vorgaben über die Kältemittelwahl in Deutschland zu schaffen, die über die Vorgaben des künftigen Unionsrechts hinausgehen‘. Damit würde der Einbau eines Großteils der auf dem Markt verfügbaren Wärmepumpen verboten.

Zu den im Gesetzentwurf vorgesehenen technologieoffenen Erfüllungsoptionen muss aus unserer Sicht auch Abwärme anrechenbar sein, wenn sie in Lüftungsanlagen über eine Wärmerückgewinnung genutzt wird. Es ist sowohl technisch als auch logisch nicht nachvollziehbar, dass nach dem vorliegenden Gesetzentwurf Abwärme nur dann als erneuerbare Energie angerechnet werden kann, wenn sie über eine Wärmepumpe nutzbar gemacht wird. Wärmerückgewinnung in Lüftungsanlagen ist in ihrer Funktion analog zu Wärmepumpen zu sehen und arbeitet sogar effizienter als diese. In der GEG-Novelle sind deshalb die Lüftungsverluste grundsätzlich als unvermeidbare Abwärme oder direkt als regenerative Energie anzusehen und zu definieren.“

„GEG bis zur Sommerpause ohne weitere Aufweichungen verabschieden“

Für den Bundesverband Wärmepumpe (BWP) ist wichtig, dass das Gebäudeenergiegesetz bis zur parlamentarischen Sommerpause ohne weitere Aufweichungen verabschiedet wird, um damit Klarheit über die ab 2024 geltenden Regeln und die zur Verfügung stehenden Förderprogramme zu schaffen. Die Wärmepumpenhersteller würden sich bereits auf die entsprechende Nachfrage ab dem kommenden Jahr vorbereiten und ihre Absatz- und Produktionszahlen derzeit kontinuierlich steigern. Allein im ersten Quartal 2023 habe die Branche fast 100 000 Wärmepumpen ausgeliefert. Damit ist das Ziel für 2023 (350 000) ebenso in Reichweite, wie die Zielvorgabe der Wärmepumpen-Offensive der Bundesregierung, nach der ab 2024 bereits 500 000 Wärmepumpen installiert werden sollen.

Dabei sei die Marktdynamik kein Selbstläufer. Mit ihren Investitionen in Milliardenhöhe (über 5 Mrd. Euro europaweit) würden sich die Hersteller von Wärmepumpen darauf verlassen, dass die angekündigte 65-%-Regelung jetzt auch wirklich kommt und einen klaren Rahmen für den weiteren Wärmepumpen-Ausbau schafft. Der in der Koalition immer wieder aufkommende Streit sei dabei ein großes Hindernis.

„Wenn Einzelne in der Koalition ihre eigenen Entscheidungen aus dem Koalitionsvertrag und dem Kabinettsbeschluss immer wieder infrage stellen, verunsichert das die Industrie gewaltig. Der verlässliche Übergang zu Klimaschutztechnologien ist zu wichtig, um für parteipolitische Rangeleien missbraucht zu werden.“ Martin Sabel

BWP

BWP-Geschäftsführer Dr. Martin Sabel ruft die drei Koalitionspartner dazu auf, konsequent und mit Einigkeit den vorliegenden Gesetzentwurf voranzutreiben. „Dass ein Gesetz im parlamentarischen Verfahren Veränderungen erfährt, ist ein völlig normaler, demokratischer Vorgang. Wenn jedoch Einzelne in der Koalition ihre eigenen Entscheidungen aus dem Koalitionsvertrag und dem Kabinettsbeschluss immer wieder infrage stellen, verunsichert das die Industrie gewaltig. Der verlässliche Übergang zu Klimaschutztechnologien ist zu wichtig, um für parteipolitische Rangeleien missbraucht zu werden.“

Für die Wärmepumpenbranche ebenso wie das Fachhandwerk und die vielen betroffenen Gebäudeeigentümer sollte das Gebäudeenergiegesetz jetzt Orientierung geben. Sabel: „Die Branche muss jetzt ein klares Signal erhalten, dass die Koalition zu ihrem Wort steht und die Wärmewende und die Transformation des Heizungssektors konsequent vorantreibt.“

Diskussionswürdig erscheint dem BWP die bisweilen als „H2-ready“ bezeichnete Erfüllungsoption, wonach mit Erdgas befeuerte Gas-Heizkessel weiterhin eingebaut werden dürfen, wenn sie perspektivisch dazu in der Lage sind, Wasserstoff zu verarbeiten, und ein verbindlicher Transformationsplan zur Umstellung des Gasverteilnetzes auf 100 % Wasserstoff bis spätestens 2035 vorliegt. Ob diese riskante Wette aufgeht, erscheine in vielen Fällen zweifelhaft und kostet die Heizungsindustrie die Planungssicherheit für den Wärmepumpenhochlauf. Das einfache Grundprinzip von 65 % erneuerbaren Energien sollte also unbedingt durchgehalten werden.

Weiterhin unbeantwortet und entscheidend ist für den BWP die Frage des Energiepreisgefüges. Die Wärmebranche hat in den vergangenen Wochen immer wieder geschlossen darauf hingewiesen, dass verlässliche Anreize bei den Energiepreisen einen wichtigen Beitrag zur Akzeptanz der Zeitenwende im Heizungskeller leisten müssen. Dies belegt nicht zuletzt der starke Nachfragesprung nach erneuerbaren Heizungstechnologien im Jahr 2022, als die Wärmeversorgung mit Wärmepumpen aufgrund der steigenden Gaspreise zeitweise erheblich günstiger war als mit Gas-Heizungen. Die von der Bundesregierung als sozialpolitische Maßnahme beschlossenen Energiepreisbremsen hätten diese marktlichen Anreize deutlich geschwächt.

Zurecht habe Bundesbauministerin Klara Geywitz darauf hingewiesen, dass die schnelle Einführung des GEG auch dem Schutz der Verbraucher vor den zukünftigen Kosten fossiler Energieträger dient, die vor allem durch die CO2-Abgabe deutlich steigen werden. Über die Absenkung der Stromsteuer auf das zulässige Minimum von 0,1 Ct/kWh für Privatabnehmer und die Absenkung der Mehrwertsteuer für Wärmepumpenstrom auf 7 % könne auf der anderen Seite der Umstieg zu Wärmepumpen angereizt werden. Die Entlastungen kommen über die Betriebskosten der Wärmepumpe nicht nur bei Eigenheimbesitzern, sondern auch bei Mietern unmittelbar an.

„Das Märchen vom Heizen mit Wasserstoff wird Gesetz“

Jürgen Leppig, Bundesvorsitzender des Verbands Gebäudeenergieberater Ingenieure Handwerker (GIH): „Bürgern das Heizen mit Wasserstoff in Aussicht zu stellen, kommt dem Erzählen eines Märchens gleich: Die Kosten dafür werden sich wohl noch sehr lange auf einem selbst für die meisten unfinanzierbaren Niveau bewegen. Außerdem dürfen H2-ready-Heizungen nur eingebaut werden, wenn der Netzbetreiber verbindliche Pläne für ein Wasserstoffnetz vorlegt – was derzeit ebenfalls illusorisch erscheint. Um einer von mancher Seite geforderten Technologieoffenheit zu genügen, schafft der Gesetzgeber hier nichts anderes als eine unerreichbare Verheißung.

„Um einer von mancher Seite geforderten Technologieoffenheit zu genügen, schafft der Gesetzgeber hier nichts anderes als eine unerreichbare Verheißung.“ Jürgen Leppig

GIH

Dass nunmehr Wohngebäude mit bis zu sechs Wohneinheiten von allen Heizungstausch-Auflagen ausgenommen werden sollen, wenn die Eigentümer mindestens 80 Jahre alt sind und das Gebäude selber bewohnen, ist ein Schlag ins Gesicht der Energiewende. Diese Erweiterung – bislang sollte sie nur für Ein- und Zweifamilienhäuser gelten –, wird dafür sorgen, dass in deutlich mehr Gebäuden energetisch nichts vorangeht. Was wir hier brauchen, sind nicht weitere Ausnahmefälle, sondern eine angemessene soziale Flankierung von Umsetzungen.“

„Schwerwiegende Hürden für einige Technologien und Infrastrukturen“

Kerstin Andreae, Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW): „Es ist richtig, dass die Bundesregierung im GEG auf eine breite Palette von Infrastrukturen und Energieträgern für die Wärmeversorgung setzt. Die Wärmewende wird all diese Optionen benötigen. Allerdings dürfen Wärmepumpen, Fernwärme und gasbasierte Systeme, die künftig mit Wasserstoff und Biogas betrieben werden können, nicht durch Detailregelungen gegeneinander ausgespielt werden.

„Die Einbeziehung grüner Gase ist bislang völlig unpraktikabel gestaltet. Auf dieser Grundlage werden realistischerweise keine Transformationspläne für die Umstellung von Gas auf Wasserstoff umgesetzt werden.“ Kerstin Andreae

Thomas Imo Photothek / BDEW

Zudem sieht der Gesetzentwurf für einige Technologien und Infrastrukturen schwerwiegende Hürden vor, die in der Praxis nicht oder nur mit größten Anstrengungen erfüllt werden können. So ist die Einbeziehung grüner Gase bislang völlig unpraktikabel gestaltet. Auf dieser Grundlage werden realistischerweise keine Transformationspläne für die Umstellung von Gas auf Wasserstoff umgesetzt werden. Wir brauchen daher passende Rahmenbedingungen für den Umbau der Gas-, Strom- und Fernwärmenetze sowie einen schnellen Wasserstoff-Hochlauf. Das muss nun parallel in den entsprechenden Fachgesetzen geregelt werden. Schnelles Handeln der Politik sichert hier realistische und pragmatische Optionen für einen schnellen Umstieg.“

„Kniefall vor der Gas- und Heizungslobby torpediert die Wärmewende“

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) fordert entscheidende Veränderungen der GEG-Novelle. Der Regierungsentwurf führe zu der „absurden Situation“, dass klimaschädliche fossile Heizungen mit Steuergeld gefördert und einkommensschwache Haushalte und vor allem Mieter nicht zielgerichtet unterstützt werden. Barbara Metz, Bundesgeschäftsführerin der DUH: „Der Beschluss im Bundeskabinett ist ein Kniefall vor der Gas- und Heizungslobby und torpediert die für den Klimaschutz unerlässliche Wärmewende. Die Regierung ermöglicht, dass über das nächste Jahrzehnt weiterhin fossile, klimaschädliche Heizungen in Gebäude eingebaut werden. Scheinlösungen wie H2-Ready-Heizungen werden sogar noch mit Steuergeld gefördert. Das ist vollkommen absurd und rückt die Einhaltung des Pariser 1,5-Grad-Limits in weite Ferne.“

„Ohrfeige für Millionen Verbraucher und Unternehmen“

Prof. Dr. Gerald Linke, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches (DVGW): „Mit dem Gebäudeenergiegesetz in seiner jetzigen Form straft die Bundesregierung Bürger sowie den deutschen industriellen Mittelstand in nie gekanntem Ausmaß ab. Es ist eine Ohrfeige für Millionen Verbraucher und Unternehmen, die zukünftig klimafreundliche Gase als Heizenergie oder für Fertigungsprozesse nutzen wollen. Die Pläne der Bundesregierung gehen an der Lebenswirklichkeit in Deutschland sowie den Anforderungen an die betriebliche Praxis vorbei.

Das Gebäudeenergiegesetz erweckt in der vorliegenden Form den Eindruck, als müsse es als Steigbügel herhalten, um durch die Hintertür eine Vollelektrifizierung der Energieversorgung einzuleiten. Anders ist es nicht zu erklären, dass für die längst begonnene, dringend benötigte Anpassung der Infrastruktur zur Nutzung von Biomethan und Wasserstoff derart hohe Hürden aufgebaut werden.

„Die Ampelregierung konterkariert mit ihrem derzeitigen Handeln den ursprünglich sich zu eigen gemachten Ansatz, Technologieoffenheit zuzulassen. Unter diesen Umständen wird kein Gasnetzbetreiber die Transformation zu Wasserstoff einleiten und bereits getätigte Anstrengungen einstellen.“ Gerald Linke

DVGW

So muss das gesamte Gasnetz schon bis Ende 2034 vollständig mit klimaneutralem Wasserstoff betrieben werden – und nicht erst 2045. Die Gasnetzbetreiber sind gezwungen, schon zu Anfang 2024 einen Transformationsplan für klimaneutrale Gase vorlegen, während die Wärmenetzbetreiber dafür bis Ende 2026 Zeit haben. Zusätzlich soll die Durchleitung von Biomethan im Gasnetz nach 2034 de facto verboten werden. Dem Heizen mit Biomethan wird dadurch jede Chance versagt – trotz des erheblichen inländischen Erzeugungspotenzials, das zusammen mit dem von Wasserstoff reichen würde, den deutschen Wärmemarkt komplett zu versorgen. Die Ampelregierung konterkariert mit ihrem derzeitigen Handeln den ursprünglich sich zu eigen gemachten Ansatz, Technologieoffenheit zuzulassen.

Unter diesen Umständen wird kein Gasnetzbetreiber die Transformation zu Wasserstoff einleiten und bereits getätigte Anstrengungen einstellen. Damit wird der Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft vollständig im Keim erstickt und sehenden Auges ein riskanter Weg in die zukünftige Energieversorgung genommen. Die Konsequenzen reichen weit über den Gebäudebestand hinaus: Ohne eine Transformation der Gasnetze können auch die Industrie und der Mittelstand nicht flächendeckend mit klimaneutralem Gas beliefert werden. Eine Deindustrialisierung und weitgehende Abwanderung bedeutender Wirtschaftssektoren wären die Konsequenz.“

„Bundesregierung läuft der Fata Morgana H2-ready hinterher“

Dr. Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE) bewertet den Regierungsentwurf als Rückschritt im Vergleich zu vorherigen Fassungen der GEG-Novelle: „Leider läuft das Kabinett auch mit seinem finalen Reformvorschlag der Fata Morgana ‚H2-ready‘ hinterher. Die Abgeordneten müssen jetzt einen kühlen Kopf bewahren und dürfen der Täuschung nicht erliegen.

„Die Bürger erwarten von der Politik belastbare und zukunftsfähige Konzepte. H2-ready als Lösungsoption ist jedoch unehrlich. Der Gesetzgeber solle H2-ready als Erfüllungsoption streichen, um tatsächlich Planungssicherheit für die Branche und Verbraucher herzustellen.“ Simone Peter

BEE

Wird das Gesetz so umgesetzt, bleibt Erdgas weitere zehn Jahre eine valide Option für neue Heizungen. Ein breit angelegter Anwendungsfall von Wasserstoff im Gebäudesektor ist nach überwiegender Experteneinschätzung weder sinnvoll noch absehbar. Die Bürger erwarten von der Politik belastbare und zukunftsfähige Konzepte. H2-Ready als Lösungsoption ist jedoch unehrlich.“ Der Gesetzgeber solle H2-Ready als Erfüllungsoption streichen, um tatsächlich Planungssicherheit für die Branche und Verbraucher herzustellen. Das Spektrum der Wärmetechnologien von Wärmepumpe über Solarthermie, Bioenergie bis zur Geothermie ist breit ausgereift und verfügbar.“

Unverständnis zeigt die BEE-Präsidentin auch gegenüber den Einschränkungen bei Biomasseheizungsanlagen: „Die Biomasse wird generell und auch in Kombination mit anderen Technologien als Hybridanlage bei der Versorgung von Neubauten ausgeschlossen. Das wird die Wärmewende ineffizienter und teurer machen. Es gibt viele Umstände, in denen Biomasse-Heizungen eine sinnvolle Option sind, beispielsweise als Quartierslösung, bei Prozesswärme-Anlagen oder Biomasse-Blockheizkraftwerken. Außerdem sind einheitliche Regeln für den Bestand und den Neubau vonnöten, um Konflikte bei gemeinsamer Versorgung in Gebäude- oder Wärmenetzen zu vermeiden. Der Anschluss an bestehende Erneuerbaren-Wärmenetze muss eine zulässige Option für Neubauten sein. Alles andere wäre eine Verschwendung von Ressourcen.“

Kritik übte Peter auch an den massiv verschärften Anforderungen für den Einbau von Holzheizungsanlagen. „Eine doppelte Pufferspeichergröße wird die Kosten für Holzheizungen so weit in die Höhe treiben, dass sie für Firmen und Privatpersonen finanziell unattraktiv werden.“ Positiv äußerte sich die BEE-Präsidentin gegenüber den Vorschlägen zur Wärmepumpe und zur Solarthermie. Die Bundesregierung habe die Bedeutung der Technologien für die Wärmewende richtig erkannt.

„Notwendiger Paradigmenwechsel hin zum verpflichtenden EE-Einsatz“

Andreas Kuhlmann, Vorsitzender der Geschäftsführung der Deutschen Energie-Agentur (dena): Der Entwurf markiert mit der 65-%-Erneuerbaren-Regelung einen notwendigen Paradigmenwechsel hin zum verpflichtenden Einsatz erneuerbarer Energien im Gebäudesektor. Positiv zu bewerten ist, dass für Gebäude sowohl im Bestand als auch im Neubau eine große Breite an Realisierungsmöglichkeiten vorgesehen wird, die der Vielfalt des Gebäudesektors Rechnung trägt.

„Die Förderrichtlinie richtet sich maßgeblich nach dem Alter bestehender Heizungen und berücksichtigt bislang soziale Kriterien wie Einkommen oder Vermögen nicht in ausreichendem Maße.“ Andreas Kuhlmann

Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena) / photothek

Mit den aktuell gültigen Förderprogrammen für den Heizungstausch sind gute Anreize für Eigentümerinnen und Eigentümer gesetzt, schon jetzt in Energieeffizienz und in die Erneuerbaren-Nutzung im Gebäude zu investieren. Die heute parallel zum GEG beschlossenen Eckpunkte für eine nach sozialen Kriterien angepasste Förderung bedürfen allerdings bedauerlicherweise noch einer Konkretisierung. Besser wäre es sicher gewesen, die Förderthematik vor einer öffentlichen Diskussion der Einzelvorhaben nachvollziehbar kommuniziert zu haben. Die Förderrichtlinie richtet sich maßgeblich nach dem Alter bestehender Heizungen und berücksichtigt bislang soziale Kriterien wie Einkommen oder Vermögen nicht in ausreichendem Maße.

Darüber hinaus wird es wichtig sein, das GEG nun mit der kommunalen Wärmeplanung zu verknüpfen. Kommunale Wärmepläne erhöhen die Planungssicherheit von Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer. Aus den Plänen wird klar ersichtlich, welche Wärmeversorgung für sie infrage kommt. Eine erfolgreiche kommunale Wärmeplanung trägt damit zu einer erfolgreichen Umsetzung des GEG bei.“

„Kein Heizungsverbot für Biomasse im Neubau“

Sandra Rostek, Leiterin des Hauptstadtbüro Bioenergie: „Wir begrüßen das Ziel von 65 % erneuerbarer Energien beim Tausch bestehender und beim Einbau neuer Heizungen. Aber Eigentümern darf nicht per se verboten werden, in Neubauten mit Biomasse zu heizen! Wir brauchen alle erneuerbaren Energien, um die Wärmewende zu stemmen und können uns einen willkürlichen Ausschluss der Bioenergie nicht erlauben. Gerade in Quartierskonzepten zur gemeinsamen Versorgung von Neu- und Bestandsbauten macht ein solches Verbot keinen Sinn. Ein neu gebautes Wohnhaus, das sich in unmittelbarer Nähe zu einem mit Biomasse betriebenen Gebäudenetz befindet, sollte an das Netz angeschlossen werden dürfen, anstatt zwingend ein eigenes Wärmesystem zu installieren.

Weiterhin dürfen Eigentümer nicht verpflichtet werden, beim Einbau einer Holzheizung oder beim Anschluss an ein mit Holz beheiztes Gebäudenetz eine Solaranlage zu installieren. Dies würde die volks- und betriebswirtschaftliche Effizienz, die soziale Verträglichkeit sowie die Akzeptanz der 65-%-Anforderung konterkarieren und kann damit einen Heizungstausch hinauszögern und den Ausbau Erneuerbarer Wärme verlangsamen.“

„Der Zeitplan ist eindeutig überzogen“

Dr. Andreas Mattner, Präsident der ZIA, Spitzenverband der deutschen Immobilienwirtschaft: „Der Zeitplan ist eindeutig überzogen. Wer die Bevölkerung mitnehmen will, kann mit diesem Zeitdruck auch diejenigen abschrecken, die eigentlich entschlossen sind, mitzuziehen. Die Regierung zeigt nun zwar an wichtigen Punkten mehr Augenmaß und Offenheit für die Einwände aus der Praxis als in ersten Überlegungen zum Thema. Übergangsfristen bei Heizungshavarien und Anschlüssen an Wärmenetze sowie der Verzicht auf Betriebsverbote für ältere Niedertemperatur- und Brennwertkessel sind wichtige Punkte der geplanten Reform, wenn es darum geht, die Pläne in der Praxis umsetzbar zu machen.“ Der ZIA fordert, dass die Auflagen zum Heizen mit erneuerbaren Energien erst zwölf Monate nach Bekanntgabe im Bundesgesetzblatt greifen sollen.

„Heizwende mit der Brechstange“

Kai Warnecke, Präsiden von Haus & Grund: „Die Bundesregierung will die Energiewende mit der Brechstange durchsetzen und lässt die Bürger dabei verunsichert und überfordert zurück. Den Einbau neuer Gas- und Öl-Heizungen ab dem kommenden Jahr zu verbieten, ohne dass hinreichend bezahlbare technische Alternativen vorhanden sind, kann kein Weg für eine erfolgreiche Energiewende sein.

„Wenn der Staat eine andere Energieversorgung durchsetzen will, muss er dies vernünftig organisieren. Er darf die Brocken dieser Mammutaufgabe nicht einfach den Bürgern vor die Füße werfen.“ Kai Warnecke

Jens Oellermann

Der Staat ist für eine sichere und bezahlbare Energieversorgung aller Bürger verantwortlich. Wenn der Staat eine andere Energieversorgung durchsetzen will, muss er dies vernünftig organisieren. Er darf die Brocken dieser Mammutaufgabe nicht einfach den Bürgern vor die Füße werfen. Aber genau das macht die Ampel-Koalition.“

Haus & Grund fordert, dass in dem Gesetz neben den Klimazielen, auch die technische Machbarkeit, die Produktverfügbarkeit sowie wirtschaftliche und soziale Aspekte berücksichtigt werden müssen. Eine dauerhafte, sichere und mit einfachen Bedingungen versehene Förderkulisse sei zudem Voraussetzung für die Umsetzung der GEG-Novelle und müsse gesetzlich verankert werden. Zudem dürften neue Anforderungen im Gebäudeenergiegesetz an Einbau und Umrüstung von Heizungsanlagen nur in Kommunen gelten, in denen eine kommunale Wärme- und Energieplanung vorliege und umgesetzt werde, sodass eine hinreichende Sicherheit für die Investitionsentscheidungen der Eigentümer bestehe. ■
Quellen: BMWK, GIH, BDEW, DUH, dena, Hauptstadtbüro Bioenergie, ZIA, Haus & Grund, DVGW, BEE, BTGA, FGK, RLT-Herstellerverband / jv

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